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Controlling

I. Ursprung: 1. Seinen Ursprung nahm das Controlling in den USA. Erste Controllerstellen wurden schon gegen Ende des letzten Jahrhunderts eingerichtet. Wenngleich anfangs noch sehr eng mit Finanzierungsfragen verbunden (Controlling und Treasuring wurden häufig als zwei Unterfunktionen des financial management aufgefaßt), stand bereits zu dieser Zeit die Lösung der mit wachsender Unternehmensgröße verstärkt auftretenden Koordinations- und Abstimmungsprobleme im Vordergrund. 1931 wurde in den USA das Controller Institute of America gegründet, das wesentlichen Einfluß auf die Gestaltung des Controlling nahm. - 2. In Deutschland setzte sich das Controlling erst in den 70er Jahren durch. Es ist heute in jedem größeren Unternehmen zu finden.
II. Kernmerkmale in der Praxis: 1. Planungs- und Kontrollorientierung: a) Controlling ist in der Praxis unlösbar mit Planungen und Kontrollen verbunden (Unternehmensplanung, Kontrolle). Ein Controller wird stets darauf drängen: (1) daß die Unternehmensziele explizit und meßbar formuliert vorliegen; (2) daß für alle Bereiche im Unternehmen anhand der angestrebten Ziele Handlungsalternativen entwickelt und ausgewählt sowie deren erwartete Ergebnisse geplant werden; (3) daß man im laufenden Betrieb überwacht, ob die Planungen tatsächlich eingehalten werden; (4) daß im Abweichungsfall Maßnahmen ergriffen werden, sei es, um in der Durchführung gegenzusteuern, sei es, um zu neuen, realistischen Planwerten zu gelangen. - b) Planungs- und Kontrollorientierung ist in sehr unterschiedlicher Weise interpretier- und auslegbar. Und entsprechend trifft man in der Praxis sehr unterschiedliche Realisationsvarianten an. Planungs- und Kontrollorientierung kann im weitestgehenden Fall die vollständige Übernahme der Planungs- und Kontrolltätigkeit bedeuten. Dies ist jedoch grundsätzlich kaum sinnvoll, da damit den Controllern - ohne einsichtigen Grund - ein wesentlicher Teil der Aufgaben der Unternehmensführung übertragen wird. Nur dann, wenn die Leitung bislang kaum über systematisches Planungs- und Kontroll-Know-how verfügt, mag eine solche Variante für eine gewisse Zeit lang tragfähig sein. Bezieht man "vollständig" dagegen auf den Umfang einzelner Planungs- und Kontrollaufgaben, so wird ein in der Praxis deutlich wichtigerer Fall sichtbar: Controller übernehmen die gesamte Entscheidungsvorbereitung für bestimmte Maßnahmen (z. B. Investitionsvorhaben) ebenso, wie sie für die Kontrolle der getroffenen Entscheidung verantwortlich sind. Der Input des Linienmanagements beschränkt sich auf das Treffen der Entscheidung; es wird vom Controller entsprechend entlastet bzw. unterstützt. - c) Trennt man die Planungs- und Kontrolltätigkeit in eine inhaltliche und eine prozedurale Komponente, so ist eine in der Praxis sehr häufig vorfindbare Aufgabenzuweisung angesprochen. Controller übernehmen das Management der Planung und Kontrolle, die Linienverantwortlichen legen Ziele und Inhalte der Planung sowie Maßnahmen bei eventuellen Plan-Ist-Abweichungen fest. Auch hier wird das Linienmanagement durch den Controller entlastet. - d) Planungs- und Kontrollorientierung kann schließlich auch bedeuten, lediglich die Verantwortung dafür zu übernehmen, daß systematisch geplant und kontrolliert wird. Die Planungs- und Kontrollkompetenz verbleibt beim Linienmanagement, die Planungs- und Kontrollverantwortung wird quasi zwischen den Linienmanagern und dem Controller geteilt. Je stärker die Dezentralisierung der Unternehmen voranschreitet und je mehr das Menschenbild der Führungskräfte auf eigene Verantwortlichkeit und umfassende, nicht atomistisch spezialisierte Augaben abstellt, desto realistischer wird diese dritte Variante. Auch in Großunternehmen sind dann nur wenige Controllerstellen erforderlich, sie zu realisieren. - 2. Konsensorientierung: a) Planungs- und Konrollorientierung reicht jedoch nicht allein aus, Controlling in der Praxis zu charakterisieren. Pläne und Kontrollen sind auf zu vielen zu unterschiedlichen Wegen denkbar; die Tatsache, daß geplant und kontrolliert wird, sagt noch nichts über die Güte der Planungen und Kontrollen aus. Hinzukommen muß deshalb noch ein weiteres Merkmal, das hier kurz mit "Konsensorientierung" umschrieben werden soll: Der Controller hat sicherzustellen, daß die erarbeiteten Pläne das nach Abwägen aller Alternativen und unter Einbeziehung allen Planungs-Know-hows für das Unternehmen Optimale darstellen. Dies bedeutet im Detail, zu verhindern, daß (1) einzelne Unternehmensbereiche mit unterschiedlichen Kompetenzen in den Planungsprozeß einbezogen werden; (2) im Planungsprozeß von personaler, individueller Macht Gebrauch gemacht wird; (3) Planungsbeiträge unterdrückt werden oder "unter den Tisch fallen"; (4) für die Planung wichtige Informationen asymmetrisch verteilt sind, von Einzelnen bewußt zurückgehalten werden; (5) sich einzelne Unternehmensbereiche opportunistisch verhalten, bzw. Opportunismus auf ein Mindestmaß zu