Wirtschaftslexikon - Enzyklopädie der Wirtschaft
lexikon betriebswirtschaft Wirtschaftslexikon lexikon wirtschaft Wirtschaftslexikon Suche im Wirtschaftslexikon
A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z
 
 
 

Wachstumstheorie

1. Gegenstand: a) Begriff: Die Wachstumstheorie beschäftigt sich mit der Erklärung der zeitlichen Veränderung des Sozialproduktes (pro Kopf) sowie seiner Bestandteile. Dabei steht nicht die kurzfristige, d. h. jährliche oder vierteljährliche Vermehrung der Produktion im Vordergrund, sondern vielmehr die langfristige Veränderung der Produktionsmöglichkeiten bzw. des Produktionspotentials (d. h. des bei Normalauslastung der in einer Volkswirtschaft vorhandenen Produktionsfaktoren produzierbaren Produktionsvolumens). - Vgl. auch Wachstum. Wächst das Produktionspotential pro Kopf, so spricht man von intensivem Wachstum. Entwickeln sich dagegen Produktionspotential und Bevölkerung in gleichem Ausmaß, liegt extensives Wachstum vor. Eng mit der Wachstumstheorie verknüpft ist die Konjunkturtheorie. Ebenso enge Verknüpfungen bestehen auch zur Entwicklungstheorie, die nicht nur die ökonomischen Veränderungen innerhalb einer Gesellschaft betrachtet, sondern auch die sozialen, institutionellen, kulturellen sowie politischen Entwicklungsprozesse. - b) Die zentrale Frage, auf die mit Hilfe der Wachstumstheorie eine Antwort gefunden werden soll, gilt den Wachstumsfaktoren oder den Triebkräften des Wachstums. Auf der Suche nach einer Antwort wird häufig ein zweistufiges Vorgehen gewählt. (1) In einem ersten Schritt wird untersucht, ob es einen gleichgewichtigen Wachstumspfad (ein dynamisches Gleichgewicht) gibt, auf dem alle Größen mit gleicher, konstanter Rate wachsen, und welche Faktoren das Wachstumstempo auf diesem Pfad bestimmen. (2) In einem zweiten Schritt wird analysiert, ob der gleichgewichtige Wachstumspfad stabil oder instabil ist. Das bedeutet: Es wird gefragt, ob es Kräfte gibt, die die tatsächliche (realisierte) Wachstumsrate an die gleichgewichtige Wachstumsrate annähern (stabiles dynamisches Gleichgewicht) oder ob bestimmte Kräfte die tatsächliche Wachstumsrate immer weiter vom dynamischen Gleichgewicht entfernen (instabiles dynamisches Gleichgewicht). Nur im ersten Fall erlaubt der dynamische Gleichgewichtspfad eine Erklärung des tatsächlichen Verlaufs des Wachstumsprozesses. - c) Jeder Wachstumsprozeß ist mit strukturellen Veränderungen verbunden, die sich vor allem im regionalen und sektoralen Strukturwandel (struktureller Wandel) sowie in veränderten Anforderungen an die Qualifikation der Arbeitskräfte niederschlagen. Diese Veränderungen bringen es mit sich, daß nicht alle Mitglieder einer Gesellschaft vom wirtschaftlichem Wachstum profitieren. Vielmehr verlieren manche Mitglieder ihren Arbeitsplatz und müssen sich durch Umschulung, Berufswechsel und regionale Mobilität an den Strukturwandel anpassen. Diese Notwendigkeiten, die einen hemmenden Einfluß auf das Tempo des Wachstums haben können, werden im folgenden ebensowenig thematisiert wie die Grenzen des Wachstums, die sich aus der Erschöpfbarkeit der Ressourcen und der begrenzten Aufnahmekapazität der Umwelt für die Schadstoffe und Abfälle ergeben, die durch Produktion und Konsum an die Umwelt abgegeben werden (Umwelt- und Ressourcenökonomik, Umweltpolitik).
2. Grundpositionen: a) Aktive Rolle des Unternehmers: Die verschiedenen Modelle zur Erklärung des Wachstumsprozesses lassen sich hinsichtlich der Bedeutung gruppieren, die dem Unternehmerverhalten beigemessen wird. In Modellen, die dem Unternehmer eine aktive Rolle zusprechen, bestimmen Unternehmer durch ihre an Nachfrageerwartungen oder an Profitratenerwartungen orientierten Investitionsentscheidungen das Tempo der Akkumulation von Kapital und damit auch die Wachstumsrate des Sozialprodukts. Um den Wachstumsprozeß zu erklären, beschäftigen sich die Vertreter dieser Gruppe mit der Erwartungsbildung und Entscheidungsfindung der Unternehmer und folglich mit den Determinanten der Investitionsnachfrage. In den Modellen dieser Gruppe bestimmen die Unternehmer ihre Produktion und Preise selbst in Abhängigkeit von ihren Absatz-, Preis- und Gewinnerwartungen, und diese Entscheidungen sind nicht notwendigerweise mit den Kaufentscheidungen der Nachfrager kompatibel. Diese Wachstumsmodelle lassen sich zutreffend auch als Akkumulationsmodelle bezeichnen, weil die wesentlichen Triebkräfte des Wachstums sich in der Akkumulation des Sachkapitals niederschlagen. Diese Sichtweise findet sich bereits in den Analysen des Wachstumsprozesses der klassischen Ökonomen (insbes. Ricardo) sowie der Ökonomen Karl Marx und Joseph Schumpeter (vgl. 3 a). Heute dominiert sie die (post-)keynesianische Wachstumstheorie Im Rahmen dieser Theorie wird versucht, die Überlegungen der statischen keynesianischen Theorie für die Wachstumstheorie nutzbar zu machen (vgl. 3 b). Man bezeichnet diese Versuche deshalb als "post"-keynesianisch, weil sie die Begrenzung auf die kurze Frist überwinden und aus der statischen Theorie heraus eine dynamische Theorie schaffen. Die postkeynesianische Wachstumstheorie läßt sich in zwei Epochen einteilen. In der ersten Phase steht das Instabilitätsproblem im Vordergrund. Dafür ist das Harrod-Domar-Modell repräsentativ (vgl. 3 c). Die zweite Phase der postkeynesianischen Wachstumstheorie zeichnet sich durch das Bemühen ihrer Vertreter aus, den in der Realität nicht völlig instabil verlaufenden Akkumulationsprozeß zutreffender theoretisch zu modellieren. Sie suchen folglich nach stabilisierenden Faktoren in einem generell instabilen System. Repräsentativ dafür sind die Überlegungen von Nikolas Kaldor (vgl. 3 d) und Joan Robinson (vgl. 3 e). - b) Passive Rolle der Unternehmer: In der zweiten großen Gruppe der Modelle zur Wachstumstheorie legen die Unternehmer ein passives Verhalten an den Tag und haben somit keinen eigenständigen Einfluß auf das Wachstum. Die Preise auf den Märkten für die Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital ergeben sich aus dem Marktmechanismus und stellen für die Unternehmen ein Datum dar, an das sie sich anpassen müssen. Sie veranlassen sie, die jeweils optimale Faktorkombination in den Produktionsprozeß einzubringen und sorgen so für den Einsatz aller verfügbaren Produktionsfaktoren und damit für die volle Ausnutzung des Produktionspotentials zur Produktion von Gütern. Daraus resultiert das Angebot, das sich über den auf allen Märkten unbeschränkten Preismechanismus bei Mengenanpasserverhalten der Unternehmer die entsprechende Nachfrage schafft (Saysches Theorem). Die entscheidende Aufgabe der Wachstumstheorie ist es daher, die Determinanten des Wachstums des Produktionspotentials aufzuzeigen. Deshalb wird dieser Ansatz, auf dem die neoklassische Wachstumstheorie beruht, auch als "Potentialansatz" bezeichnet (vgl. 4). - c) Gegenüberstellung: Die beiden gegensätzlichen Positionen hinsichtlich der Rolle der Investoren haben auch Konsequenzen für die Stabilität des dynamischen Gleichgewichts. Für die erste Gruppe gilt: Wenn die Erwartungen der Unternehmen nicht eintreffen und wenn die Preise nicht so flexibel sind, um die Differenz zwischen Angebot und Nachfrage zu schließen, werden die Erwartungen und die Investitionsentscheidungen korrigiert; dies kann in einer Weise geschehen, die die Entwicklung hin zum Gleichgewicht gefährdet. Wichtig für die Stabilität ist folglich auch das Ausmaß an Sicherheit bzw. Unsicherheit, das der Erwartungsbildung zugrundeliegt. - In (traditionellen) neoklassischen Modellen wird generell von vollständiger Information und vollkommen flexiblen Preisen ausgegangen, an deren Veränderungen sich die Unternehmer ohne Verzögerung anpassen, so daß stabilitätsgefährdende Faktoren ausgeschlossen sind und das Gleichgewicht stabil ist. - Allen Wachstumstheorie gemeinsam ist, daß im Periodengleichgewicht die Investition der Ersparnis entspricht, aber die Stabilisierungsmechanismen sind gegensätzlich: In den keynesianischen Modellen paßt sich die Ersparnis durch Änderung des Volkseinkommens oder seiner Verteilung an die Investitionen an. In den neoklassischen Modellen ist die Ersparnis vorgegeben und die Investitionen werden über den Zinsmechanismus an ihre Höhe angepaßt.
