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Zielzonen-System

1. Begriff: Z.-S. versuchen die Variabilität makroökonomischer Variablen durch explizite oder auch implizite Grenzen zu beschränken und sind meistens im Zusammenhang mit Währungssystemen anzutreffen. Real existierende Währungssysteme sind oftmals in dem Sinne hybrid, als sie sowohl Elemente eines Fixkurssystems als auch eines Systems flexibler Wechselkurse vereinen. Hybride Systeme existieren in den Formen des Z.-S. oder auch des Managed Floating und versuchen die Vorzüge fixer sowie flexibler Wechselkurse miteinander zu verbinden. In einem Z.-S. sind die nominellen oder realen Wechselkurse innerhalb eines bestimmten Bandes (Zielzone) frei beweglich, sollen jedoch durch Zentralbankinterventionen daran gehindert werden, dieses Band zu verlassen. Mitunter können auch Anpassungen (Realignments) der Zielzone an veränderte Rahmenbedingungen vorgesehen werden. Das bekannteste Beispiel eines Zielzonen-System S. für nominelle Wechselkurse ist das Europäische Währungssystem (EWS). - 2. Grundmodell bei perfekter Glaubwürdigkeit: Die theoretische Modellierung des Wechselkursverhaltens in einer Zielzone geht auf Krugman zurück. Im Grundmodell wird der Wechselkurs gem. des monetären Ansatzes der Wechselkursbestimmung bei perfekt flexiblen Preisen (Vgl. Wechselkurstheorie 2) durch gegenwärtige Fundamentalvariablen und durch Wechselkursänderungserwartungen determiniert.
(1) ,
mit . Die Variablen e und f repräsentieren die momentane Realisation des Wechselkurses und der Fundamentalvaribalen, steht für die (Semi) Zinselastizität der Geldnachfrage und für die erwartete Wechselkursänderungsrate. Die Fundamentalvariablen lassen sich in zwei Komponenten zerlegen: die Größe m bezeichnet das Geldangebot und wird von der Zentralbank zur Verteidigung der Zielzone für den Wechselkurs eingesetzt (regelgebundene Stabilitätspolitik), während die Variable v den Teil der Fundamentalvariablen erfaßt, der sich außerhalb der Kontrolle der Zentralbank befindet (hierzu gehört z. B. die in- und ausländischen Einkommensniveaus oder auch die Umlaufgeschwindigkeiten des Geldes). Die Variable v wird hierbei stochastisch modelliert als Prozeß mit Erwartungswert Null und einer Varianz, die proportional zum Zeithorizont wächst (Brown'sche Bewegung). Werden rationale Erwartungen unterstellt, so kann Gleichung (1) mit Hilfe des Vermögenspreisansatzes (Wechselkurstheorie 2) gelöst werden. Unter Ausschaltung rationaler spekulativer Blasen resultiert dann eine proportionale Abhängigkeit des Wechselkurses von seinen Fundamentalvariablen, welche in der Graphik durch die Linie FF repräsentiert ist. Da im Grundmodell bei flexiblen Wechselkursen keinerlei Zentralbankinterventionen erfolgen und der Rest der Fundamentalvariablen bedingt durch die Annahme der Brown'schen Bewegung einen Erwartungswert der Veränderung von Null aufweist, existieren entlang der FF-Linie keine Wechselkursänderungserwartungen. Bei perfekt flexiblen Wechselkursen ergibt sich somit über die ungedeckte Zinsparität ein Zinsdifferential von Null.