beschränken. - b) Das so beschriebene Ziel kann der Controller auf zwei, parallel zu gehenden Wegen erreichen. Zum einen muß er den Planungsprozeß entsprechend gestalten und formalisieren. Dies bedeutet u. a., ausreichend viele "Planungsschleifen" vorzusehen, genügend Zeit für die Planung zu lassen, einen nachvollziehbaren Weg zur Aggregation von Teilplanungen zur Unternehmensgesamtplanung einzurichten, top down Vorgaben der Unternehmensleitung in transparenter Weise mit den bottom up ermittelten Plänen abzugleichen u. a. m. Auch unter den mehr formalen Aufgabenbereich fällt die entsprechende Gestaltung des Informationssystems, d. h. die Sicherstellung einer adäquaten Informationsversorgung der Planungen und Kontrollen. Aus diesem Grund befassen sich viele Controller in der Praxis mit Kostenrechnung und Führungsinformationssystemen. - c) Eine Formalisierung des Planungsvorgehens und der Informationsversorgung reicht aber allein nicht aus. Auch der beste in Richtung eines machtfreien Informationsaustausches hin gestaltete, mit den aussagefähigsten Informationen untermauerte Planungsprozeß kann durch Menschen unterlaufen, auf ihre Interessen hin manipuliert werden. Deshalb ist es unumgänglich, daß der Controller den gesamten Planungsprozeß aktiv begleitet, sich somit selbst ein Bild davon macht, ob "alles mit rechten Planungsbedingungen zugeht". Faule Kompromisse müssen von ihm als solche erkannt werden, ebenso wie ein "über den Tisch ziehen" im Falle von Interessenkollisionen. Das insbes. von Deyhle so vehement geforderte Verhaltenskönnen des Controllers findet hierin seine Begründung.
III. Stellung in der Theorie: 1. Wesentlich angestoßen durch Arbeiten von Horváth wird der Wesenskern des Controlling in der Theorie zunehmend in einer Koordinationsfunktion gesehen. Dabei geht es nicht um die Koordination der (physischen) Leistungserstellung durch die Führung des Unternehmens, womit sich z. B. die Organisationstheorie intensiv befaßt. Objekt der Abstimmung ist vielmehr die Unternehmensführung selbst. Diese hat sich arbeitsteilig spezialisiert in Teilbereiche aufgespalten. Aufgrund dieser Differenzierung sind Koordinationsaktivitäten erforderlich geworden, um Ineffizienzen durch Schnittstellenprobleme zu verhindern. Die Gesamtheit dieser Koordinationsaktivitäten wird unter der Funktionsbezeichnung Controlling zusammengefaßt. - 2. Horváth beschränkt die Zahl der durch das Controlling zu koordinierenden Führungsteilsysteme auf zwei, das Planungs- und Kontrollsystem sowie das Informationssystem. Diese Beschränkung führt zwar zu einer Begriffsfassung, die eine hohe Übereinstimmung mit dem zuvor skizzierten Begriffsverständnis der Praxis aufweist. Sie ist aber insofern unbefriedigend, weil sich Unternehmensführung in weitere Teilsysteme untergliedern läßt. Neue, praktisch bedeutsame Koordinationsfelder kommen bei einer auf alle Führungsteilsysteme bezogenen Aufgabenstellung für das Controlling hinzu: (1) Controlling muß sicherstellen, daß die Organisation zu der Strategie des Unternehmens paßt - ganz gem. dem Grundsatz "structure follows strategy". (2) Controlling muß sicherstellen, daß das Personalführungssystem der Organisation entspricht; das aktuelle organisatorische Postulat "Zelte statt Burgen", das für eine häufige Veränderung der Aufbauorganisation steht, läßt sich so etwa nur mit einem besonders geschulten und qualifizierten Personal erreichen. (3) Controlling muß sicherstellen, daß das Informationssystem auf die Organisation ausgerichtet ist. So müssen z. B. Aktivitäten angestoßen werden, Transaktionskosten in unterschiedlichen Organisationsformen zu erfassen und bereitzustellen. Derart ausgeweitet gewinnt Controlling einen festen theoretischen Standort: Die Funktion ist genügend eingegrenzt (Beschränkung auf Koordination), und es liegen Aufgabenfelder vor, die bislang in der Theorie vernachlässigt bzw. zu wenig beachtet wurden. Allerdings verliert das Planungs- und Kontrollsystem seinen absolut dominanten Charakter für das Aufgabenfeld des Controlling Ob die Praxis dieser Ausweitung des Aufgabenfeldes folgt, wird die Zukunft zeigen.
IV. Controlling internationaler Unternehmen: Vgl. internationales Controlling.


Literatur: Deyhle, A., Controller-Handbuch, Bd. 1-8, 2. Aufl., Gauting 1980; Horváth, P., Controlling, 3. Aufl., München 1990; Küpper, H.-U., Konzeption des Controlling aus betriebswirtschaftlicher Sicht, in: Scheer, A.-W. (Hrsg.), Rechnungswesen und EDV, 8. Saarbrücker Arbeitstagung, Heidelberg 1987, S. 82-116; Küpper, H.-U./Weber, J./Zünd, A., Zum Verständnis und Selbstverständnis des Controlling, in: ZfB, 60 (1990), S. 281-293; Mayer, E./Weber, J. (Hrsg.), Handbuch Controlling, Stuttgart 1990; Weber, J., Einführung in das Controlling, Bd. 1 und 2, 3. Aufl., Stuttgart 1991; Weber, J./Kosmider, A., Controlling-Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland, in: ZfB-Ergänzungsheft 3 (1991), Controlling. Selbstverständnis-Instrumente-Perspektiven, S. 17-35.

 

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