3. Wachstum durch Investitionsentscheidungen der Unternehmer: a) Kapitalakkumulation durch Konkurrenzdruck und Gewinnanreiz (Ricardo, Marx, Schumpeter): Die Akkumulation von Sachkapital ist für die klassischen Ökonomen (insbes. Smith und Ricardo ein - wenn nicht das - herausragende Merkmal des Wachstumsprozesses, der mit der industriellen Revolution einsetzte. Während Adam Smith die eindrucksvolle Wirkung der mit dem technischen Fortschritt einhergehenden, ständig zunehmenden Arbeitsteilung auf die Produktivität und damit auf den nationalen Wohlstand herausstreicht, erhält bereits bei Ricardo die Profitrate, also die Kapitalrendite, einen zentralen Stellenwert: Ricardo sieht eine positive Profitrate als Vorbedingung dafür, daß weiteres Kapital in den Produktionsprozeß investiert wird. Wegen des mit zunehmender Produktion abnehmenden Bodenertrags in der Landwirtschaft befürchtet Ricardo einen langfristigen Fall der Profitrate, der durch technische Neuerungen nur vorübergehend aufgehalten werden kann. Folglich werde eines Tages die Kapitalakkumulation ein Ende finden. - Diese Kernproblematik - Kapitalakkumulation, Profitrate, technischer Fortschritt - greift in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit größter Eindringlichkeit Karl Marx auf. Bei Marx, der in seiner Theorie stark in der klassischen Ökonomie verwurzelt ist, steht hinter dieser Trias als enscheidende Triebkraft der Konkurrenzkampf zwischen den Unternehmen. Dieser zwingt den einzelnen Unternehmer, ständig dem technischen Fortschritt Rechnung zu tragen und neue, modernere und kostengünstigere Verfahren einzuführen, wozu er neue Maschinen und Anlagen installieren und entsprechend Kapital investieren muß. Für Marx ist diese Notwendigkeit Ausdruck der immanenten Gesetze der kapitalistischen Produktionsweise, die dem individuellen Kapitalisten als äußere Zwangsgesetze aufgezwungen werden. Wie Ricardo rechnet Marx mit einem tendenziellen Fall der Profitrate, durch den langfristig die Fortdauer der Sachkapitalakkumulation und damit die unbegrenzte Fortdauer der kapitalistischen Produktionsweise in Frage gestellt wird. - Während bei Marx der einzelne Unternehmer unter den Zwangsgesetzen der Konkurrenz zur Kapitalakkumulation gezwungen wird, betont zu Beginn des 20. Jahrhunderts Schumpeter die aktive Rolle der Pionier-Unternehmer, also jener kleinen Anzahl von Unternehmerpersönlichkeiten, die Innovationen durchsetzen. Sie werden getrieben von dem Anreiz, vorübergehende Monopolgewinne zu erzielen, solange sie nämlich einziger Anwender der jeweiligen Innovation bleiben. Die Pionier-Unternehmer treiben den Prozeß des technischen Fortschritts aktiv voran, dessen Ausbreitung davon abhängt, welche Marktanteile der Pionier-Unternehmer selber erlangt und wie rasch sich Nachahmer (Imitatoren) finden, die im Rahmen der rechtlichen Regelungen zum Patent- und Lizenzwesen die Neuerungen übernehmen und dadurch die Monopol- bzw. Differentialgewinne (polypolistische Preisbildung) wieder abschmelzen. In Schumpeters Vorstellung erfolgen Innovationen schubweise: Sie starten aus einem Zustand stationären Gleichgewichts, in dem die normalen Unternehmer als Mengenanpasser in herkömmlicher Weise produzieren und verkaufen. Dieses stationäre Gleichgewicht wird dann durch die Pionier-Unternehmer gestört, bis nach Ablauf des Innovationsschubs ein neues stationäres Gleichgewicht erreicht wird. Auf diese Weise kombiniert Schumpeter die damals bereits etablierte statische allgemeine Gleichgewichtstheorie mit seiner dynamischen Theorie des Wirtschaftswachstums. - b) Die statische Kreislaufanalyse von Keynes als theoretische Grundlage der postkeynesianischen Wachstumstheorie: Bereits in der "General Theory of Employment, Interest and Money" hat Keynes 1936 dargelegt, wie Produktionsniveau und Beschäftigung durch das Unternehmerverhalten bestimmt werden. Seine Schlußfolgerungen basieren aber auf einem statischen Modell, d. h. auf einer Volkswirtschaft, deren Produktionspotential nicht wächst; es handelt sich folglich um eine kurzfristige Analyse. Im Unterschied zur bis zu diesem Zeitpunkt vorherrschenden neoklassisch-mikroökonomischen Betrachtung in der ökonomischen Theorie, in der alle Teilmärkte einer Volkswirtschaft unabhängig voneinander durch den Preismechanismus zum partiellen Gleichgewicht tendieren, schuf Keynes ein interdependentes System, in dem die Märkte über Güter- und Geldströme miteinander in Verbindung stehen. Zugleich sind in dieser Kreislaufanalyse nicht alle Teilmärkte gleichberechtigt, es gibt eine Hierarchie der Märkte, was bedeutet, daß die Entscheidungen auf den Geld- und Gütermärkten das Angebots- und Nachfrageverhalten auf dem Arbeitsmarkt beeinflussen. Der Unternehmer übernimmt die aktive Rolle in diesem interdependenten System der Teilmärkte. Er muß aufgrund unvollständiger Informationen Erwartungen über die effektive Nachfrage bilden und entscheidet auf dieser Grundlage über die zu produzierende Menge sowie über die Investitionen, die erforderlich sind, um die nachgefragte Gütermenge auch anbieten zu können. Im Umfang der in der jeweils betrachteten Periode tatsächlich produzierten Gütermenge entsteht bei den Arbeitnehmer- und Unternehmerhaushalten Einkommen, woraus die Konsumnachfrage finanziert wird. Ein Teil des Einkommens wird jedoch gespart und dient der Vermögensbildung. - Sofern in Höhe der Ersparnis der Haushalte von den Unternehmern auch investiert wird, herrscht Periodengleichgewicht, d. h. die angebotene Gütermenge entspricht der nachgefragten, und die Erwartungen der Unternehmer sind erfüllt worden. Die Investitionsentscheidung der Unternehmer orientiert sich aber nur zum Teil an der Absatzerwartung. Relevant sind die Renditeerwartungen der Unternehmer, also die Verzinsung des eingesetzten Kapitals. Die Rendite- bzw. die Gewinnerwartungen der Unternehmer ergeben sich aus der Differenz zwischen den Absatzerwartungen und den Kosten, wobei insbes. die Zinsen, also der Verzicht auf alternative Zinserträge zu berücksichtigen sind (Opportunitätskostenprinzip). Diese Differenz ist die marginal efficiency of capital, die Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals. Die Zinsen ergeben sich auf dem Geldmarkt aus Angebot und Nachfrage. Die angebotene Geldmenge ist exogen, und die Geldnachfrage ergibt sich aus den Kassenhaltungswünschen der Haushalte, welche wiederum wesentlich vom Einkommen und - damit zusammenhängend - von den Transaktionen, also den regelmäßig anfallenden Zahlungen, bestimmt werden. Die Entscheidungen auf Geld- und Gütermärkten bestimmen letztlich das Beschäftigungsniveau; denn die Unternehmer werden nur soviele Arbeitskräfte auf dem Arbeitsmarkt nachfragen wie sie für die Produktion der Güter zur Befriedigung der effektiven Nachfrage benötigen. Daraus folgt gleichzeitig, daß diese Nachfrage nach Arbeitskräften nicht unbedingt dem Angebot auf dem Arbeitsmarkt entsprechen muß. Es kann somit sein, daß zwar auf Güter- und Geldmarkt Gleichgewicht herrscht, nicht aber auf dem Arbeitsmarkt. Wenn in dieser Situation die Arbeitskräftenachfrage kleiner ist als das Angebot, herrscht Arbeitslosigkeit (Unterbeschäftigungsgleichgewicht; Arbeitsmarkttheorie). - Diese Zusammenhänge verdeutlichen die zentrale Rolle des Unternehmers sowie insbes. die Nachfrage(erwartung) im Keynesianismus und somit auch in der postkeynesianischen Wachstumstheorie. Ebenso wichtig wie diese Verhaltensanalyse ist die Stabilitätsanalyse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts. In der statischen Keynesschen Theorie ist das Gleichgewicht stabil. Angebot und Nachfrage klaffen nur vorübergehend auseinander: Positive oder negative Multiplikatorprozesse führen zum Gleichgewicht zurück. Dafür gibt es mehrere Gründe. (1) Einer der Gründe ist darin zu sehen, daß die marginale Konsumquote, also der Teil jeder zusätzlich verdienten Geldeinheit, der für Konsum verwendet wird, kleiner ist als Eins. Eine Einkommenserhöhung führt zu einer unterproportionalen Erhöhung der Nachfrage. Der Multiplikatorprozeß läuft folglich nach vielen Schritten aus und endet in einem neuen Gleichgewicht bei höherem Einkommen und höherer Nachfrage. Im umgekehrten Fall führt der negative Multiplikatorprozeß dazu, daß die Nachfrage nur unterproportional schrumpft und demnach ein neues Gleichgewicht bei niedrigerem Einkommen und niedrigerem Nachfrageniveau erreicht wird. Dieser Stabilitätsmechanismus funktioniert allerdings nur, wenn die Unternehmer nur wenig auf Änderungen der Renditeerwartungen reagieren. (2) Stabilisierend wirkt auch, wenn die Unternehmer mit zunehmenden Investitionen erwarten, daß deren Rentabilität sinkt. Dies hat zur Folge, daß positive Änderungen in der Renditeerwartung nicht kontinuierlich weitere Investitionen induzieren, sondern daß die Investitionsbereitschaft im Zeitablauf nachläßt und sich ein neues Gleichgewicht einstellt. - c) Die destabilisierende Wirkung der Unternehmererwartungen im Harrod-Domar-Modell: (1) Annahmen des Harrod-Modells: Den ersten Schritt zu einer Dynamisierung der statischen Kreislaufanalyse unternimmt Harrod (1939). In seinem Modell berücksichtigt er nur den Gütermarkt und modelliert eine geschlossene Volkswirtschaft ohne Staat. Dies hat zur Folge, daß sich die gesamtwirtschaftliche Nachfrage nur aus privatem Konsum und Investition zusammensetzt. Die Preise sind konstant. Das Sparverhalten läßt sich anhand folgender Sparfunktion beschreiben:
