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Vertrag

I. Handels- und Gesellschaftsrecht: 1. Begriff: Mittel zur rechtlichen Gestaltung der persönlichen, wirtschaftlichen Verhältnisse durch übereinstimmende Willenserklärung zweier oder mehrerer Parteien. Die meisten kaufmännischen Geschäftsvorfälle stellen entweder selbst Vertrag dar (Kauf, Tausch, Wechselbegebung, Stundung, Bürgschaft, Forderungsabtretung, Sicherungsübereignung) oder beruhen auf Vertrag - Sonderform: öffentlich-rechtlicher Vertrag. - Vgl. auch internationaler Vertrag. - 2. Gesetzliche Bestimmungen: In verschiedenen Bestimmungen enthalten. Die §§ 116-157 BGB enthalten allgemeine Vorschriften, die für alle Verträge gelten, insbes. über Vertragsschluß, Nichtigkeit, Anfechtung, Willensmängel, Irrtum, arglistige Täuschung, Drohung, Bedingung. Besondere Vorschriften über schuldrechtliche V., insbes. auch gegenseitige Verträge, in den §§ 305-361 BGB. Weitere Vorschriften in anderen Teilen des BGB und Sondervorschriften für handelsrechtliche Verträge im HGB. - 3. Rechtliche Bedeutung: Ein Vertrag ist erforderlich zur Begründung, Änderung oder Aufhebung eines Schuldverhältnisses (§ 305 BGB). Insbes. stellen auch die Stundung, der Erlaß, die Abtretung einer Forderung (Forderungsabtretung) und die Übernahme einer fremden Schuld (Schuldübernahme) einen Vertrag dar. Eines Vertrag bedarf es auch zur Übertragung des Eigentums an Grundstücken (Auflassung) und beweglichen Sachen (Übereignung), zur Begründung eines Pfandrechts, eines Nießbrauchs, einer Hypothek, einer Grundschuld sowie anderer dinglicher Rechte (Konsensprinzip). Weiterhin kennt das BGB Eheverträge und Erbverträge. - 4. Vertragsabschluß: Ein Vertrag kommt durch Angebot und Annahme zustande. - a) Angebot (Offerte): An eine andere Person gerichtete empfangsbedürftige Willenserklärung. Von dem Angebot ist die Aufforderung zur Abgabe von Angeboten (z. B. Versendung von Katalogen und Preislisten, Inserate, im allg. auch Ausstellung im Schaufenster) zu unterscheiden. Wer ein Angebot macht, ist daran gebunden (§ 145 BGB); die Bindung erlischt, wenn es von dem anderen Teil abgelehnt oder nicht rechtzeitig angenommen wird (§ 146 BGB): a) Ein mündliches oder fernmündliches Angebot kann nur sofort angenommen werden; b) Bindung an ein schriftliches oder telegrafisches Angebot bis zu dem Zeitpunkt, in dem unter regelmäßigen Umständen mit dem Eingang der Antwort gerechnet werden kann (§ 147 II BGB), es sei denn, die Bindung ist durch entsprechenden Zusatz im Angebot (freibleibend, ohne Obligo) ausgeschlossen worden (§ 145 BGB). - Der Vertragsschluß wird nicht dadurch verhindert, daß der Antragende nach Abgabe des Angebots stirbt oder geschäftsunfähig wird; Ausnahme, wenn anderer Wille der Vertragschließenden anzunehmen ist, z. B. bei Bestellung eines Maßanzugs bei Tod des Antragenden (§ 153 BGB). - b) Annahme: Das Angebot kann nur unverändert angenommen werden; eine Annahme unter Erweiterungen, Einschränkungen oder sonstigen Änderungen gilt als Ablehnung, verbunden mit einem neuen Angebot (§ 150 BGB). Ebenso gilt die Annahme eines bereits erloschenen Vertragsangebots als neues Angebot. Ist eine Annahmeerklärung nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten oder hat derjenige, der das Angebot gemacht hat, auf sie verzichtet, so kommt der Vertrag auch ohne die Erklärung der Annahme zustande; in diesem Falle muß aber der Annahmewille irgendwie erkennbar zum Ausdruck gekommen sein (§ 151 BGB; konkludente Handlungen). - Solange sich die Parteien nicht über alle Punkte des Vertrages geeinigt haben, über die nach der Erklärung auch nur einer Partei eine Vereinbarung getroffen werden soll, ist im Zweifel der Vertrag nicht geschlossen; Aufzeichnung einzelner Punkte bindet nicht (§ 154 I BGB). Soll der beabsichtigte Vertrag beurkundet werden, wird er, soweit kein anderer Parteiwille ersichtlich ist, mit der Beurkundung geschlossen (§ 154 II BGB). Haben sich die Parteien bei