- Ganz anders aber wird der Zusammenhang bei einem Z.-S., indem die Zentralbank die Wechselkursbewegungen durch die Einführung eines Schwankungsintervalls für den Wechselkurs beschränkt. In der Graphik hat dieses Schwankungsintervall die obere Grenze und die untere Grenze . Im einfachsten Fall wird dieses Band bei perfekter Glaubwürdigkeit der Zentralbankpolitik ausschließlich durch marginale Interventionen am Bandende verteidigt. Während der Erwartungswert der Veränderung der Variablen v analog dem flexiblen Wechselkurs weiterhin gleich Null ist, bilden die Wirtschaftssubjekte in einer Zielzone im Unterschied zum flexiblen Wechselkurs nun Erwartungen über die Veränderung der politikbestimmten Fundamentalvariablen m zur Verteidigung des Währungsbandes. So führen Bewegungen der Fundamentalvariablen in die obere Hälfte des Währungsbandes zu einer Abwertung der heimischen Währung und damit zu einer gestiegenen Wahrscheinlichkeit, daß die Zentralbank in Zukunft das gegebene Wechselkursband an der oberen Grenze durch eine kontraktive Geldpolitik verteidigen wird. Zugleich ist in diesem Fall die Wahrscheinlichkeit gesunken, daß der Wechselkurs in nächster Zeit das untere Bandende erreichen und die Zentralbank mit einer expansiven Geldpolitik intervenieren wird. Der Erwartungswert der Veränderung von m ist daher in den Augen der Wirtschaftssubjekte negativ geworden, wodurch eine Aufwertungserwartung der heimischen Währung entstanden ist. Die Wechselkursrealisation in der Zielzone liegt daher im oberen (unteren) Teil des Wechselkursbandes unterhalb (oberhalb) der Realisation bei perfekt flexiblen Wechselkursen. Je stärker sich der Wechselkurs durch Bewegungen der Fundamentalvariablen einer der beiden Bandgrenzen nähert, desto größer wird der kompensierende Einfluß der Wechselkursänderungserwartungen. Der Zusammenhang zwischen dem Wechselkurs und den Fundamentaldaten folgt nun dem eingezeichneten S-förmigen Verlauf der Kurve TZielzonen-System Allein die Erwartung einer glaubhaften Verteidigung des Wechselkursbandes wirkt sich demnach stabilisierend auf das Verhalten des Wechselkurses im Band aus. Aus der Graphik wird ersichtlich, daß die Wechselkursfunktion an den Bandenden eine Steigung von Null aufweist. Dieses Phänomen ist aus der Optionspreistheorie bekannt als "smooth pasting" und stellt eine Arbitragebedingung dar, derzufolge Assetpreise bei rationalen Erwartungen nur dann zu diskreten Sprüngen fähig sind, wenn neue Informationen bzgl. der Fundamentalvariablen in den Markt gelangen. Da die marginale Zentralbankintervention am Bandende perfekt antizipiert ist, darf diese keinen diskreten Sprung im Wechselkurs erzeugen. Hätte die Wechselkursfunktion z. B. am oberen Bandende ein endliches Anstiegmaß, so würde die Zentralbankintervention zu einem marginalen Aufwertungssprung führen. Rational handelnde Wirtschaftssubjekte könnten dann durch Leerverkäufe der ausländischen Währung unbegrenzte Profite realisieren. - Aus dem Grundmodell folgt neben der stabilisierenden Wirkung von Z.-S. auf das Wechselkursverhalten im Band eine eindeutige und negativ-deterministische Beziehung zwischen der Position des Wechselkurses im Band und dem Differential zwischen dem inländischen und dem ausländischen Zins. So lassen Realisationen des Wechselkurses in der oberen Hälfte des Währungsbandes Aufwertungserwartungen entstehen, die über die ungedeckte Zinsparität einen Zinsnachteil des Inlandes implizieren. Schließlich führt der unterstellte stochastische Prozeß in Verbindung mit dem S-förmigen Verlauf der Wechselkursfunktion zu einer U-förmigen Dichtefunktion des Wechselkurses im Band, mit anderen Worten das Modell impliziert das Wechselkursrealisationen hauptsächlich an den Bandenden auftreten sollten. Empirische Studien haben weder die Nichtlinearität der Wechselkursfunktion und die resultierende U-Förmigkeit der Wechselkursdichtefunktion noch die negativ-deterministische Beziehung zwischen der Position des Wechselkurses im Band und dem Zinsdifferential nachweisen können. Weiterentwicklungen des Grundmodells setzen an den Annahmen der perfekten Glaubwürdigkeit, der ausschließlich marginalen Zentralbankinterventionen und der perfekten Preisflexibilität an. - 3. Modifikationen: a) Imperfekte Glaubwürdigkeit: Wie z. B. die Erfahrungen des EWS zeigen, weisen real existierende Z.-S. oftmals Anpassungen der Paritäten (Realignments) auf. Antizipieren die Wirtschaftssubjekte diese Realignments, so wird das Wechselkursverhalten durch die Interaktion von Realignmenterwartungen und Wechselkursänderungserwartungen im Band bestimmt. Realignmenterwartungen werden hierbei modelliert entweder als exogener stochastischer Prozeß oder endogenisiert als Funktion der Position des Wechselkurses im Band. Im Ergebnis zeigt sich, daß im Falle der imperfekten Glaubwürdigkeit die negativ-deterministische Beziehung zwischen dem Wechselkurs im Band und dem Zinsdifferential tendentiell aufgelöst wird. - b) Intramarginale Interventionen: Verteidigt die Zentralbank ein gegebenes Währungsband nicht nur am Bandende, sondern bereits bei geringeren Abweichungen von der zentralen Parität durch Interventionen, die den Wechselkurs tendentiell in die Mitte des Bandes zurücktreiben ("leaning against the wind"), so spricht man von intramarginalen Interventionen. Bilden die Wirtschaftssubjekte Erwartungen über diese Zentralbankpolitik, so entsteht eine zweite Quelle der Wechselkursstabilisierung in Z.-S. Die Wahrscheinlichkeit einer Verteidigung des Z.-S. am Bandende durch marginale Interventionen sinkt jedoch, so daß die charakteristische Nichtlinearität der Wechselkursfunktion des Grundmodells abgeschwächt wird und die Wechselkursdichtefunktion mitunter ihre U-Förmigkeit verliert. - c) Träge Preisanpassung: Modelle mit perfekter Preisflexibilität können die in real existierenden Z.-S. beobachteten realen Wechselkursschwankungen nicht abbilden. Die daraus resultierenden Misalignments werden aber oftmals für Krisen in Z.-S. verantwortlich gemacht (so z. B. für die EWS-Krisen der Jahre 1992 und 1993). Geht man ab von der Annahme einer perfekten Preisflexibilität und läßt temporäre Ungleichgewichte am Gütermarkt zu, so werden bei Glaubwürdigkeit eines nominellen Z.S. auch die realen Wechselkurse stabilisiert. Es entsteht in Z.-S. mit Preisträgheiten ein Trade-off zwischen dem Grad an realer Wechselkursvariabilität und dem Ausmaß temporärer Gütermarktungleichgewichte.

 

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