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Innovations- und Diffusionsforschung

1. Begriff: Teilgebiet der Regionalanalyse, der sich mit dem raum-zeitlichen Wandel von sozioökonomischen, räumlichen Systemen aufgrund von Innovationen und Diffusionen befaßt. Dabei bedient sich die I.- u. D. weitgehendst behavouristischer Vorstellungen über das Handeln von Menschen. Ausgangspunkt der I.- u. D. war die Agrarsoziologie, in der - in der Nachkriegszeit in den USA - über möglichst effektive Wege zur Beratung von Farmern nachgedacht wurde. - 2. Wichtige Grundbegriffe: (1) Innovation: Ideen oder Techniken, die von Einzelnen oder einer Gruppe als neu angesehen werden, unabhängig davon, ob sie es sind. (2) Invention: Entwicklung einer Innovation. (3) Adoption: Entscheidung eines Einzelnen zum Gebrauch einer Innovation. (4) Diffusion: raum-zeitliche Ausbreitung einer Innovation. Der zeitliche Ablauf einer Diffusion läßt sich durch eine logistische Kurve darstellen, die i. d. R. in vier bis fünf Stadien unterteilt wird: nach Adoptorkategorien in Innovatoren, frühe Adoptoren, frühe Mehrheit, späte Mehrheit und Zauderer oder nach Diffusionsphasen in Initialphase, Expansionsphase, Verdichtungsphase und Sättigungsphase. Beide Einteilungen können parallelisiert werden. Zur Beschreibung der räumlichen Ausbreitung von Innovationen hat die geographische I.-u. D. zwei Vorstellungen entwickelt. (1) Diffusion erfolgt aufgrund von persönlichen Kontakten; die Verbreitung einer Innovation nimmt dabei mit zunehmender Entfernung vom Innovationszentrum ab (Nachbarschaftseffekt); (2) Diffusionen breiten sich durch hochentwickelte Informations- und Kommunikationssysteme entlang der Hierarchie des zentralörtlichen Systems aus (Hierarchieeffekt). - 3. Theorie: a) Die wichtigste theoretische Grundlegung der I.-u. D. stammt von dem schwedischen Geographen Hägerstrand, der sich v. a. mit der Ausbreitung über den Nachbarschaftseffekt auseinandergesetzt hat. Er geht davon aus, daß jedes Individuum nur über einen relativ kleinen Kreis von ausgesuchten Kontakten verfügt, deren Häufigkeit mit zunehmender Entfernung vom Standort des Individuums rasch abnimmt. Aus dieser Annahme heraus konstruiert Hägerstrand das MIF, mean information field. Mit Hilfe dieses Modells simuliert Hägerstrand einen Diffusionsprozeß unter Verwendung von Verfahren der Monte-Carlo-Simulation. b) Eine Annäherung des Modells an die Realität ist v. a. durch Gould (1969) vorgenommen worden. Er hat versucht, die reale Bevölkerungsverteilung nachzubilden und eine Gewichtung der Wahrscheinlichkeit der Informationsübernahme einzuführen, wobei er diverse Einflußfaktoren unterscheidet: die Bereitschaft der Adoptoren, Diffusionsbarrieren und die sozio-ökonomischen Rahmenbedingungen. Als Diffusionsbarrieren unterscheidet Gould physische Barrieren (z. B. Gebirge, Meere, Sümpfe), kulturelle, linguistische, religiöse, politische und psychologische, die in den Adoptoren selbst zu suchen sind. Simulationsmodelle, die solche Barrieren einbeziehen, sind allerdings recht komplex. c) Diese Modelle, die hauptsächlich von der Nachfrage nach Innovationen ausgehen, hat Brown (1977) um die Angebotsseite ergänzt. Dazu führt er den Begriff der Diffusionsagentur ein, einer Institution, die Innovationen verbreitet. Diese kann sowohl profitorientiert sein (bzgl. Konsumgüter, Dienstleistungen) als auch nicht-profitorientiert (z. B. im sozialen Bereich, Erziehungswesen). Die von Brown untersuchten Diffusionsagenturen werden von einer größeren Institution mit an einem Standort gebündelter Entscheidungskompetenz eingerichtet. Die Orte der Einrichtung bestimmen sich nach der Profitabilität, die von der Erreichbarkeit der Diffusionsagentur durch potentielle Nachfrager und den Kosten für den Transport der Innovation abhängt. Aus der Verteilung der raum-zeitlichen Einrichtung von Diffusionsagenturen lassen sich Diffusionsstrategien herleiten. Diese sind abhängig von der Art der Innovation, von ihrem Preis, von den Kosten für die Werbung und von den Standorten der Agenturen selbst. Die Zielsetzung von Diffusionsstrategien kann nach Brown entweder Kostenminimierung oder Gewinnmaximierung sein. - 4. Bedeutung: Die I.- u. D. hat bis heute v. a. Beschreibungsmodelle der verschiedensten Diffusionsprozesse erarbeitet. Eine ausreichende theoretische Erklärung dessen, wer warum von wem bestimmte Innovationen annimmt, steht nach wie vor aus.

 

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