Die Ersparnis S resultiert somit aus dem Realeinkommen X der laufenden Periode t, das sich aus der Produktion in t ergibt und ihrem Wert entspricht. Die durchschnittliche Sparquote entspricht der marginalen Sparquote s und ist konstant. Mit der Investitionsfunktion führt Harrod den Akzelerator (v) ein:
Der konstante Akzelerator (zu deutsch: "Beschleuniger") gibt an, in welchem Umfang durch Änderungen in der erwarteten Produktion aufgrund veränderter Nachfrage zusätzliche Investitionen induziert werden. Der Akzelerator ist zwar ein Verhaltensparameter, es ist aber naheliegend, daß die Investitionen sich an den technischen Möglichkeiten orientieren, so daß der Kapitalkoeffizient ( = K/X) als Richtschnur für die Investitionen angesehen werden kann. Der Kapitalkoeffizient gibt an, in welchem Umfang der Kapitalbestand (K) vergrößert werden muß, wenn zusätzliche Nachfrage durch eine Ausweitung der Produktion (X) mit Hilfe eines normal ausgelasteten Kapitalbestandes befriedigt werden soll. Daraus folgt, daß man sich den Akzelerator am treffendsten als zusammengesetzten Parameter vorstellen muß, der einerseits die technischen Bedingungen, andererseits aber auch ein davon abweichendes Verhalten der Investoren berücksichtigt, das sich zum Beispiel aus deren Risikoeinstellung ergeben kann. - Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Erwartungsbildung der Investoren zu beschreiben. Die Erwartung bzgl. der Nachfrageänderung kann sich auf die Differenz zwischen der Nachfrage am Ende dieser Periode (Xt) und der Nachfrage am Ende der letzten Periode (Xt-1) beziehen (Fall b) oder aber auf die Differenz zwischen der Nachfrage am Ende der nächsten Periode (Xt+1) und der Nachfrage am Ende dieser Periode (Xt) (Fall a). (2) Um nun zur gleichgewichtigen Wachstumsrate (wX*) zu kommen, bei der sich in jeder Periode das Periodengleichgewicht einstellt, formuliert Harrod die Gleichgewichtsbedingung, setzt die Spar- und die Investitionsfunktion ein und löst die Gleichung nach der Wachstumsrate auf. Daraus folgt für den Fall a:
Für Fall b ergibt sich nach einigen Umformungen:
Für beide Fälle gilt, daß die Investoren mit einer ganz bestimmten, durch s und v vorgegebenen Wachstumsrate der Nachfrage rechnen müssen, damit sich auch in der folgenden Periode das Periodengleichgewicht einstellt und die gleichgewichtige Wachstumsrate realisiert wird. Gehen die Investoren von einer geringeren Wachstumsrate aus und investieren auch entsprechend weniger, so entsteht in der folgenden Periode ein Angebotsüberschuß, da die Investitionsnachfrage nicht die durch die Ersparnis entstehende Nachfragelücke schließt. Die Unternehmer korrigieren daraufhin ihre Absatzerwartungen, indem sie für die nächste Periode mit derselben Konstellation, d. h. mit einem geringeren Nachfragezuwachs rechnen (Erwartung II 1, Wachstumstheorie 3 c), Geldtheorie III 5). Dadurch verschlimmert sich jedoch die Situation, denn infolge der weiter schrumpfenden Nachfrageerwartung sinken auch die induzierten Investitionen. Es kommt zu einem kumulativen Kontraktionsprozeß, der immer weiter weg vom dynamischen Gleichgewichtspfad führt. Für den entgegengesetzten Fall, daß mit einer zu großen Änderung der Nachfrage gerechnet wird, ergibt sich ein kumulativer Expansionsprozeß. Die Stabilitätsanalyse der gleichgewichtigen Wachstumsrate zeigt also ihre Instabilität. Sofern auch nur ein einziges Mal "falsche" Erwartungen gebildet werden, führt kein Weg zum dynamischen Gleichgewicht zurück. Harrod spricht deswegen auch vom Wachstum "auf des Messers Schneide". (3) Ergänzungen von Domar: Im Wachstumsmodell von Harrod spielt lediglich die Nachfrageseite der Investitionen eine Rolle (Einkommenseffekt der Investitionen). Die Tatsache, daß die Maschinen, sobald sie einmal in den Produktionsprozeß integriert sind, auch die Produktionsmöglichkeiten vergrößern, wird vernachlässigt. Diesen Kapazitätseffekt der Investitionen analysiert Domar explizit. Fügt man Domars Analyse in das Harrod-Modell ein, zeigt sich eine verstärkte Instabilität des Harrod-Domar-Modells am augenfälligsten. Jetzt müssen die Unternehmer mit einer ganz bestimmten Wachstumsrate der Nachfrage rechnen, so daß sie durch ihre Investitionen genau die notwendigen Kapazitäten zur Befriedigung der Nachfrage schaffen. So wird das Harrod-Paradoxon bestätigt, das besagt, daß unterausgelastete Kapazitäten nicht dadurch entstehen, daß zu viel, sondern daß zu wenig investiert wird. (4) Beurteilung: Mit dem Harrod-Domar-Modell ist es zwar gelungen, einen gleichgewichtigen Wachstumspfad abzuleiten, aber dieser ist instabil; jede Störung führt zu einer dauerhaften Abweichung nach "oben" oder nach "unten". Der Grund liegt darin, daß das Modell gänzlich auf stabilisierende Faktoren verzichtet. Eine Nachfrageerhöhung wird vollständig über eine steigende Produktionsmenge kompensiert, egal ob die Kapazitäten vorher ausgelastet waren oder nicht. Dadurch, daß die Preise konstant sind, kann die Nachfrage auch nicht in Form höherer Preise verpuffen. Auch die dämpfende Wirkung steigender Zinsen kommt nicht zum Tragen, da es keinen Geldmarkt gibt, der dies auslösen könnte. Die Realität bestätigt jedoch nicht das Katastrophenszenario, das sich hieraus ergibt. Dem tragen die beiden nachfolgenden (post-)keynesianischen Wachstumsmodelle Rechnung. - d) Technischer Fortschritt und Profitrate als entscheidende Größen in Kaldors Wachstumsmodell: (1) Technischer Fortschritt als tragende Säule der W.: Die technische Fortschrittsfunktion. Der technische Fortschritt, der in den Wachstumsanalysen der Ökonomen vor Keynes eine so wichtige Rolle spielt, bleibt bei Harrod-Domar noch im Hintergrund. Dies ändert sich schlagartig mit dem Erscheinen des bahnbrechenden Artikels von Solow (1956), der die neoklassische Wachstumstheorie begründete, die hier unter 4. dargestellt wird. Auf diese Neuentwicklung greift Kaldor (1957) zurück, um seine Technische-Fortschritts-Funktion (TFF) abzuleiten. Mit Hilfe der TFF gelingt es Kaldor, den positiven Einfluß eines autonomen und induzierten technischen Fortschritts auf die Höhe der gleichgewichtigen Wachstumsrate der Pro-Kopf-Produktion abzubilden. Die TFF basiert auf einer neoklassischen Produktionsfunktion, die für die Produktionsfaktoren Arbeit, Kapital und technischer Fortschritt sinkende Grenzerträge aufweist. Kaldor endogenisiert und erklärt damit einen Teil des technischen Fortschritts durch die Hypothese, daß mit der Kapitalintensivierung der Produktion weiterer technischer Fortschritt induziert wird. Davon zu unterscheiden ist der autonome technische Fortschritt (Faut), der unabhängig von der Kapitalintensivierung ist. Kaldors TFF beschreibt nun den Einfluß der zunehmenden Kapitalintensivierung T (Erhöhung des Kapitaleinsatzes (K) je Arbeitskraft (A)) und des technischen Fortschritts auf das intensive Wachstum, d. h. auf die Entwicklung des Sozialprodukts (X) je Arbeitskraft (A):
