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Bürostandortforschung

1. Charakterisierung: Mit der wachsenden regionalwirtschaftlichen und raumordnerischen Bedeutung der Dienstleistungswirtschaft hat sich in den 60er Jahren ein neuer Forschungszweig in der Wirtschaftsgeographie herausgebildet, der die standörtliche Lagerung und Verflechtung von Büro- und Dienstleistungsbetrieben analysiert (office location research, service geography). Bisher ist die Bürostandortforschung im wesentlichen deskriptiv und kasuistisch geblieben. - 2. Ansätze für die Ermittlung von Standortfaktoren: Ansätze sind die Kommunikationstheorie und die Theorie der Organisation des Unternehmens. Standortbestimmend für Bürobetriebe sind danach in erster Linie die Kommunikationsbedürfnisse und Kontaktmuster, welche nach Art der Aktivität und abhängig von der spezifischen, informationsverarbeitenden Funktion des Büros innerhalb der inner- wie überbetrieblichen Arbeitsteilung verschieden sind. Bei den standortrelevanten Bürofunktionen unterscheiden Thörnquist (1970) und Pye (1977) drei hierarchische Ebenen: (1) strategische Entscheidungs- und Planungstätigkeiten, (2) Kontrolltätigkeiten und (3) "Routine"tätigkeiten. Je nach der Funktion variieren die Kommunikationsbedürfnisse zwischen vorwiegend face-to-face-(persönlichen) Kontakten und standardisierten, durch Telematik vermittelbaren und vielfach mechanisierbaren Kontakten. Die sich aus den qualitativen Anforderungen und aus den Kontakthäufigkeiten ergebenden Informationsbeschaffungs- und -verarbeitungskosten werden als die zentralen Standortfaktoren angesehen. Allerdings ist eine quantitative Bestimmung der Kosten für die verschiedenen funktionalen Bürotypen noch nicht gelungen, so daß auch die Frage der Substitutionsmöglichkeit von persönlichen Kontakten durch Telematik (z. Bürostandortforschung Videokonferenz) erst in den Anfängen erforscht ist. - 3. Untersuchungsgegenstand: Ein zentrales Untersuchungsfeld stellen die standörtlichen Wirkungen der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien dar, die bzgl. der Routinetätigkeiten dezentralisierende Effekte zeigen (z. Bürostandortforschung Nachbarschaftsbüros, Teleheimarbeit, "back offices"), in den anderen Funktionen aber vielfach zentralisierende Wirkungen auf nationaler und internationaler Ebene aufweisen (besonders bei der Standortwahl multinationaler Dienstleistungsunternehmen). Weitere bestimmende Momente der Standortwahl von Bürobetrieben werden in der Nachfrage nach Dienstleistungen gesehen, für welche die regionale Wirtschaftsstruktur ebenso wie die Entscheidung der Externalisierung/Internalisierung von Diensten von Bedeutung sind, sowie in der Größe und Qualität des regionalen Informationsangebotes, in der kaum geklärten Distanzabhängigkeit der Absatzreichweite von Dienstleistungen und in der Bedeutung von economies of scale bei Bürobetrieben. - 4. Die Integration der verschiedenen Einzelaspekte zu einer geschlossenen Theorie der Bürostandortwahl ist bisher noch nicht gelungen. Ein wesentlicher Grund dafür liegt in der noch unzureichenden, ökonomisch-begrifflichen Bestimmung des Gegenstandes, was sich unter anderem darin ausdrückt, daß einmal von Dienstleistungs-, dann wieder von Bürobetrieben ausgegangen wird. Bei der sektoralen Betrachtungsweise werden Branchen des Dienstleistungssektors zugrunde gelegt, wobei der Heterogenität des "quartären" Sektors durch die Differenzierung in drei Bereiche Rechnung getragen wird: unternehmensbezogene, haushaltsbezogene und staatliche Dienstleistungsbranchen. Das Problem bleibt aber, daß die Dienstleistungswirtschaft nur negativ durch die Nicht-Stofflichkeit und die Nicht-Lagerfähigkeit der Leistungserstellung definiert ist. Zugleich bleiben damit auch Bürokomplexe der produzierenden wie distribuierenden Unternehmen (Hauptverwaltungen, Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen, Servicefunktionen) ausgeklammert. Die funktionale Betrachtung schließt diese ein, indem sie den Bürobetrieb von der Tätigkeit her bestimmt als eine Wirtschaftseinheit, die vorwiegend in der Informationsgewinnung, -ordnung, -speicherung und -verarbeitung besteht. Als Schwierigkeit dieser Bestimmung ergibt sich die Abgrenzung von Informationstätigkeiten, so werden z. Bürostandortforschung der Geld- und Geldkapitalhandel zum Bürosektor gerechnet, das Gesundheitswesen aber nicht. - 5. Bedeutung: Trotz dieser theoretischen Mängel hat die Bürostandortforschung wichtige empirische Erkenntnisse besonders für die Bürostandortpolitik und die Regionalpolitik allgemein erbracht.

 

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