einem Vertrag, den sie als geschlossen ansehen, über einen Punkt, über den eine Vereinbarung getroffen werden sollte, versehentlich nicht geeinigt, ist das Vereinbarte gleichwohl gültig, wenn anzunehmen ist, daß der Vertrag auch ohne Einigung über diesen Punkt geschlossen worden wäre (§ 155 BGB). - c) Formen: Eine besondere Form (Formvorschriften) ist im Gesetz nur ausnahmsweise vorgeschrieben; i. d. R. kann ein Vertrag in jeder beliebigen Form (schriftlich, mündlich, sogar stillschweigend) geschlossen werden. (1) Mündlich oder fernmündlich abgeschlossene Vertrag pflegen meist schriftlich bestätigt zu werden (Bestätigungsschreiben). (2) Im Wirtschaftsleben besonders häufig ist V.-Schluß durch Briefwechsel; soweit durch das Gesetz Schriftform vorgeschrieben ist, genügt Briefwechsel zur Wahrung der Form nicht (§ 126 BGB). Haben die Parteien Schriftform vereinbart, so kann der Vertrag auch durch Briefwechsel zustande kommen, wenn kein anderer Wille der Parteien ersichtlich ist (§ 127 BGB).
II. Transaktionskostenökonomik: 1. Begriff: Zentrales Untersuchungsobjekt. Macneil unterscheidet drei verschiedene Vertragsformen: a) Der Neoklassik liegt die Auffassung vom sog. klassischen (Standard-)Vertrag zugrunde. Dieser ist punktuell, d. h. er dient als Grundlage für den einmaligen Kauf. Der klassische Vertrag ist vollständig formuliert und deckt alle Eventualitäten ab. Wird er nicht eingehalten, so werden die Gerichte rasch und kostenlos einschreiten. Die Identität des Partners ist belanglos. - b) Der sog. neoklassische Vertrag dient dagegen als Grundlage einer längerfristigen Transaktionsbeziehung. Insofern können sich Probleme aufgrund veränderter Rahmenbedingungen oder transaktionsspezifischer Abhängigkeiten ergeben, die im Rahmen des klassischen Standardvertrages nicht abzudecken sind. Charakteristisches Merkmal des neoklassischen Vertrag ist, daß im Falle von Streitigkeiten eine unabhängige dritte Partei als Schlichter auftritt und den ursprünglichen Vertragstext unter Berücksichtigung der veränderten Rahmenbedingungen interpretiert. - c) Relationale Verträge sind häufig von vorneherein unvollständig formuliert, da die später angemessenen Entscheidungen aufgrund unvorhersehbarer Konstellationen bei Vertragsschluß nicht festzuschreiben sind. Viele Vertragsnormen bleiben implizit. Prominentes Beispiel eines relationalen Vertrag ist der Arbeitsvertrag (Simon 1957). Im Gegensatz zum neoklassischen Vertrag kann sich im Laufe der Zeit auch der Geist eines relationalen Vertrag ändern. Anknüpfungspunkt bei Streitigkeiten ist folglich nicht unbedingt der ursprüngliche Vertragstext. Vielmehr müssen sämtliche formellen wie informellen Regeln der entstandenen Beziehung herangezogen werden, unabhängig davon, ob sie anfangs vertraglich fixiert wurden oder nicht. Die Gerichte werden ungern bemüht, da ein Gerichtsverfahren das Klima und damit die Möglichkeit zur vertrauensvollen Zusammenarbeit zerstören würde. Bei relationalen Vertrag kommt es auf die Identität der Partner also entscheidend an. - 2. Bedeutung in der Transaktionskostenökonomik: Die Transaktionskostenökonomik untersucht in diesem Zusammenhang, welche der drei genannten Vertragsformen angesichts bestimmter Eigenschaften von Transaktionen (nach Williamson sind dies Häufigkeit, Unsicherheit und Spezifität der erforderlichen Investitionen) gewählt werden sollten. Im englischen Sprachraum haben sich noch weitere Begriffe für bestimmte Kontrakttypen durchgesetzt. So enthalten manche Vertrag Sicherungsmechanismen wie beispielsweise glaubhafte Zusicherungen, die automatisch zu einer Stabilisierung der Vertragsbeziehung beitragen. Man spricht dann von self-enforcing contracts; zum Teil wird auch der Ausdruck market mechanisms of contract enforcement verwendet. Ein Schwerpunkt der Transaktionskostenökonomik liegt auf der Analyse solcher Vertrag - Vgl. auch Arbeitsmarkttheorien III, Konsensethik 3.

 

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