Der Parameter ist die Summe aus der direkten Produktionselastizität des Kapitals (n) und einem Faktor (a), der angibt, in welchem Ausmaß durch die zunehmende Kapitalintensivierung (positives wK/A) technischer Fortschritt induziert wird. Diese Gleichung läßt sich auch in der neoklassischen Produktionstheorie ableiten, solange konstant bleibt. Kaldor behauptet jedoch, werde bei rascherer Kapitalintensivierung kleiner. Er begründet dies unter anderem damit, daß zunächst die profitabelsten Neuerungen und später die weniger profitablen durchgeführt werden. Ein weiterer Grund liege darin, daß die Lerneffekte, die durch den Umgang mit neuen Maschinen erzielt werden, zunächst stark sind und dann immer mehr abnehmen. Dank des im nächsten Abschnitt erläuterten Stabilisierungsmechanismus wird der Wachstumsprozeß immer wieder auf den langfristigen Gleichgewichtspfad zurückgeführt, auf dem Sozialprodukt und Kapitalbestand mit gleicher Rate wachsen. Die Höhe dieser Rate wird allein von der Lage der TFF bestimmt. Dies zeigt die Gleichsetzung von wX und wK in Gleichung (7), die zur Gleichung (8) führt:
Das Tempo des autonomen und induzierten technischen Fortschritts bestimmt die gleichgewichtige Wachstumsrate der Pro-Kopf-Produktion. Die Durchsetzung des technischen Fortschritts betrachtet Kaldor unter gesellschaftlichem Aspekt und spricht von der technischen Dynamik einer Volkswirtschaft, d. h. von ihrer Bereitschaft, neue Techniken anzuwenden und deren Folgen zu akzeptieren. (2) Profitratenabhängige Investitionen als stabilisierende Kraft: Die Unternehmer orientieren sich bei ihrer Investitionsentscheidung an der erwarteten Nachfrageänderung und der erwarteten Änderung der Profitrate bzw. der Verzinsung des eingesetzten Kapitals (G/K) (mit G = Gewinn = Umsatz – Kosten). Die von Nachfrageänderungen induzierten Investitionen lassen sich aus der TFF ableiten (für wA = 0):
Festzulegen bleibt, welche Nachfrageänderung (N) die Unternehmer erwarten. Hier wählt Kaldor die folgenreiche Annahme, die erwartete Nachfrageänderung entspräche stets der Wachstumsrate des Sozialprodukts der Vorperiode. Dadurch werden nämlich die destabilisierenden Erwartungsfehler, die im Harrod-Domar-Modell eine entscheidende Rolle spielen, ausgeschlossen. Bei den profitratenabhängigen Investitionen nimmt Kaldor an, daß sich die Unternehmen an der Änderung der Kapitalproduktivität der Vorperiode orientieren. Diese Annahme stützt auf die definitorische Beziehung G/K = X/K · G/X, wonach ein positiver Zusammenhang zwischen der Profitrate G/K und der Kapitalproduktivität X/K besteht, insbes. wenn die Gewinnquote (G/X), wie Kaldor annimmt, konstant ist. Daraus folgt für die profitratenabhängigen Investitionen (wobei die Stärke des Einflusses angibt):
Für den gleichgewichtigen Wachstumspfad nimmt Kaldor wie Harrod/Domar Periodengleichgewicht an. Damit gilt auch hier:
Wenn s und konstant sind, befindet sich die mit dieser Rate wachsende Volkswirtschaft im dynamischen Gleichgewicht. Da s annahmegemäß konstant ist, beschränkt sich die Gleichgewichtsbedingung auf die Relation von K und X. Diese darf sich im Zeitablauf nicht verändern, denn nur dann ist konstant. Durch die Annahme Kaldors, die nachfrageinduzierten Investitionen orientierten sich an der realisierten Wachstumsrate der Vorperiode, würde in jeder Periode die Wachstumsrate der Vorperiode reproduziert, sofern es nur diese Investitionen gäbe. Da aber zusätzlich zur Nachfrage auch die Profitratenerwartung relevant ist, gibt es nur eine einzige stabile gleichgewichtige Wachstumsrate. Bei dieser ist die Kapitalproduktivität konstant. In Abbildung 1 ist sie mit P0 gekennzeichnet. Solange das reale Sozialprodukt und der Kapitalbestand mit unterschiedlichen Raten wachsen, ändert sich dagegen mit der Kapitalproduktivität die Profitratenerwartung so, daß die Akkumulationsrate des Kapitals sich der gleichgewichtigen Wachstumsrate annähert. Hinter diesem Stabilisierungsmechanismus steht die Annahme des sinkenden Grenzertrages des Sachkapitals, und zwar trotz des induzierten technischen Fortschritts. Wenn also z. B. in der Abbildung "Kaldors Wachstumsmodell" links von P0 das Sozialprodukt rascher wächst als der Kapitalbestand, steigt zwar die Kapitalproduktivität, aber dieser Anstieg ist nicht von Dauer. Vielmehr nähern sich beide Wachstumsraten wegen der zusätzlichen, profitratenabhängigen Investitionen einander an. Im Gleichgewicht ist die Kapitalproduktivität konstant, die Unternehmer rechnen mit einer konstanten Profitrate, und es werden keine profitratenabhängigen Investitionen mehr induziert.
- Modifikation: Der Zusammenhang zwischen Profitrate und Kapitalproduktivität ist nicht mehr so eng, wenn die Annahme der konstanten Einkommensverteilung (G/X) fallen gelassen wird, wie die definitorische Beziehung G/K = G/X · X/K zeigt. Es wäre denkbar, daß eine sinkende Gewinnquote die steigende Kapitalproduktivität teilweise oder vollständig kompensiert. Der Stabilisierungsmechanismus ist damit außer Kraft gesetzt. Daß dieser Fall nicht völlig abwegig ist, zeigt die intensivere Auseinandersetzung mit Kaldors Verteilungstheorie. Die stabilisierende Wirkung einer variablen Kapitalproduktivität hat Kaldor mit der neoklassischen Wachstumstheorie gemein. Dennoch steuert - wie auch im postkeynesianischen Harrod-Domar-Modell - der Unternehmer durch seine Investitionsentscheidungen den Akkumulationsprozeß. In der neoklassischen Wachstumstheorie dagegen passen sich die Unternehmer an Faktorpreisveränderungen an, die mit der variablen Kapitalproduktivität einhergehen. - e) Die stabilisierende Wirkung der erwarteten Profitrate im Robinson-Modell: (1) Annahmen: Auch im Akkumulationsmodell von Robinson sind die investierenden Unternehmer diejenigen, die den Wachstumsprozeß vorantreiben. Die Kernaussage dieses Modells besteht darin, daß ein wechselseitiger Zusammenhang zwischen der Profitrate(nerwartung) und der Höhe der Akkumulationsrate besteht, der den Wachstumsprozeß stabilisiert. Die Antriebskraft des Akkumulationsprozesses ist der Drang der Unternehmer zu wachsen und zu überleben. Gewinne werden angestrebt, um das Unternehmenswachstum zu finanzieren. Die Unternehmer lassen sich hierbei direkt von der erwarteten Profitrate leiten (und nicht indirekt über die erwartete Änderung der Kapitalproduktivität wie bei Kaldor):
Robinson nimmt an, daß eine steigende Akkumulationsrate für die Investoren mit zunehmenden Risiken verbunden ist, so daß nur dann, wenn die erwartete Profitrate überproportional steigt, mehr investiert wird. - Die Akkumulationsrate wirkt ihrerseits auf die tatsächliche Profitrate zurück; denn es gilt:
(2) Dieses Ergebnis läßt sich aus der Kaldor-Pasinetti-Verteilungstheorie ableiten, sofern man von der klassischen Sparhypothese ausgeht, wonach die Arbeitnehmer nichts sparen (sA = 0). Das Witwenkrug-Theorem, das bereits Keynes (1930) für eine vollbeschäftigte Volkswirtschaft nachgewiesen hat, gilt auch hier: Die Profitrate ist negativ abhängig von der Sparquote der Unternehmerhaushalte (Su), weil eine geringere Sparquote eine höhere Konsumneigung der Unternehmerhaushalte bedeutet, die zu höheren Preisen führt. In der Abbildung "Joan Robinsons Wachstumsmodell" ist die Profitrate in Abhängigkeit von der Akkumulationsrate und die Akkumulationsrate in Abhängigkeit von der erwarteten Profitrate abgetragen. Die Akkumulationsratenfunktion ergibt sich aus der Annahme, daß mit steigender Akkumulationsrate die Risiken zunehmen und deshalb die erwartete Profitrate überproportional steigen muß, damit weiter investiert wird. Durch den Verlauf der Kurven ergeben sich zwei Schnittpunkte. Es handelt sich jeweils um einen Gleichgewichtspunkt, in dem die erwartete der tatsächlichen Profitrate entspricht. Aber nur der rechte Schnittpunkt markiert ein stabiles dynamisches Gleichgewicht. Links von ihm ist die tatsächliche Profitrate größer als die erwartete. Daraufhin korrigieren die Investoren ihre Erwartungen und erhöhen die Akkumulationsrate. Dieser Anpassungsprozeß läuft so lange weiter, bis das Gleichgewicht erreicht ist. Rechts vom betrachteten Gleichgewichtspunkt ist die erwartete Profitrate größer als die tatsächliche. Die Erwartungen werden "nach unten" korrigiert und es wird weniger investiert. Der untere Gleichgewichtspunkt ist deswegen instabil, weil sowohl rechts als auch links vom Gleichgewicht die Erwartungen und Investitionen so korrigiert werden, daß sich die realisierte Profitrate und damit die Akkumulationsrate jeweils vom Gleichgewicht weg entwickeln.
