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EWR

Europäischer Wirtschaftsraum. 1. Gegenstand: Freihandelszone zwischen der Europäischen Union (EU) und der Europäischen Freihandels-Assoziation (EFTA) Das EWR-Abkommen sieht neben weitreichenden wechselseitigen Handelspräferenzen auch gewisse Anpassungen der EFTA-Staaten an das EG-Recht vor. - 2. Hintergrund: a) 70er Jahre: Weil die Europäischen Gemeinschaften (EG) seit dem 1. 1. 1973 die ausschließliche handelspolitische Zuständigkeit für den Bereich ihrer Mitgliedstaaten besitzen, wurden zum damaligen Zeitpunkt mehr als 200 bilaterale Freihandelsverträge zwischen der EG und den EFTA-Staaten (als Ersatz für die zuvor bestehenden bilateralen Handlungsverträge) abgeschlossen. Seit ca. 1977 vollzieht sich der größte Teil des Austauschs von gewerblichen Erzeugnissen und Produkten des Montanbereichs zwischen den EG- und den EFTA-Staaten frei von Zöllen und mengenmäßigen Beschränkungen. Daneben kam es zur Reduzierung oder Eliminierung bestimmter nichttarifärer Handelshemmnisse, zur Angleichung technischer Normen sowie zur Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Forschung. - b) 80er Jahre: Weil der größte Teil der Exporte der EFTA-Staaten auf die EG entfällt (1990: zwischen rund 45% und ca. 65%), haben die Fortschritte auf dem Weg zu einem Einheitlichen Binnenmarkt der EG dazu geführt, daß die EFTA-Staaten seit Mitte der 80er Jahre zunehmend von sich aus EG-Recht in ihre nationalen Rechtsordnungen übernommen haben. Seit 1984 wurde sowohl von der EG als auch der EFTA angestrebt, auf verbreiterter institutioneller Basis sich gegenseitig anzunähern. - c) Formale Verhandlungen über die Schaffung des EWR wurden Mitte 1990 aufgenommen. Am 2. 5. 1992 erfolgte die Unterzeichnung des "Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum" durch die EG, ihre zwölf Mitgliedstaaten und die zum damaligen Zeitpunkt der EFTA angehörenden Staaten (Finnland, Island, Liechtenstein, Norwegen, Österreich, Schweden, Schweiz). Die Schweiz hat im Dez. 1992 (Referendum) die Mitwirkung am EWR abgelehnt. Am 1. 1. 1994 ist das EWR-Abkommen in Kraft getreten. Aus Sicht des EG-Rechts handelt es sich beim EWR-Vertrag um ein Assoziierungsabkommen nach Maßgabe von Art. 238 EWG-Vertrag; es besteht aus einem 135 Artikel umfassenden Hauptvertrag, 22 Anhängen, 49 Protokollen, einer Schlußakte sowie einer Reihe von ein- und zweiseitigen Erklärungen der Vertragsparteien. - 3. Ziele und spezifische Merkmale: Zweck des EWR ist die Verwirklichung eines gemeinsamen Wirtschaftsraums, welcher grundsätzlich dem Einheitlichen Binnenmarkt der EG ähneln soll, ohne daß die teilnehmenden EFTA-Staaten der EG beitreten müssen. Die beteiligten EFTA-Staaten haben sich verpflichtet, die vier Grundfreiheiten des EG-Binnenmarkts (freier Waren-, Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr) sowie die Wettbewerbsregeln des E(W)G-Vertrags zu übernehmen. Zu diesem Zweck setzen die EFTA-Staaten innerhalb der vertraglichen Übergangsfristen sehr weitgehend das im Laufe der Zeit gewachsene "sekundäre" EG-Recht (rund 1.400 Rechtsakte; sog. acquis communautaire) in nationales Recht um. Im Zweifel haben für die EFTA-Staaten die EWR-Vorgaben Vorrang gegenüber den entsprechenden Bestimmungen der Stockholmer Konvention (EFTA). Die Grenzkontrollen zwischen der EU und den am EWR beteiligten EFTA-Staaten bleiben jedoch bestehen. Denn in der Handelspolitik gegenüber dritten Ländern bleiben die Vertragspartner autonom. Eine Harmonisierung der Zölle gegenüber der restlichen Welt sowie der indirekten Steuern ist nicht beabsichtigt. Außerdem beinhaltet das EWR-Abkommen (im Unterschied