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EWS

Europäisches Währungssystem, nach zwei früheren, fehlgeschlagenen Anläufen zur Schaffung einer Währungsunion am 13. 3. 1979 in Kraft getreten.
I. Ziele: Mit seiner Errichtung wurde nicht nur die Absicht verfolgt, dem ins Stocken geratenen Integrationsprozeß neuen Schwung zu verleihen, sondern auch das Entstehen einer Zone der Wechselkursstabilität zu fördern und einen Prozeß zunehmender wirtschaftlicher Konvergenz innerhalb der EG in Gang zu setzen.
II. Grundlegende Merkmale: 1. Der ECU, europäische Währungseinheit. - 2. Die Wechselkursordnung des EWS, Exchange Rate Mechanism (ERM): a) Teilnehmende Länder: Generell alle Mitgliedsländer der Europäischen Gemeinschaften (EG). (Griechenland nimmt am Wechselkursmechanismus des EWS bisher nicht teil). Im Herbst 1992 haben sowohl Italien als auch Großbritannien den Wechselkursmechanismus für ihre Währungen für ungewisse Dauer suspendiert. - b) Funktionsweise: Die teilnehmenden Länder haben bei ihrem Beitritt zum EWS einen zuvor mit den Partnerländern abgestimmten, in ECU definierten Leitkurs ihrer jeweiligen Währung zu erklären. Beiderseits des Leitkurses besteht eine Bandbreite von (im Normalfall) jeweils 2,25% nach beiden Seiten, d. h. insgesamt 4,5%. Für einige Währungen wurde wiederholt schon eine größere Bandbreite als temporäre Ausnahme zugelassen; seit August 1993 beträgt die Bandbreite für unbestimmte Dauer insgesamt 30% (±15%). Bei Erreichen der bilateralen Interventionspunkte (Bandgrenzen) sind die teilnehmenden Zentralbanken verpflichtet, im Wege von Devisenmarktinterventionen die betreffenden Partnerwährungen in unbegrenztem Ausmaß zu kaufen bzw. zu verkaufen, um den Kassakurs innerhalb der geltenden Bandbreite zu stabilisieren. - Vgl. auch Zielzonen-System. - c) Eine währungspolitische Neuheit bei Errichtung des EWS stellte die Vereinbarung des sog. Divergenz-Indikators dar. Dieser zeigt die Abweichung des täglich errechneten ECU-Kassakurses einer Währung von ihrem ECU-Leitkurs an. Durchbricht der Wechselkurs einen Schwellenwert von 75% der Bandbreite (sog. Frühwarnschwelle), so sollen die beteiligten Regierungen und Notenbanken Konsultationen mit dem Ziel aufnehmen, sich auf die Ergreifung gleichgewichtsfördernder Maßnahmen zu verständigen. Ggf. sind Anpassungen des Leitkurses in Form einer Auf- bzw. Abwertung möglich (sog. Realignments). - 3. Das Beistandskredit-System: Die am Wechselkursmechanismus teilnehmenden Notenbanken haben die Pflicht, bei Erreichen eines Interventionspunktes zur Kursstützung in unbegrenzter Höhe in Gemeinschaftswährungen an den Devisenmärkten zu intervenieren. Hierfür steht ein dreistufiges Finanzierungssystem zur Verfügung. a) Sehr kurzfristige Finanzierung: Die zu Interventionszwecken benötigten Partnerwährungen können im Falle nicht ausreichender eigener Währungsreserven zunächst bei den jeweiligen Emissions-Notenbanken automatisch und unbegrenzt als Kredit abgerufen werden. Die in Anspruch genommenen Beträge sind dem Europäischen Fonds für währungspolitische Zusammenarbeit (EFWZ) (seit 1994 dem Europäischen Währungsinstitut (EWI)) zu notifizieren und werden zum Tageswert in ECU umgerechnet auf Konten des EFWZ (EWI) erfaßt. Dadurch werden die Guthaben der Gläubigerzentralbanken für diese multilateral verwendbar. Die im Rahmen der sehr kurzfristigen Finanzierung ausgeliehenen Beträge müssen (seit 1987) spätestens 3,5 Monate nach ihrer Inanspruchnahme an die betreffende Notenbank zurückerstattet sein. Unter bestimmten Voraussetzungen kann diese Frist mit Zustimmung der Gläubigernotenbank zweimal um drei Monate verlängert werden. - b) Kurzfristiger