- Für das Wachstumstempo entscheidend ist zum einen die Risikobereitschaft der Unternehmer (bzw. ihre Renditeansprüche) in Abhängigkeit von der Akkumulationsrate und zum anderen die Ungleichheit der Einkommensverteilung, gemessen an der Gewinnquote. (3) Vergleich: Vergleicht man das Akkumulationsmodell von Robinson mit dem Harrod-Domar-Modell, so wird deutlich, daß die mit steigender Akkumulationsrate wachsenden Risiken sowie die damit verknüpften Anforderungen an die Profitratenerwartung ausschlaggebend für den Stabilisierungsmechanismus sind. Im Harrod-Domar-Modell ist die stabilisierende Wirkung der zunehmenden Risiken nicht berücksichtigt. Der Vergleich mit Kaldors Wachstumsmodell zeigt, daß dort die Einkommensverteilung konstant ist und keinen Einfluß auf die Höhe der gleichgewichtigen Wachstumsrate hat. Sie muß nämlich für die Stabilität des dynamischen Gleichgewichtes konstant sein. Bei Kaldor ändert sich die Profitrate wegen der veränderlichen Kapitalproduktivität, die ihrerseits im Kaldor-Modell nicht auftritt. Im Akkumulationsmodell von Robinson bestimmt die Einkommensverteilung dagegen nicht nur die Höhe der Akkumulationsrate, sondern auch deren Stabilität. - f) Gesamtkritik und Ausblick: In der postkeynesianischen Wachstumstheorie spielen die Investitionsentscheidungen der Unternehmer die entscheidende Rolle. Ihre Bestimmungsgründe sind daher von großem Einfluß, und es zeigt sich, daß deren Auswahl die Modellergebnisse bestimmt: Berücksichtigt ein Modell nur auslastungsgradabhängige Investitionen, so sind Periodengleichgewicht und dynamisches Gleichgewicht instabil. Bestimmen dagegen Profitratenerwartungen die Investitionstätigkeit, dann erhält man stabile Gleichgewichte. Da in der Realität beide Einflüsse eine Rolle spielen, würden ihre gemeinsame Berücksichtigung kein eindeutiges Ergebnis bringen, und man könnte nur gleichgewichtige und ungleichgewichtige Parameterkonstellationen bestimmen. Ein Erkenntnisfortschritt wäre daraus nur zu erzielen, wenn sich die relevanten Parameter empirisch bestimmen ließen. Die postkeynesianische Modellanalyse des Wachstums hat mithin die Grenze erreicht, bis zu der sie allein ohne Ökonometrie Erkenntnisse liefern kann.
4. Der passive Unternehmer in der neoklassischen W.: a) Allgemein: Die neoklassische Wachstumstheorie wurde erst in den 50er Jahren entwickelt, also später als das Harrod-Domar-Modell der postkeynesianischen Wachstumstheorie Der Grund für die Rückbesinnung auf das neoklassische Paradigma zu diesem Zeitpunkt ist in der Nachkriegsentwicklung zu sehen. Der enorme Wiederaufbau- und Nachholbedarf hatte eine andauernde Expansionsentwicklung verursacht, so daß die Grenzen der Wachstumsmöglichkeiten bald erreicht waren. Die voll ausgelasteten, knappen Produktionsfaktoren rückten die rationale Entscheidung über den effizienten Ressourceneinsatz in den Vordergrund. Damit war die Allokationstheorie (Allokationspolitik) wieder gefragt. Darüber hinaus entsprach die aktuelle Erfahrung nicht der in der damaligen postkeynesianischen Wachstumstheorie abgeleiteten Instabilität kapitalistisch organisierter Volkswirtschaften. Die Annahme der prinzipiellen Stabilität des privaten Sektors fand wieder Anhänger. Mit der neoklassischen Wachstumstheorie wurde nun nachzuweisen versucht, daß gleichgewichtiges Wachstum nicht nur möglich, sondern auch stabil ist. - b) Der traditionelle Ansatz: (1) Darstellung: Solow entwickelte 1956 - ausgehend von einer Cobb-Douglas-Funktion - die neoklassische Wachstumstheorie Der traditionelle Ansatz führt zu der Erkenntnis, daß es eine gleichgewichtige, stabile Wachstumsrate gibt, die sich unabhängig von der Investitions- und von der Sparquote über einen modellendogen ablaufenden Mechanismus automatisch einstellt. Lediglich der Produktionsfaktor Arbeit, der technische Fortschritt und die Produktionselastizitäten determinieren die Höhe der gleichgewichtigen Wachstumsrate. Die Cobb-Douglas-Produktionsfunktion stellt den funktionalen Zusammenhang zwischen den Input-Faktoren Arbeit, Kapital sowie technischem Fortschritt und dem Output her. Die Produktionsfaktoren sind begrenzt substituierbar, die Faktorgrenzerträge sind positiv aber abnehmend und die Skalenerträge sind konstant. Es handelt sich folglich um eine linear-homogene Produktionsfunktion vom Grade eins. Diese produktionstheoretische Grundlage wird mit Annahmen bzgl. des Preismechanismus verknüpft, die für die ständige Vollauslastung aller Produktionsfaktoren und damit des Produktionspotentials sorgen. Die Preise sind vollkommen flexibel und sorgen auf allen Märkten stets für Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage. Mithin garantieren sie auch die Anpassung der Investitionen an die Ersparnis durch den Zinsmechanismus und sorgen auf diese Weise für Periodengleichgewicht. Die Ersparnis determiniert somit die Investition sowie das Produktionsniveau. Hierin kommt zum Ausdruck, daß bei voll ausgelasteten Kapazitäten der Kapitalbestand nur vergrößert werden kann, wenn gespart wird. - Die gleichgewichtige Wachstumsrate läßt sich relativ leicht formal ableiten: Aus der allgemeinen Produktionsfunktion X = f (A, K, T) und aus der speziellen Cobb-Douglas-Produktionsfunktion
erhält man nach Differenzieren, Erweitern und Logarithmieren
Die Wachstumsrate des realen Sozialprodukts (wX) ergibt sich aus der Wachstumsrate der Produktionsfaktoren Arbeit (wA) und Kapital (wK), multipliziert mit den jeweiligen Produktionselastizitäten (m bzw. n), sowie aus der Rate des technischen Fortschritts (F). Bei Letzterer wird nicht zwischen Produktionselastitzität und Wachstumsrate unterschieden. Für wK kann auch sX/K geschrieben werden, da in jeder Periode die Investition der Ersparnis entspricht. Dynamisches Gleichgewicht herrscht, wenn die Wachstumsrate konstant ist. Da m, n, s, wA und F annahmegemäß konstant sind, darf sich das Verhältnis zwischen X und K während des Wachstumsprozesses nicht verändern, damit wX konstant bleibt. Daraus folgt, daß im dynamischen Gleichgewicht wX der Akkumulationsrate wK entsprechen muß. Bei konstanten Skalenerträgen gilt m = (1 – n), damit läßt sich (17) umformen zu
Für die gleichgewichtige Wachstumsrate gilt dann:
Daraus folgt für die Pro-Kopf-Produktion (wX/A = wX – wA für kleine Änderungen):
wA, F sowie m und n determinieren die gleichgewichtige Wachstumsrate, die somit durch exogene Größen vorgegeben ist. Spar- und Investitionsquote beeinflussen zwar das Produktionsniveau, haben aber keinen Einfluß auf die Wachstumsrate. (2) Dies ist ein erstaunliches Ergebnis, zumal die meisten empirischen Beobachtungen auf einen positiven Zusammenhang zwischen Investitionsquote und Wachstumsrate hindeuten. Seine Erklärung ist in den Annahmen des Wachstumsmodells zu finden. Die Annahme der positiven, aber abnehmenden Grenzerträge führt dazu, daß der Wachstumsimpuls, der durch eine zusätzliche Ersparnis über sinkende Zinsen und steigende Investitionen ausgelöst wird, nach einigen Perioden versickert, so daß sich die gleichgewichtige Wachstumsrate wieder einstellt: Da mit steigendem Kapitalbestand die Produktion nur unterproportional wächst, folgt auch für die Ersparnis, daß diese ebenfalls nur unterproportional steigt, so daß die zunächst erreichte höhere Akkumulationsrate nicht aufrecht erhalten werden kann. Die Wachstumsraten sinken; sowohl der Kapitalbestand als auch das Sozialprodukt wachsen langsamer. Bei Abweichungen nach "unten" gilt das Gleiche: Wenn das auslösende Moment eine - aus welchen Gründen auch immer - sinkende Ersparnis ist und die Investitionen daher aufgrund steigender Zinsen zurückgehen, so wird trotzdem nach einiger Zeit wieder die höhere gleichgewichtige Wachstumsrate erreicht. Die gleichgewichtige Wachstumsrate ist folglich stabil. (3) Die Abbildung "Neoklassisches Wachstumsmodell" verdeutlicht den Stabilisierungsmechanismus. Zu beachten ist bei dieser Darstellungsweise, daß die Variablen X und K in jeder Periode mit der gleichgewichtigen Wachstumsrate w* abdiskontiert werden. Der Kapitalbestand K0 wächst jedoch mit einer höheren Rate, da die tatsächliche Investition größer ist als diejenige, welche den Kapitalbestand mit der Rate w* wachsen ließe. Daher nähert sich K dem gleichgewichtigen Kapitalbestand K* an. Rechts von K* schrumpft der Kapitalbestand solange, bis er dem gleichgewichtigen Kapitalbestand K* entspricht.
