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Länderkunde

1. Charakterisierung: Fachrichtung zur Beschreibung der räumlichen Struktur von Natur und Gesellschaft einzelner Regionen der Erde mit dem Ziel, die Totalität des Raumes verstehen zu wollen. Sie betont die Einmaligkeit der jeweiligen Räume, d. h. sieht diese aufgrund ihrer spezifischen Totalcharakteristik als Individuen. Dadurch ist keine analytische Betrachtungsweise möglich, mit der Folge, daß Länderkunde i. d. R. keine strukturierten, theoretisch fundierten Erkenntnisse liefert, sondern eine Ansammlung von relativ beliebig zusammengestellten Daten darstellt. - 2. Eine länderkundliche Darstellung kann sich auf Räume der verschiedensten Maßstabsebenen beziehen: a) Länderkunde auf globaler Ebene heute selten. b) Länderkunde auf einzelne Staaten bezogen: häufigste Form. Auch eine Anlehnung an andere politische Grenzen, z. B. Bundesländer, ist relativ häufig anzutreffen. - 3. Der Zweck von Länderkunde besteht in einer möglichst umfassenden Information über Land und Leute in aller Welt für Interessenten aus der betrieblichen Praxis und der Ausbildung ebenso wie für Touristen. - 4. Entwicklung: Entstanden ist die Länderkunde am Ende des 19. Jh., als die koloniale Handelsgeographie damit sehr praktische Anwendungskenntnisse über Rohstoffe und sonstige Ressourcen, über Umgangsformen und den "Wirtschaftsgeist" bereitstellen wollte. Die meisten Länderkunde folgen in ihrem Aufbau einem bereits damals von Kirchhoff (1884) entwickelten und v. a. durch Hettner (1932) verbreiteten "länderkundlichen Schema", das folgende Kapitelfolge aufweist: Geologie, Morphologie, Klima, Hydrographie, Böden, Vegetation, Siedlung, Landnutzung, Verkehr, politische Gliederung. Diese Kapitelfolge weist starke evolutionstheoretische Einflüsse auf. Viele, vor allem ältere, Länderkunde behandeln diese Sachgebiete analytisch nacheinander. Anfang der 60er Jahre setzt sich eine Tendenz durch, Länderkunde eher synthetisch zu betreiben (Czajka 1962/63). Beide Arten der Länderkunde haben sich bis heute erhalten und variieren je nach Autoren. - 5. Wirtschaftsgeographische L.: Neben allgemeinen Länderkunde gibt es auch auf die Wirtschaft eines Raumes spezialisierte Länderkunde Sie haben die Aufgabe, einen Gesamtüberblick über das Wirtschaftsleben einer Region zu geben. Was allerdings zu diesem Wirtschaftssystem dazugehört, wird von Vertretern verschiedener Forschungs- oder Praxiszweige sehr unterschiedlich beurteilt. So existieren zahlreiche wirtschaftskundliche Länderbeschreibungen, die von Handelskammern oder Banken herausgegeben werden. Sie enthalten i. d. R. Kapitel über Verkehrswesen, Verwaltung, Finanzwesen, Geschäftsleben, Außenhandel und Zollbestimmungen eines Landes. Klassische wirtschaftsgeographische Länderkunde lehnen sich dagegen sehr stark an das länderkundliche Schema der Geographen an: Sie behandeln die Naturgrundlagen, die kulturräumliche Ausstattung und die Wirtschaftsstruktur nach Wirtschaftsbereichen. Am Ende stehen synthetische Betrachtungen von Wirtschaftslandschaften. - Ein von Ritter vorgeschlagenes Schema für wirtschaftsgeographische Länderkunde orientiert sich an den Bedürfnissen der Wirtschaft; es sieht folgende Kapitel vor: (1) Einleitende Angaben: Grunddaten über Forschungsstand und Tendenzen der Planung; geographische Basisinformationen über Lage, Größe, naturräumliche Gliederung, Sozialstruktur etc.; Charakterisierung der Wirtschaft durch wirtschaftliche Kennziffern, Zuordnung zu einer Wirtschaftsstufe und wirtschaftliche Verflechtungen nach außen; (2) räumliche Grundstruktur der Wirtschaft: Hauptstädte und Wirtschaftszentren, zentralörtliche Struktur, Verkehrsstruktur, Kommunikationswesen und Teilsynthesen dieser Merkmale; (3) Bereiche der Produktion: Sie sollen entlang dem Schema der Wirtschaftsbereiche zusammengefaßt werden; innerhalb der Wirtschaftsbereiche soll jede Branche einzeln betrachtet werden, und zwar von den Naturgrundlagen über die interne Struktur der Branche bis zu ausgebildeten Agglomerationen sowie Teilsynthesen; (4) Bereiche der Konsumtion: v. a. Aspekte der Markt- und Absatzforschung und Probleme der Abfallbeseitigung sowie Teilsynthesen; (5) Ergebnisse: An dieser Stelle soll der Raum in seiner Gesamtheit betrachtet werden, und zwar sowohl auf Kenntnislücken hin als auch auf die wirtschaftsräumliche Gliederung und die räumliche Dynamik hin. - 6. Bedeutung: Im logischen System der Geographie hat die Länderkunde einen relativ hohen Stellenwert. Sie soll die Integration der verschiedenen Zweige der allgemeinen Geographie in einer bestimmten Raumeinheit leisten. Allerdings ist die Begründung der Länderkunde als Forschungsdisziplin, auch unter Einbeziehung der Systemtheorie, bis heute nicht geleistet worden. Heute wird die Länderkunde v. a. als Wissenschaftsanwendung geographisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse wie auch anderer Fächer gesehen mit der pädagogischen Aufgabe, zahlreiche Informations- und Orientierungsbedürfnisse zu befriedigen. Damit verbunden ist eine Abkehr von umfassenden, lexigraphischen Darstellungen und von der Sichtweise der Länder als Individuen und eine Offenlegung der inhärenten Bewertungsproblematik bei der Stoffauswahl und -interpretation.

 

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