Wirtschaftslexikon - Enzyklopädie der Wirtschaft
lexikon betriebswirtschaft Wirtschaftslexikon lexikon wirtschaft Wirtschaftslexikon Suche im Wirtschaftslexikon
A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z
 
 
 

Prüfung

I. Begriff: Ein von einer natürlichen Person (Prüfer) durchzuführender Überwachungsprozeß (Überwachung), bei dem Tatbestände, Sachverhalte, Eigenschaften oder Aussagen über diese (Ist-Objekte) mit geeigneten Bezugsgrößen (Soll-Objekten) verglichen und eventuelle Abweichungen beurteilt werden; der Prüfer darf an der Herbeiführung der Ist-Objekte nicht selbst direkt oder indirekt beteiligt gewesen sein (Prozeßunabhängigkeit); dadurch Unterschied zu Kontrolle. Prüfung ist stets zweckgerichtet. Ziel ist Entscheidungsverbesserung.
II. Grundelemente: 1. Ist-Objekt: Das Prüfungsobjekt, auf das sich der Vergleich mit dem Soll-Objekt bezieht und das jeweils näher konkretisiert werden muß; einzelne Ist-Objekte oder ein Komplex von Prüfungsobjekten (Prüffeld, Prüffeldergruppe, Prüfgebiet). Einzelne Ist-Objekte sind z. B. Nummern eines bestimmten Belegs, Angaben eines Buchungskontos, vorhandene Unterschriften auf einem Beleg; komplexe Prüfungsgebiete sind z. B. Jahresabschlüsse. - 2. Soll-Objekt: Vergleichsmaßstab zur Beurteilung des Ist-Objekts. Müssen i. d. R. ermittelt werden, indem für einen rekonstruierten Tatbestand relevante Normen herangezogen werden. U. U. problematisch, weil Normen oft nicht konkret genug sind und Normenkonkurrenz bestehen kann. Normgemäße Konstruktion des Ist-Objekts, das hinsichtlich des prüfungsrelevanten Merkmals vergleichsfähig ist. - 3. Soll-Ist-Vergleich: In einem Vergleichs- oder Fehlerfeststellungsprozeß werden eventuelle Differenzen zwischen Ist- und Soll-Objekt aufgedeckt. Die Feststellung des Ausmaßes einer Abweichung kann Meßprobleme aufwerfen. Voraussetzung einer Messung ist Abbildungsfähigkeit von Merkmalsausprägungen des Ist- und Soll-Objekts auf derselben Skala. Bei wachsender Anforderung an die Feinheit der Meßmethoden nimmt der Anwendungsbereich der Methoden ab. Mit Diversitätsskalen kann angegeben werden, ob eine Abweichung vorliegt oder nicht. Eine Ordnungsfähigkeit der zu prüfenden Merkmale nach dem Rang der Merkmalsausprägungen ist Voraussetzung für Angaben zur Richtung der Abweichung. Aussagen über den Umfang von Abweichungen sind nur möglich, wenn die zu prüfenden Merkmale rang- und abstandsskalierbar sind. Kardinalskalen sind erforderlich, wenn eine absolute und relative Messung der Abweichungen nach Richtung und Umfang möglich sein soll. - 4. Urteil: An den Soll-Ist-Vergleich schließt sich der Urteilsbildungsprozeß, eine Abweichungsanalyse, an. Das Urteil beinhaltet das Ergebnis der Prüfung und nimmt zur Fehlerhaftigkeit bzw. Fehlerlosigkeit des Prüfungsobjekts Stellung. Nicht jede im Vergleichsprozeß festgestellte Abweichung stellt einen Fehler dar; zu berücksichtigen sind Toleranzen, die aus den jeweiligen Normen resultieren, und Unschärfebereiche, die sich ergeben, wenn die Merkmale von Ist- und Soll-Objekten nicht ausreichend erfaßt werden können. Die genaue Beurteilung eines festgestellten Fehlers hängt von den Meßmöglichkeiten ab. Der Urteilsbildung folgen die Formulierung des Prüfungsergebnisses und der Urteilsmitteilungsprozeß (insbes. Bestätigungsvermerk und Prüfungsbericht).
III. Arten: Systematisierung nach den folgenden Unterscheidungskriterien. - 1. Unternehmungszugehörigkeit des Prüfungsträgers: a) Externe P.: Der Prüfer ist nicht der Unternehmung angehörender Dritter, z. B. Wirtschaftsprüfer. b) Interne P.: Der Prüfer ist Mitarbeiter der Unternehmung. Vgl. im einzelnen interne Revision. - 2. Rechtsnatur der Prüfungsgrundlage: a) Gesetzlich vorgeschriebene P.: Es besteht gesetzlicher Prüfungszwang. b) Gesetzlich vorgesehene P.: Es gibt Prüfungsrechte, von denen kein Gebrauch gemacht werden muß. Zulässiger Höchstumfang der Prüfungsrechte und zur Vornahme und Veranlassung der Prüfung Berechtigte werden gesetzlich bestimmt. Innerhalb der gesetzlich fixierten Grenzen ist die Gestaltung der Prüfung den Prüfungsberechtigten überlassen. c) Vertraglich ausbedungene P.: Grundlage ist eine Übereinkunft zwischen Prüfungsberechtigten und zu Prüfenden. I. d. R. wird im Vertrag der Höchstumfang der Prüfungsrechte festgelegt; sie müssen nicht zwingend ausgeschöpft werden. d) Freie P.: Prüfungsgrundlage