(4) Schlußfolgerung: Für die Wachstumspolitik folgt, daß nur über eine Beeinflussung der exogenen Größen Wachstumsrate der Erwerbsbevölkerung und technischer Fortschritt eine andere Wachstumsrate des Sozialprodukts erreicht werden kann. Betrachtet man die Wachstumsrate des Sozialprodukts pro Kopf, also das intensive Wachstum, so beschränken sich die Einflußmöglichkeiten der Wachstumspolitik allein auf die Technologiepolitik . (5) Vergleich: Vergleicht man die Ergebnisse neoklassischer und post-keynesianischer Wachstumstheorie miteinander, so fällt vor allem auf, daß der aktive, planende, erwartungsbildende Unternehmer in der postkeynesianischen Theorie maßgeblich den Wachstumsprozeß bestimmt. Einen solchen Unternehmer gibt es in der neoklassischen Wachstumstheorie nicht. Man hat ihn sich allenfalls als Marionette der modellendogen ablaufenden Mechanismen vorzustellen, die stets bewirken, daß sich sowohl das Perioden- als auch das dynamische Gleichgewicht einstellen. - c) Erweiterungen: Die wichtigste Erweiterung des Grundmodells erfolgt durch Berücksichtigung zweier Faktoren: Erstens können viele bereits installierte Maschinen nicht mehr am technischen Fortschritt teilhaben (kapitalgebundener technischer Fortschritt), dies können nur neue Maschinen (die Teil der jeweiligen Bruttoinvestitionen einer Periode sind). Die Produktivität der Maschinen hängt dann von ihrem Baujahr ab (Vintage-Modelle). Zweitens kann die Möglichkeit beschränkt sein, Arbeit durch Kapital zu substituieren. Wenn bei schon vorhandenen Maschinen nachträglich das Faktoreinsatzverhältnis verändert werden kann, liegt Substitutierbarkeit ex post vor, muß dieses Verhältnis dagegen vor dem Bau festgelegt werden, ist nur Substituierbarkeit ex ante gegeben. Im ersten Fall ist das Sachkapital auch nachträglich verformbar, man spricht dann von Putty-putty-Modellen (putty = Lehm), im zweiten Fall liegt ein Putty-clay-Modell vor (clay = Ton). Modelle ohne Substituierbarkeit sind Clay-clay-Modelle. Durch diese Erweiterungen werden die Kernaussagen des Grundmodells nicht verändert; die Anpassungsprozesse benötigen jedoch i. a. mehr Zeit. Zusätzliche Erweiterungen betreffen die Endogenisierung wichtiger exogener Größen (Sparquote, Vermögensverteilung, Bevölkerungsentwicklung, technischer Fortschritt), die Berücksichtigung von erschöpfbaren Ressourcen, Umwelt, Geld und Außenhandel sowie die Analyse von Mehrsektoren-Modellen. - d) Eine Variante der neoklassischen W.: Lineare Wachstumsmodelle: Während die bisher behandelte Wachstumstheorie mit gesamtwirtschaftlichen Größen arbeitet, werden die linearen Wachstumsmodelle für eine Wirtschaft mit n Gütern und m Produktionsverfahren formuliert. Das derart strukturierte von-Neumann-Modell erlaubt es, die maximal mögliche Wachstumsrate zu ermitteln. Zu dieser Modellklasse gehören auch die Leontief-Modelle, in denen vereinfachend angenommen wird, zu jedem Gut gehöre nur ein Produktionsverfahren und vice versa (m = n). Untersucht wird vor allem, ob ein solches Modell zu einem Gleichgewichtspfad tendiert. In Turnpike-Modellen schließlich wird untersucht, welchen Pfad eine Wirtschaft einschlagen sollte, die von einer gegebenen Anfangsstruktur aus eine abweichende optimale Struktur im Endzustand anstrebt. Dabei zeigt sich, daß unter bestimmten Bedingungen nicht eine allmähliche Anpassung am günstigsten ist, sondern das Benutzen einer "Schnellstraße" (Turnpike) mit anderen Strukturen, aber sehr hohem Wachstumstempo, und erst späterem Umschwenken in Richtung auf die optimalen Strukturen. - e) Neuere Ansätze: Die Neue Wachstumstheorie der Neoklassik: (1) Grundlage: Den Vertretern der Neuen Wachstumstheorie der Neoklassik ist es - im Gegensatz zur traditionellen neoklassischen Wachstumstheorie - gelungen, einen Zusammenhang zwischen der Spar- bzw. Investitionsquote und der Wachstumsrate herzustellen und damit einen Beitrag zur Erklärung andauernder Differenzen zwischen den Wachstumsraten der Industrie- und der Entwicklungsländer zu leisten. Eine wesentliche Rolle spielen hierbei Investitionen in Human-Kapital. Gegen Ende der 60er Jahre schien die Wachstumstheorie zu einem gewissen Abschluß gekommen zu sein. In jüngster Zeit wird die Wachstumstheorie vor allem deswegen wieder intensiv diskutiert, weil zunehmend deutlich wurde, daß die Ergebnisse der neoklassischen Wachstumstheorie mit den empirischen Beobachtungen nicht zu vereinbaren sind. Insbes. gilt dies, wenn neben den Industriestaaten auch die Entwicklungsländer einbezogen werden. Dann zeigt sich empirisch, daß die Wachstumsraten in positivem Zusammenhang mit der Investitionsquote stehen und daß die von den Neoklassikern behauptete Konvergenz der Wachstumsraten und des Pro-Kopf-Niveaus des Sozialproduktes sich in der Realität vielfach nicht feststellen läßt. Vor allem zwischen Industrie- und Entwicklungsländern sind die großen Unterschiede in den Niveaugrößen je Kopf nicht verringert worden. Die Konvergenzhypothese folgt aus der neoklassischen Wachstumstheorie zum einen, weil dort die Produktionsfaktoren Kapital und Arbeit vollkommen mobil sind. Die Arbeitskräfte wandern dorthin, wo die Löhne am höchsten sind, also in die Industrieländer, in denen die Arbeitskräfte relativ knapp und ihr Grenzprodukt entsprechend hoch ist. Das zusätzliche Arbeitskräfteangebot führt bei gegebener Nachfrage zu sinkenden Löhnen, folglich werden zusätzliche Arbeitskräfte eingesetzt, der Grenzertrag sinkt und die Löhne nähern sich einander an. Für das Kapital ergibt sich die entgegengesetzte Wanderungstendenz: Solange in den Entwicklungsländern Kapital relativ knapp ist, hat es dort ein hohes Grenzprodukt, so daß es dorthin fließt. Daher steigt dort die Investitionsquote; dies erhöht die tatsächliche Wachstumsrate während des Anpassungsprozesses an den neuen dynamischen Gleichgewichtspfad. Eine zweite Quelle der Konvergenz kann vom technischen Fortschritt ausgehen, wenn angenommen wird, dieser sei wegen unbeschränkter Kommunikation und aufgrund internationaler Verflechtung weltweit verfügbar, so daß die Entwicklungsländer einen Aufholprozeß erleben, der die Wachstumsrate im dynamischen Gleichgewicht über jene der Industrieländer steigen läßt. Gegen diese Überlegung spricht, daß die Informationsflüsse hinsichtlich der technischen Neuerungen aufgrund von berechtigten Geheimhaltungsinteressen sowie des Patentschutzes nicht so schnell fließen und weil Wissen noch lange nicht sicherstellt, daß es in einer technisch rückständigen Umgebung anwendbar ist. Mehrere empirische Untersuchungen belegen: Die Wachstumsraten und die Pro-Kopf-Einkommen von Industrie- und Entwicklungsländern entwickeln sich eher auseinander, als daß sie konvergieren. (2) Allgemeiner Ansatz: Die Vertreter der Neuen Wachstumstheorie versuchen nun, diesem empirischen Befund Rechnung zu tragen, indem sie die gleichgewichtige Wachstumsrate modellendogen und nicht mehr mit Hilfe von exogenen Faktoren erklären. Dies erwies sich als notwendig, weil der erste Versuch, die Theorie der Realität durch die Annahme steigender Skalenerträge anzupassen, nicht erfolgreich war. Eine Niveauvariation, d. h. eine gleichmäßige Erhöhung der Inputfaktoren, führt bei steigenden Skalenerträgen dazu, daß die Produktionsmenge überproportional wächst. Überprüft man die Wirkung steigender Skalenerträge, so stellt sich das unerwünschte