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Kapitalmarkttheorie

I. Gegenstand: Die Kapitalmarkttheorie untersucht den Zusammenhang zwischen Risiko und Ertrag der Geldanlage in risikobehafteten Vermögensgütern, z. B. Aktien, auf einem vollkommenen Kapitalmarkt. Die Kapitalmarkttheorie ist aus der Theorie der Portefeuilleauswahl (Portfolio Selection) entwickelt worden und fragt, welche Aktienkurse bzw. Aktienrenditen sich im Gleichgewicht einstellen, wenn sich die einzelnen Anleger am Kapitalmarkt rational verhalten und wenn sich am Markt Angebot und Nachfrage ausgleichen.
II. Effizente Portefeuilles und Marktportefeuille: Rationale Anleger halten Portefeuilles, die im Hinblick auf den Ertrag, gemessen durch die erwartete Rendite E(r), und auf das Risiko, gemessen durch die Varianz der Rendite s2 (r), effizient sind. Effizient ist ein Portefeuille, wenn es kein anderes gibt, das bei gleichem Ertrag ein geringeres Risiko oder bei gleichem Risiko einen höheren Ertrag aufweist. Besteht die Möglichkeit, Geld risikolos zum Zinssatz rf anzulegen oder zu leihen, gilt das Separationstheorem: Die Zusammensetzung des risikobehafteten Portefeuilles (des "Aktienportefeuilles") eines Anlegers ist unabhängig von seiner Risikoneigung. Diese bestimmt nur, welchen Teil seines anzulegenden Vermögens ein Anleger riskant (in "Aktien") und welchen er risikolos (in "Staatspapieren") investiert. Unterstellt man, wie es in der einfachen Form der Kapitalmarkttheorie üblich ist, daß alle Anleger gleiche Erwartungen über Ertrag und Risiko der einzelnen "Aktien" haben, und daß für alle das Separationstheorem gilt, dann ist die Zusammensetzung des risikobehafteten Portefeuilles für alle Anleger auch gleich. Im Gleichgewicht muß das wertmäßige Verhältnis der von jedem Anleger in die einzelnen "Aktien" investierten Geldbeträge gleich dem Verhältnis der Marktwerte der "Aktien" (= Kurs mal Zahl der umlaufenden "Aktien") sein. Das Portefeuille, das alle "Aktien" zu ihren Marktwerten - bzw. zu einem Bruchteil davon - enthält, nennt man das Marktportefeuille. Das Marktportefeuille ist definitionsgemäß effizient.
III. Risikomessung: Bei einem vollkommen diversifizierten Portefeuille wie dem Marktportefeuille ist ein Teil des Risikos der einzelnen "Aktien" verschwunden. Der trotz Diversifikation verbleibende Teil des Risikos einer "Aktie" ist dessen Beitrag zum Risiko des Marktportefeuilles. Es läßt sich messen als Kovarianz der Rendite einer Aktie mit der Rendite des Marktportefeuilles oder - nach einer einfachen mathematischen Umformung - als Empfindlichkeit der erwarteten Rendite der "Aktie" i, E(ri), gegenüber unerwarteten Abweichungen der Rendite des Marktportefeuilles von ihrem erwarteten Wert E(rM). Das Empfindlichkeitsmaß, der sog. Beta-Koeffizient, ist im Durchschnitt aller "Aktien" gleich 1. Als riskant (bzw. risikoarm) gelten "Aktien", deren Beta-Koeffizient größer (bzw. kleiner) als 1 ist, d. h. die auf unerwartete Änderungen der Marktrendite überproportional (bzw. unterproportional) zu reagieren tendieren.
IV. Gleichgewichtsverzinsung: Renditeunterschiede zwischen Aktien ergeben sich nur daraus, daß verschiedene Aktien verschiedene Riskobeiträge zum Marktportefeuille enthalten, also verschiedene Beta-Koeffizienten aufweisen. Die erwartete Gleichgewichtsrendite einer Aktie i setzt sich aus zwei Komponenten zusammen: einem risikolosen Basiszinssatz rf und einer Risikoprämie. Diese ist das Produkt aus der für alle Aktien gleichen Risikoprämie pro Risikoeinheit des Marktes, [E(rM) – rf]/ s(rM) und dem für die Aktie i individuellen Maß des systematischen Risikos i; es gilt:
Die Gleichung gilt nur für die erwartete Rendite. Die Rendite, die sich in einer Zeitperiode wirklich einstellt, kann natürlich von ihrem Erwartungswert abweichen. Im einzelnen zum mathematischen Modell vgl. capital asset pricing model (CAPM).
V. Empirische Prüfung und praktische Bedeutung: Die empirische Geltung der von der Kapitalmarkttheorie behaupteten Beziehung zwischen Ertrag und Risiko einzelner Aktien ist extrem schwer zu überprüfen. Das liegt zum einen daran, daß der Kreis der risikobehafteten Vermögensgüter, in denen Anleger ihr Geld investieren können, mehr umfaßt als Aktien und Staatspapiere und daß es demgemäß schwierig ist, das empirische Pendant zu dem theoretischen Begriff des Marktportefeuilles zu finden. Zum anderen ist die empirische Prüfung der Kapitalmarkttheorie dadurch erschwert, daß sich ihre zentrale Aussage nur auf Erwartungen bezieht, die sich nicht beobachten lassen. Gleichwohl ist die Risiko-Ertrags-Beziehung der Kapitalmarkttheorie der Kern der gesamten modernen Investitions- und Finanzierungstheorie. - Eine für die Lehre von der Kapitalmarktanlage (Investment) unmittelbar praktische Folgerung aus der empirischen Geltung der Kapitalmarkttheorie wäre, daß alle Versuche, durch subtile Methoden der Portefeuillebildung besonders gute Anlageerfolge zu erzielen, aussichtslos wären. Damit erschüttert die Kapitalmarkttheorie in Verbindung mit der sog. Effizienzthese die herkömmlichen Grundlagen der Lehre von der Kapitalmarktanlage.


Literatur: B. Rudolph, Zur Theorie des Kapitalmarktes, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 49 Jg. 1979, S. 1034-1967; Schmidt, R.H./Terberger E., Grundzüge der Investitions- und Finanzierungstheorie, 3. Aufl., Wiesbaden 1996, S. 339-372; W. F. Sharpe, Portfolio Theory and Capital Markets, New York u. a. 1970; ders.; Investments, 2. Aufl., Englewood Cliffs N.J. 1981.

 

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