ist allein der Prüfungsauftrag, der von der veranlassenden Stelle der zu prüfenden Unternehmung erteilt wird. Prüfungsobjekt, Prüfer (extern oder intern) und zugrunde zulegende Prüfungsnormen sind durch den Auftraggeber festlegbar. Eine freie Prüfung kann sein: (1) Ordnungsmäßigkeitsprüfung: Prüfung der Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen oder innerbetrieblicher Anweisungen; (2) Situationsprüfung: Prüfung zur wirtschaftlichen Lage, bei der die allgemeine Situation der Unternehmung oder ihrer Teile ermittelt werden soll, z. B.: Rentabilitätsprüfung, Liquiditätsprüfung; (3) Institutionsprüfung: Prüfung der Organisation der Unternehmung oder ihrer organisatorischen Einheiten; auf die Zweckmäßigkeit betrieblicher Strukturen und Prozesse gerichtet; (4) Aufdeckungsprüfung: Soll Unterschlagungen und Veruntreuungen aufdecken. - 3. Häufigkeit: a) periodische (laufende) P.; b) aperiodische (einmalige) Prüfung - 4. Art der Urteilsbildung: a) Ordnungsmäßigkeitsprüfung; b) Zweckmäßigkeitsprüfung. - 5. Art der Prüfungsobjekte: Vielzahl von Prüfungsobjekten denkbar, deshalb beliebig tiefe Gliederung möglich. - 6. Art der Prüfungshandlung: a) Abstimmungsprüfung; b) Übertragungsprüfung; c) rechnerische Prüfung - 7. Komplexität des Prüfungsobjekts: a) Einfache P.: Das abzugebende Prüfungsurteil beruht auf nur einem Soll-Ist-Vergleich. Nicht der Regelfall. b) Komplexe P.: Die Abgabe eines Urteils beruht auf einer Mehrzahl von einzelnen Soll-Ist-Vergleichen. - Möglichkeiten der Verdichtung zu einem Gesamturteil: (1) Zusammenfassung unverbundener Einzelurteile: Einzelurteile werden ohne Berücksichtigung von Interdependenzen zwischen den einzelnen prüfungsrelevanten Merkmalen isoliert gefällt. Durch geeignete Verfahren (z. B. Durchschnittsbildung, Anteilswertbildung, Anwendung von Gewichtungssystemen) werden sie zum Gesamturteil zusammengefaßt. (2) Bildung von Prüfungsketten: Ist ein komplexes Urteil über mehrere miteinander in Verbindung stehende Ist-Objekte erforderlich, wird eine Verkettung von Einzelurteilen in Form von zeitlich nacheinander geschalteten Primärvergleichen vorgenommen, wobei Soll-Objekte aus den geprüften Ist-Objekten des vorhergehenden Primärvergleichs abgeleitet werden. (a) Progressive Prüfungskette, wenn man z. B. bei einer Jahresabschlußprüfung vom wirtschaftlichen Tatbestand ausgeht, um letztlich ein Urteil über eine Bilanzposition zu fällen. (b) Retrograde Prüfungskette bei umgekehrter Prüfungsrichtung. (c) Prüfungsketten können verzweigt oder unverzweigt sein; eine Verzweigung resultiert aus der Verflechtung von Ausgangsdaten und Zwischen- oder Endurteilen. - 8. Prüfungsintensität: a) Lückenlose P.: Sämtliche zum Prüfungskomplex gehörenden Ist-Objekte werden geprüft. b) Stichprobenprüfung. - 9. Angewandte Methoden des Soll-Ist-Vergleichs: a) Direkte P.: Liegt vor, wenn die Zuordnung von Meßwerten zu einzelnen Maßgrößen unmittelbar und direkt erfolgt. b) Indirekte P.: Prüfung aufgrund indirekter Messung. Es werden Ersatzobjekte herangezogen und hieraus Rückschlüsse für die zu beurteilenden Objekte gezogen; z. B. wird der Niederschlag von Tatbeständen in Dokumenten statt der Tatsachen selbst herangezogen. Voraussetzung ist ein funktionaler Zusammenhang, weil nur in diesem Fall eine Verknüpfung sinnvoll vorgenommen werden kann. Wahlweise indirekte Messung liegt vor, wenn der Prüfer auch eine direkte Messung hätte vornehmen können. Bei zwangsweise indirekter Messung gibt es keine wirtschaftlich vertretbare Möglichkeit einer Abbildung ohne Zuhilfenahme einer Ersatzgröße. Bei der indirekten Ermittlung des Soll-Objekts (z. B. Globalabstimmung, wirtschaftliche Verprobung) wird nur ein Bestandteil des Soll-Ist-Vergleichs indirekt ermittelt; bei der indirekten Ermittlung der Soll-Ist-Abweichung aus der Prüfung eines Ersatztatbestandes wird auf die Qualität des eigentlichen Prüfungsobjekts rückgeschlossen (z. B. im Bereich der Jahresabschlußprüfung Prüfung mit Hilfe des Internen Kontrollsystems oder der EDV-Systemprüfung).

 

<< vorheriger Begriff
nächster Begriff>>
Prüfstelle der Wertpapierbereinigung
Prüfungsantrag

 

Diese Seite bookmarken :

 
   

 

  Weitere Begriffe : Produktionsmöglichkeitenkurve | Sparkonto | Produktmarke | Universität | Baustelleneinrichtungsplanung
wiki wirtschaft

Thematische Gliederung | Unser Projekt | Impressum