Ergebnis ein, daß die Investitions- bzw. die Sparquote weiterhin keinen Einfluß auf die langfristige Wachstumsrate haben. Die exogenen Faktoren Wachstum der Erwerbsbevölkerung und technischer Fortschritt bestimmen nach wie vor das Wachstum im dynamischen Gleichgewicht. Außerdem wird die Wachstumsrate des Sozialprodukts pro Kopf positiv durch die Wachstumsrate der Erwerbsbevölkerung beeinflußt. Dies widerspricht insofern der Empirie, als viele Entwicklungsländer ein höheres Bevölkerungswachstum vorzuweisen haben als Industrieländer, das jedoch mit geringeren Wachstumsraten des Sozialprodukts pro Kopf verbunden ist. Die Berücksichtigung steigender Skalenerträge allein hilft folglich nicht weiter bei dem Versuch, die neoklassische Wachstumstheorie mit den empirischen Tatsachen in Einklang zu bringen. (3) Erfolgreicher waren demgegenüber die weitergehenden Überlegungen von Paul Romer (1986) und Robert Lucas (1988). Sie verändern das neoklassische Standardmodell zwar auch hinsichtlich der Skalenerträge, jedoch gehen sie noch einen Schritt weiter, indem sie den exogenen technischen Fortschritt durch die endogen bestimmte Bildung von Humankapital ersetzten. Der einzelne Haushalt entscheidet darüber, ob er in der Gegenwart mehr konsumieren oder aber sparen und in Humankapital investieren soll, um in späteren Perioden wegen des höheren Ertrags des Humankapitals mehr konsumieren zu können. Die Präferenzen der Haushalte bestimmen somit über die Sparentscheidungen die Akkumulation des (Human-)Kapitals sowie das Niveau der Produktion und auch die Wachstumsrate. Dies sei etwas detaillierter anhand der beiden Modelle von Romer und Lucas demonstriert, die allerdings nur stark verkürzt wiedergegeben werden können. - Der entscheidende (Fort-)Schritt liegt bei beiden Modellen im Überwechseln von einem Ein-Sektoren-Modell zu Zwei-Sektoren-Modellen. Beide Autoren unterscheiden einen Sektor, in dem das Sachgut produziert wird, und einen zweiten Sektor für die Produktion von Humankapital. Für die Produktion des Sachgutes verwendet Romer eine Produktionsfunktion, bei der neben dem üblichen Arbeitsstundeneinsatz (A) auch Wissen eingesetzt wird. Dieses teilt sich auf in firmenspezifisches Wissen (Wi), das entlohnt wird, und allgemeines technologisches Wissen (Wa), das nicht entlohnt wird. Dies ist nun nicht eine völlig willkürliche Annahme, sondern ist zwingend erforderlich, um zu gewährleisten, daß die so konstruierte Neue Wachstumstheorie nicht mit der neoklassischen Grenzproduktivitätstheorie der Verteilung in Konflikt gerät. Die positiven externen Effekte, die mit dem nichtentlohnten Wissen verknüpft sind, ermöglichen die Vereinbarkeit von steigenden Skalenerträgen mit dem Adding-up-Theorem aus der neoklassischen Verteilungstheorie, wonach sich die Faktorentgelte genau zum Sozialprodukt aufaddieren. Würden die Produktionsfaktoren bei steigenden Skalenerträgen vollständig gem. ihren Grenzerträgen entlohnt werden, so überstiege die Summe der Faktorentgelte das Sozialprodukt. Um dies zu verhindern, wird nur ein Teil der Faktorleistung entlohnt. In den Unternehmen entstehen bei konstanten Skalenerträgen für Wi und A sowie entsprechender Entlohnung weder Gewinne noch Verluste, während die gesamte Volkswirtschaft von den externen Erträgen und den Vorteilen steigender Skalenerträge profitiert. - Der Sachgütersektor wird von Romer also anhand folgender Produktionsfunktion modelliert:
Insgesamt soll der Einsatz der Produktionsfaktoren mit steigenden Skalenerträgen verbunden sein. Wi und A weisen zusammen jedoch nur konstante Skalenerträge auf. Das firmenspezifische Wissen und der Produktionsfaktor Arbeit weisen somit positive, aber sinkende Grenzerträge auf. Die Produktion von Humankapital erfordert den Einsatz von Humankapital (W) und eines Teils der Sachgüterproduktion (XW). Diese Produktionsfunktion ist bei Romer linear-homogen, so daß beide Faktoren sinkende Grenzerträge aufweisen:
Mit Hilfe dieses Ansatzes läßt sich eine gleichgewichtige Wachstumsrate ableiten, die stabil ist. Es gibt aber auch instabile Lösungen. Die Investitionsquote, hier der Anteil der Forschungs- und Entwicklungsausgaben am Output, beeinflußt die Wachstumsrate positiv und spielt somit nicht nur auf dem Anpassungspfad zum dynamischen Gleichgewicht eine Rolle. - Das Wachstumsmodell von Lucas ist dem von Romer sehr ähnlich, aber genauer spezifiziert. Die Sachgüterproduktion erfordert den Einsatz von Arbeit (AX), Sachkapital (K) und Humankapital (Wi, Wa):
aX ist eine Niveaukonstante. Wi ist das individuelle, entlohnte Wissen, Wa steht für das allgemeine, nicht entlohnte Wissen, und AX ist die für die Güterproduktion verwendete Arbeit. Bei der Güterproduktion liegen insgesamt steigende Skalenerträge vor, wobei für die einzelnen Produktionsfaktoren sinkende Grenzerträge gelten. Über die Höhe der Produktionselastizität von Wau macht Lucas keine Angaben. Für die Humankapitalproduktion trifft Lucas eine sehr kühne Annahme. Er behauptet nämlich, der Einsatz von Humankapital (W) und von Arbeit (AW) für die Produktion von Humankapital sei jeweils mit konstanten Grenzerträgen verbunden. Die entsprechende Produktionsfunktion lautet:
Die Produktionsfunktion ist mithin überlinear-homogen vom Grade zwei. Eine Verdopplung des Faktoreinsatzes führt folglich zu einer Vervierfachung des Outputs. Die Determinanten der gleichgewichtigen Wachstumsrate des Sozialprodukts pro Kopf ergeben sich aus der folgenden Gleichung:
Das dynamische Gleichgewicht wird somit maßgeblich durch den Wissensfortschritt (wW) determiniert. Je mehr Arbeitskräfte hierfür eingesetzt werden, desto größer ist die gleichgewichtige Wachstumsrate. Hier kann ein entscheidender Vorteil der Industrieländer liegen: Wegen ihres höheren Lebensstandards können sie einen größeren Teil des Bruttoinlandsprodukts in die Bildung neuen Wissens stecken (hohes AW), so daß die Wachstumsrate von Humankapital zunimmt. Die Investition in Humankapital ist somit lohnend. Auffällig ist auch, daß insbes. durch die positiven externen Effekte, die durch das allgemeine technologische Wissen erzeugt werden, die Wachstumsrate beeinflußt wird; denn je größer die Produktionselastizität dieses Faktors (u), desto größer ist die Wachstumsrate. (4) Ergebnis: Dank der Endogenisierung des technischen Fortschritts ist es den neuen Ansätzen gelungen, die empirischen Befunde mit der neoklassischen Wachstumstheorie zu vereinbaren. Dieser Erfolg wurde mit Hilfe von zum Teil kühnen Annahmen erkauft; denn die Ergebnisse hängen wesentlich von den Produktionselastizitäten der Faktoren und - damit zusammenhängend - von den unterstellten Skalenerträgen ab. Besonders auffällig ist dies bei den Annahmen von Lucas zu den Produktionselastizitäten des Wissens und des Arbeitseinsatzes bei der Produktion von weiterem Wissen, die sich von den Produktionselastizitäten dieser Faktoren bei der Sachgüterproduktion unterscheiden. Die höheren Produktionselastizitäten bei der Produktion von Wissen sowie die enormen Skalenerträge, die damit einhergehen, verankern zugleich die große Bedeutung der Humankapitalinvestitionen für das intensive Wachstum. - Weitere Neuentwicklungen im Rahmen der Neuen neoklassischen Wachstumstheorie versuchen, die Bedeutung der Innovationen als Wachstumsmotor zu erfassen. Dadurch ergeben sich Berührungspunkte zu den evolutorischen Ansätzen.