Währungsbeistand: Danach kann erforderlichenfalls auf den kurzfristigen Währungsbeistand zurückgegriffen werden (dieser basiert auf einem Beistands-Abkommen, das bereits im Feb. 1970 zwischen den Zentralbanken der EG-Länder abgeschlossen wurde). Der kurzfristige Währungsbeistand kann nur zur Überbrückung solcher Zahlungsbilanzdefizite gewährt werden, die auf zufälligen Schwierigkeiten oder auf konjunkturellen Phasenunterschieden zwischen den Mitgliedsländern beruhen. - Das maximale Kreditvolumen, das im Rahmen dieses Finanzierungsinstruments vergeben werden kann, beträgt rund 14,7 Mrd. ECU (ca. 27 Mrd. DM). Jede Inanspruchnahme des kurzfristigen Währungsbeistands setzt eine einstimmige Befürwortung durch den Ausschuß der EG-Zentralbank-Präsidenten voraus. Die Mittel werden für drei Monate zur Verfügung gestellt und können danach zweimal um diese Zeitspanne prolongiert werden. Die Verzinsung erfolgt zu Marktkonditionen. - c) Mittelfristiger Beistand: Reicht der zeitliche Spielraum des kurzfristigen Beistands nicht aus, so kann nach Maßgabe einer im Juni 1988 erlassenen Ratsverordnung über ein "einheitliches System" für den mittelfristigen Währungsbeistand ein weiteres Mal umgeschuldet werden. Der im Rahmen dieser Fazilität zu erlangende Zahlungsbilanzkredit wird auf Vorschlag der Europäischen Kommisson nach Anhörung des Währungsausschusses vom Ministerrat mit qualifizierter Mehrheit vergeben und ist mit wirtschaftspolitischen Auflagen verknüpft. Die Laufzeit solcher Darlehen kann zwischen zwei und fünf Jahren betragen. Der Kreditspielraum dieser Fazilität ist auf insgesamt 16 Mrd. ECU (ca. 30 Mrd. DM) begrenzt. Die Verzinsung entspricht der Marktlage.
III. Erfahrungen: Ob und inwieweit das EWS die in seine Errichtung gesetzten Erwartungen erfüllt, ist weithin umstritten. a) Positive Erfahrungen: Im Zeitraum zwischen 1979 und 1995 ist das durchschnittliche Inflationsniveau und auch die innergemeinschaftliche Streuung der nationalen Inflationsraten deutlich zurückgegangen - insbes. nach 1983, als Frankreich einen wirtschaftspolitischen Kurswechsel in Richtung auf eine stärker an der Wahrung der Preisniveaustabilität ausgerichteten Geld- und Finanzpolitik vornahm. Diese Entwicklung hat aber offenkundig auch externe Ursachen (Rückgang der Ölpreise, Wertverlust des Dollar, weltweiter wirtschaftspolitischer Kurswechsel zugunsten der Preisniveaustabilität); im übrigen weisen in der genannten Periode auch die Nicht-EWS-Länder einen deutlichen, z. T. sogar verhältnismäßig stärkeren Rückgang des Inflationstempos auf. Positiv zu bewerten ist auch die enge, im Laufe der Zeit immer weiter intensivierte und verfeinerte Kooperation zwischen den mitgliedstaatlichen Zentralbanken. Auf der anderen Seite ist eine größere Konvergenz hinsichtlich der öffentlichen Verschuldung oder der Zahlungsbilanzentwicklung bisher insgesamt nicht festzustellen. - b) Wiederholte Funktionsstörungen: Seit seiner Errichtung haben rund 20 Realignments der sog. Leitkurse stattgefunden. Seit August 1993 beträgt die Bandbreite für eine noch nicht abzusehende Dauer insgesamt 30%. Die von den Befürwortern behauptete integrationsfördernde Wirkung vermag aus Sicht einer rein wirtschaftstheoretischen Perspektive angezweifelt zu werden und findet auch in der bisherigen Entwicklung des EWS keine überzeugende Stütze. Durch die vom EU-Vertrag angestrebte Europäische Währungsunion (EU 4., 5., 6.) wird das EWS dennoch nicht entbehrlich werden; denn mit sehr großer Wahrscheinlichkeit werden sich nicht alle EU-Länder gleichzeitig für die 3. Stufe der Währungsunion qualifizieren.

 

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