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verhaltenstheoretische Wirtschaftsgeographie

Ansatz, der die Ausprägung ökonomischer Raumstrukturen aus den Absichten und Beweggründen des handelnden Menschen erklären will, und zwar sowohl aus den bewußten, zielorientierten als auch aus den unbewußten, diffusen. Der entscheidende Unterschied zur neo-klassischen Standort- und Raumwirtschaftstheorie liegt in dem zugrundegelegten Menschenbild: Während erstere sich den Menschen als homo oeconomicus denkt, der in jeder Situation rational handelt, stellt sich die v. W. den Menschen als nur subjektiv rational handelnd vor. Dieser sog. satisfizer handelt immer nur in bezug auf seine persönlichen Einstellungen, sein Anspruchsniveau, sein Motiv oder auch die von ihm erwartete Rolle rational. Dieses Menschenbild bedient sich des Skinnerschen Stimulus-Response-Modells zur Erklärung des wirtschaftsräumlichen Handelns des Menschen: Der Mensch reagiert auf bestimmte räumliche Bedingungen (Stimuli) in einer bestimmten Weise. Allerdings ist leicht festzustellen, daß verschiedene Menschen in ein und demselben Raum durchaus verschieden reagieren. Als Grund dafür, ob ein bestimmter Stimulus eine bestimmte Reaktion hervorruft oder nicht, behauptet die sozialpsychologische Verhaltenstheorie das Anspruchsniveau des Individuums bzw. die individuelle Einstellung. Deren Wirkung wird mittels des Konstruktes "black-box" erklärt, da die Entscheidungsfindung empirisch nicht direkt zu messen sei. Das bedeutet, daß einerseits die individuelle Einstellung eines Menschen aus seinem Verhalten, also der Wirkung dieser Einstellung hergeleitet wird. Kaum hat man die Einstellung auf diese Art erklärt, wird andererseits das Verhalten durch die Einstellung erklärt. Logisch gesehen handelt es sich bei dem "black-box"-Modell um einen Zirkelschluß, der sich aber als recht produktiv erwiesen hat. - Der verhaltenstheoretische Ansatz, der sein Hauptaugenmerk auf das Individuum oder auf soziale Gruppen legt, ist zunächst in die Sozialgeographie eingedrungen. Um für die Wirtschaftsgeographie nutzbar zu sein, mußte er dahingehend modifiziert werden, daß er auch bzw. gerade das Handeln großer Organisationen erklären kann. Großunternehmen, staatliche Verwaltungen und politische Gruppierungen sind es, die mehr noch als der einzelne Konsument ökonomisch relevante Entscheidungen treffen. Hier geht es vor allem darum, die Verfahren der Entscheidungsfindung, zu denen die Informationsbeschaffung und Informationsverarbeitung gehören, zu untersuchen (Standortwahl). - Da das Verhalten einzelner Menschen oder Gruppen hauptsächlich von der Einstellung zu den aus der Umwelt aufgenommenen Informationen abhängig ist, haben sich eine Reihe von Wissenschaftlern mit den Bildern, die die Menschen von ihrer Umwelt haben, beschäftigt. Die dabei entstandenen mental maps zeigen, wie bestimmte soziale Gruppen Distanzen oder Regionen wahrnehmen (Wahrnehmungsraum). Die unterschiedliche Wahrnehmung führt zu unterschiedlichen wirtschaftlichen Entscheidungen (Aktionsraum). Diese Erkenntnis hat - wie im Tourismus schon länger üblich - dazu geführt, daß einzelne Regionen begonnen haben, für sich zu werben (z. B. Stadtmarketing). Die v. W. geht davon aus, daß solche Imagekampagnen einer Region zu mehr Beachtung verhelfen, relativ unabhängig von den tatsächlich in ihr vorhandenen Möglichkeiten. - Die Kritik an diesem Ansatz bezieht sich hauptsächlich auf die Tatsache, daß den Grenzen, welche dem Handeln der Menschen von den in der Umwelt vorhandenen Bedingungen gesetzt werden, zu wenig Beachtung geschenkt wird. Der Ansatz überbetont danach das Individuum, indem er von kollektiven Vorgaben abstrahiert.

 

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