5. Evolutorische Ansätze: a) In aktuellen Beiträgen zur Wachstumstheorie wird häufig der Ansatz der evolutorischen Wirtschaftstheorie gewählt; dieser läßt sich weder der post-keynesianischen noch der neoklassischen Schule eindeutig zurechnen. Auch eine Unterscheidung der Modelle nach dem Kriterium preisgeräumter bzw. mengenbeschränkter Märkte hilft nicht weiter bei den Versuchen, die evolutorischen Ansätze zur Erklärung des Wachstumsprozesses zu systematisieren. Das wesentliche Merkmal evolutorischer Ansätze zur Erklärung von Entwicklungs- bzw. Wachstumsprozessen besteht darin, daß sie sich vorrangig mit der Bedeutung und der Rolle von Neuerungen für den Wachstumsprozeß beschäftigen. Dieser Gedanke ist nichts Neues in der W., denn schon bei Schumpeter stehen die Innovationen im Mittelpunkt und sowohl in der postkeynesianischen als auch in der neoklassischen Wachstumstheorie spielt der technische Fortschritt, in dem sich die ökonomisch relevanten Neuerungen niederschlagen, eine wichtige Rolle. Neu ist dagegen die Art und Weise, wie der technische Fortschritt modelliert wird. Der technische Fortschritt ist in evolutorischen Modellen keine exogene Variable, sondern wird modellendogen durch das Suchen der Unternehmen nach Neuerungen beschrieben. Auf diese Weise bekommt der Unternehmer einen höheren Stellenwert beigemessen als in der traditionellen neoklassischen Wachstumstheorie. Um die wesentlichen Elemente einer evolutorischen Wachstumstheorie zu verdeutlichen, soll hier ein entsprechendes Modell von Richard Nelson und Sidney Winter (1974), den wohl prominentesten Vertretern der ökonomischen Evolutionstheorie, kurz beschrieben werden. - b) Modell: (1) Neuerungen: Ein wesentlicher Unterschied zu den weiter oben diskutierten Modellen besteht darin, daß die Autoren nicht mit einem analytischen Modell arbeiten, sondern mit einem Simulationsmodell. Dies hat den Vorteil, daß nicht nur ein einziges repräsentatives Unternehmen modelliert wird, sondern eine größere Anzahl von Unternehmen mit unterschiedlicher Ausstattung und Verhaltensweisen ganz bestimmten Umfeldbedingungen ausgesetzt werden können. Auf diese Weise läßt sich relativ realitätsnah der Wettbewerbsprozeß zwischen den Unternehmen abbilden. Darüber hinaus ist es möglich, Zeitpfade des aggregierten Produktionsniveaus, des Faktoreinsatzes und der Faktorpreise zu generieren. So kann die mikroökonomische Ebene mit der makroökonomischen verknüpft und anhand eines Vergleiches mit historischen Zeitreihen überprüft werden, wie gut der Ansatz in der Lage ist, empirische Beobachtungen zu erklären. Neben diesen Vorteilen weisen Simulationsmodelle aber auch eine Reihe von Nachteilen auf. Nelson und Winter sehen vor allem bei stochastischen Modellen die Gefahr, daß die Ergebnisse möglicherweise nicht repräsentativ sind; denn in solchen Modellen müssen Annahmen über die Verteilung verschiedener Variablen getroffen werden, und diese Annahmen müssen mit der Realität nicht übereinstimmen. Ein weiterer Nachteil ist häufig die geringe Transparenz der Ergebnisse; deren Interpretation wird schwierig, weil der modellendogen ablaufende Selektionsmechanismus im nachhinein nur noch schwer zu durchschauen ist. (2) Darstellung: (a) Annahmen: Das Modell besteht aus mehreren Unternehmen, die dasselbe homogene Gut herstellen. Sie verwenden dafür Arbeit und Sachkapital. In einer bestimmten Periode läßt sich ein Unternehmen durch die verwendete Produktionstechnik, welche sich wiederum mit Hilfe der beiden Inputkoeffizienten für Arbeit und Sachkapital beschreiben läßt, sowie durch den Bestand an Sachkapital charakterisieren. Annahmegemäß produzieren die Unternehmen stets mit voll ausgelasteten Kapazitäten. Für jede Periode läßt sich durch Aggregation der entsprechenden Variablen bei den existierenden Unternehmen das Outputniveau sowie die Arbeitsnachfrage bestimmen. Der Lohn läßt sich folglich mit Hilfe einer gegebenen Arbeitsangebotskurve für jede Periode berechnen. Die Bruttorendite des Kapitals ergibt sich aus der Differenz zwischen dem Output (bei einem Preis von Eins) und den Lohnkosten, bezogen auf den Kapitalbestand. - Technische Veränderungen ergeben sich dann, wenn die Unternehmen nach Neuerungen suchen, um das von ihnen angestrebte zufriedenstellende Niveau der Profitrate, das im Modell auf 16% gesetzt wird, zu realisieren. Der Suchprozeß wird so modelliert, als existiere ein konstanter Pool technischer Alternativen, die durch unterschiedliche Faktorkoeffizienten charakterisiert sind und für deren Auffinden jeweils die gleiche Wahrscheinlichkeit besteht. Die Suche beschränkt sich auf Produktionsmöglichkeiten, deren Faktorkoeffizienten sich nur sehr wenig voneinander unterscheiden. Nelson und Winter sprechen hier von local search. Darüber hinaus läßt sich auch die Wahrscheinlichkeit dafür, daß relativ große Differenzen zwischen Faktorkoeffizienten auftreten, und damit das Ausmaß der Innovationssprünge in den Simulationsläufen variieren. Schließlich berücksichtigt das Modell auch die Möglichkeit, daß sich einzelne Unternehmen weniger der Suche nach besseren Produktionsmöglichkeiten widmen als der Imitation bewährter Techniken. Daß die Unternehmer bei der Einschätzung neuer Produktionstechniken oft Fehler machen, wird dadurch erfaßt, daß sie die Inputkoeffizienten neuer Techniken um 20% zu hoch einschätzen und erst später ihre Einschätzung korrigieren. - Der Bestand an Unternehmen, die als Anbieter auf dem Markt auftreten, ist keineswegs über den gesamten Simulationszeitraum konstant. Vielmehr können potentielle Anbieter auf den Markt kommen (potentieller Wettbewerb). - (b) Beurteilung: Vorgehen und Ergebnisse zeigen, daß der evolutorische Ansatz nicht dem neoklassischen Paradigma entspricht, weicht er doch in zentralen Prämissen von diesem ab. So lassen sich die Unternehmen bei ihrer Investitionsentscheidung nicht von der Gewinnmaximierungsregel leiten, vielmehr streben sie nach der Realisierung eines zufriedenstellenden Niveaus. Außerdem existiert zu jedem Zeitpunkt eine beachtliche Vielfalt an Konstellationen von Inputs und Outputs bei den Unternehmen, so daß die Ergebnisse nicht paretooptimal (Pareto-Optimum) sein können, denn es gibt stets Unternehmen, die noch nicht die besten Produktionstechniken einsetzen, weil sie diese noch nicht entdeckt haben. Folglich wird zu keinem Zeitpunkt ein Gleichgewicht im paretianischen Sinne realisiert. Rechnet man die Annahme, ein ökonomisches System sei inhärent stabil und befinde sich stets im Gleichgewicht oder auf dem Weg dorthin, zum harten Kern des neoklassischen Paradigmas, so darf das hier präsentierte Modell nicht dazu gerechnet werden. Es gibt allerdings andere, analytische Evolutionsmodelle, die sich schwerpunktmäßig mit multiplen Gleichgewichten eines ökonomischen Systems bzw. mit dem Verlassen und Wiederfinden von Gleichgewichtszuständen auseinandersetzen. Bei solchen Modellen handelt es sich um Weiterentwicklungen der Gleichgewichtsökonomik und folglich um neoklassische Evolutionsmodelle.
6. Ausblick: Die erneute Beschäftigung mit der Wachstumstheorie in den letzten Jahren im Rahmen der neuen neoklassischen Wachstumstheorie und des evolutorischen Ansatzes hat nicht nur zu Erkenntnisfortschritten innerhalb dieser Paradigmata geführt, sondern zugleich einen Abbau der Mauern zwischen diesen Ansätzen eingeleitet. Insbes. dadurch, daß die neoklassische Wachstumstheorie sich schrittweise von der Annahme vollständiger Konkurrenz löst, ergeben sich neue Möglichkeiten, die Einsichten der keynesianischen, der neoklassischen und der evolutorischen Wachstumstheorie zu kombinieren; denn bei unvollständiger, monopolistischer Konkurrenz gewinnt für den Unternehmer - anders als beim Mengenanpasser - die Absatzseite große Bedeutung, so daß sich neoklassischer Ansatz und keynesianische Nachfrageanalyse nicht mehr von vorneherein ausschließen, sondern kombiniert werden können. Dann findet auch - trotz unterschiedlicher Akzentsetzung - der innovierende Unternehmer den Freiraum, den er für sein aktives Handeln ausnutzen kann. - Zur Berücksichtigung nominaler Größen: monetäre Wachstumsmodelle .


Literatur: Graf, M., Bildung und technischer Fortschritt als Determinanten wirtschaftlicher Entwicklung, Heidelberg 1995; König, H. (Hrsg.), Wachstum und Entwicklung der Wirtschaft, Köln/Berlin 1968; Krelle, W., Theorie des wirtschaftlichen Wachstums unter Berücksichtigung von erschöpften Ressourcen, Geld und Außenhandel, Berlin u. a. 1988; Kromphardt, J., Wachstum und Konjunktur, Grundlagen ihrer theoretischen Analyse und wirtschaftspolitischen Steuerung, Göttingen, 3. Aufl. 1993; Müller, K. W., Ströbele, W., Wachstumstheorie, München/Berlin 1985; Oppenländer, K.-H., Wachstumstheorie und Wachstumspolitik, München 1988; Rose, K., Grundlagen der Wachstumstheorie, Göttingen, 6. Aufl., 1991; Symposion "New Growth Theory", Journal of Economic Perspectives, Vol. 8 (1994) mit Beiträgen von Grossman, Helpman, Pack, Romer, Solow.

 

<< vorheriger Begriff
nächster Begriff>>
Wachstumsstrategie
Wachstumswerte

 

Diese Seite bookmarken :

 
   

 

  Weitere Begriffe : Gesamtausgebot | Bona-fide-Klausel | Vehicle-routing-Problem | Pascal | Gesamtbetriebsrat
wiki wirtschaft

Thematische Gliederung | Unser Projekt | Impressum