zum EG-Binnenmarkt) keine gemeinsame Agrarpolitik. Ausgeklammert aus dem EWR-Vertrag bleiben weiterhin das Ziel einer gemeinsamen Wirtschafts- und Währungspolitik sowie der Bereich der "Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik". Neben einer Vertiefung der Zusammenarbeit in der Umweltpolitik, in Ausbildungs- und Verbraucherschutzangelegenheiten sowie in Fragen der Sozial- und der Forschungspolitik leisten die EFTA-Staaten Beiträge zur Finanzierung der Entwicklung wirtschaftlich rückständiger EG-Regionen in Griechenland, Irland, Portugal und Spanien (Kohäsionsfonds). - 4. Gemeinsame Rahmenbedingungen: a) Die vier Grundfreiheiten: (1) Freier Warenverkehr: Der Handel mit gewerblichen Waren mit "Ursprung" aus dem EWR-Gebiet erfolgt frei von jedweden Zöllen und Kontingenten. Dagegen bleibt der Handel mit Agrar- und Fischereiprodukten trotz gewisser bilateraler Zugeständnisse weiterhin stark reglementiert. (2) Freiheit des Personenverkehrs: Staatsangehörige der Vertragsstaaten haben das Recht, im gesamten EWR-Raum eine selbständige oder unselbständige Tätigkeit aufzunehmen und auszuüben sowie im Zusammenhang damit ihren Familienwohnsitz zu wählen. Umfangreiche, vorwiegend am EG-Recht orientierte Bestimmungen regeln die Frage der Anerkennung von Hochschuldiplomen und sonstigen berufsqualifizierenden Abschlüssen. (3) Bei der Erbringung von Dienstleistungen unterliegen Staatsangehörige aus den EWR-Staaten den gleichen Rahmenbedingungen wie die jeweiligen inländischen Anbieter. (4) Die im EWR geltende Kapitalverkehrsfreiheit gewährleistet, daß Direktinvestitionen, Portfolio-Investitionen und Kreditgeschäfte im gesamten EWR ohne Einschränkungen getätigt werden dürfen. - b) Die schrittweise Herstellung einheitlicher Wettbewerbsbedingungen im gesamten EWR wird dadurch erreicht, daß die EFTA-Mitgliedsländer sich zur Übernahme des Wettbewerbs- und Beihilfenrechts des EG-Vertrags sowie zur Errichtung einer unabhängigen Behörde zur Überwachung des Wettbewerbs in den EFTA-Staaten verpflichtet haben. - 5. Organe: Die Durchführung des EWR-Vertrags sowie die Überwachung seiner Bestimmungen obliegt einer größeren Anzahl von Institutionen: EWR-Rat (gemeinsames Entscheidungsgremium); gemeinsamer Ausschuß (Joint Committee; geschäftsführendes Organ); Parlamentarischer EWR-Ausschuß (setzt sich paritätisch aus Mitgliedern des Europäischen Parlaments sowie der Parlamente der teilnehmenden EFTA-Staaten zusammen); EWR-Schiedsgericht. - Auf Seiten der EU ist vor allem die Europäische Kommission und der EuGH für die Implementierung des EWR verantwortlich. Auf Seiten der EFTA-Länder wird eine neu einzurichtende unabhängige Behörde mit supranationalem Charakter (EFTA Surveillance Authority) über die möglichst einheitliche Umsetzung und Einhaltung der EWR-Bestimmungen in den EFTA-Staaten wachen; Beschlüsse dieser EFTA-Aufsichtsbehörde werden mit Mehrheit gefaßt und haben unmittelbar Rechtskraft. Zur Klärung von Streitfragen unter den EFTA-Mitgliedern dient ein spezieller EFTA-Gerichtshof. - 6. Heranführung an die EU: Die Gesamtheit der im Abkommen enthaltenen Regelungen macht deutlich, daß der EWR nicht nur der wechselseitigen außenwirtschaftlichen Liberalisierung, sondern auch der Vorbereitung der EFTA-Staaten auf einen etwaigen späteren Beitritt zur Europäischen Union dienen soll. Ein formelles Mitentscheidungsrecht der EFTA-Staaten hinsichtlich der Weiterentwicklung des EG-Rechts besteht weiterhin nicht. Drei der an der Errichtung des EWR beteiligten EFTA-Staaten (Finnland, Österreich, Schweden) sind am 1. 1. 1995 Mitglieder der EU geworden.

 

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