Wirtschaftslexikon - Enzyklopädie der Wirtschaft
lexikon betriebswirtschaft Wirtschaftslexikon lexikon wirtschaft Wirtschaftslexikon Suche im Wirtschaftslexikon
A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z
 
 
 

Logistik

I. Begriff: Definitionsversuche des Begriffs "Logistik" lassen sich in der betriebswirtschaftlichen und ingenieurwissenschaftlichen Logistikliteratur zahlreich finden. Sie beziehen sich häufig auf Definitionen von nationalen und internationalen Logistikgesellschaften (z. B. Council of Logistics Management, CLM; Society of Logistics Engineers, SOLE; European Logistics Association, ELA). Als Beispiel sei hier die Definition des CLM angeführt: "Logistics is the term describing the process of planing, implementing, and controlling the efficient, cost effective flow and storage of raw materials, in-process inventory, finished goods, and related information from point of origin to point of consumption for the purpose of conforming customer requirements." Gemeinsam ist diesen Definitionsansätzen der einseitige Bezug auf die Logistik von Unternehmen, insbes. von Industrieunternehmen. Sie stellen deshalb nahezu ausschließlich Definitionen des Begriffs "Unternehmenslogistik" dar. - Daneben stehen in neuester Zeit Versuche nationaler und internationaler Normungsgesellschaften, den Begriff Logistik allgemein, d. h. nicht eingeschränkt auf Unternehmenslogistik, zu definieren. Neben den Aktivitäten des DIN (DIN 69 906, Entwurf) und anderer nationaler Normungsgesellschaften sind die Bemühungen des Comité Européen de Normalisation (CEN) zum Entwurf einer europäischen Norm zur Basisterminologie der Logistik besonders bemerkenswert. Obwohl die Diskussion auf europäischer Ebene noch nicht abgeschlossen ist, wird Logistik innerhalb der Arbeitsgruppen des CEN als "the planning, execution and control of the movement and placement of people or goods, and of the supporting activities related to this movement and placement, within a system organized to achieve specific objectives" verstanden. - Diese sehr allgemeine Definition deckt den Inhalt des Logistikbegriffs sowohl in seiner Verwendung in den Wirtschaftswissenschaften, der Verkehrswissenschaft und den Ingenieurwissenschaften als auch in der betrieblichen Praxis und dem Militär ab. Daneben wird der Begriff "Logistik" noch in anderem Sinnzusammenhängen benutzt. Er kennzeichnet ebenso ein Teilgebiet der Logik und eine bestimmte Klasse von Exponentialfunktionen.
II. Konzeption: Die angeführte Definition des CEN erklärt "Logistik" nur als Sammelbegriff für verschiedene Tätigkeiten, die in Verbindung mit Transport- und Lagervorgängen durchgeführt werden. Dies wird dem Anspruch, mit der Logistik läge eine neue betriebswirtschaftliche Konzeption vor, nicht gerecht. Anliegen der betriebswirtschaftlichen Autoren war von Beginn an der Entwurf der Logistik als ein Ansatz zur Koordination verschiedener betrieblicher Teilbereiche, denen ein hohes Maß an Interdependenz zugemessen wurde, die allerdings dennoch die betriebliche Praxis isoliert betrachtete. Um das Wesen der betriebswirtschaftlichen Logistik und ihrer Bedeutung zu ergründen, ist neben der Definition des Begriffs "Logistik" eine Umschreibung der Logistikkonzeption nötig. - Grundlegend für die Logistikkonzeption ist das Systemdenken. Dieses fordert die Anwendung des Systemansatzes der Betriebswirtschaftslehre (systemorientierte Betriebswirtschaftslehre) auf den Funktionsbereich Logistik Ein System wird als Logistiksystem bezeichnet, wenn dessen primäres Ziel die Erstellung einer logistischen Leistung ist. Mit der Anwendung des Systemansatzes wird der Forderung der Logistikkonzeption nach einer geschlossenen und ganzheitlichen Betrachtung der Logistik entsprochen. Dies erfordert eine Abstimmung und Integration der einzelnen logistischen Elemente sowohl auf der Durchführungs- als auch auf der Planungs- und Steuerungsebene. Von besonderer Wichtigkeit ist dabei die Realisierung eines durchgängigen Logistikinformationssystems (Logistikinformationssystem, Computer Integrated Logistics (CIL)). Mit der funktionalen Integration sollte auch die organisatorische Integration einhergehen, d. h. die Zusammenfassung der logistischen Aktivitäten in einer Organisationseinheit. - Aus der Systembetrachtung können drei weitere Grundelemente der Logistikkonzeption abgeleitet werden: Das Totalkostendenken, das Servicedenken und das Effizienzdenken. Die Logistikkosten (Logistikkostenrechnung) sind ein Indikator für den Input des Logistiksystems. Der Lieferservice kennzeichnet den Output des Systems. - Aus der Interdependenz einzelner logistischer Elemente bzw. Subsysteme folgt die Interdependenz der Kosten, die von diesen verursacht wird. Die Logistikkonzeption verlangt deshalb bei Veränderungen von Prozessen oder Strukturen der Teilsysteme die Betrachtung aller relevanten, d. h. durch den Eingriff betroffenen Logistiksysteme und der dort anfallenden Kosten (Totalkostendenken). Hierdurch soll statt einer Bereichsoptimierung einzelner logistischer Subsysteme, z. B. des außerbetrieblichen Transports, eine Gesamtoptimierung des Logistiksystems erreicht werden. Dieser Vorgang ist durch eine Reihe von Kostenkonflikten gekennzeichnet. So kann z. B. eine Kürzung der Sicherheitsbestände in den Außenlagern (Lagerhaltungskosten werden gesenkt) zu einem Ansteigen der Kosten für Eiltransporte ab Fabriklager führen. - Analog zu den Kosten ergibt sich die Leistung des Logistiksystems, der Lieferservice, nicht aus den Einzelleistungen der Subsysteme, sondern aus einem Zusammenspielen aller Systemelemente (Servicedenken). Der Lieferservice setzt sich aus den Komponenten Lieferzeit, Lieferzuverlässigkeit, Lieferungsbeschaffenheit und Lieferflexibilität zusammen. Besteht die Logistikleistung in der Materialversorgung einer nachgeordneten Produktionsstufe, kann auch von Versorgungsservice gesprochen werden. Am Beispiel der Lieferzuverlässigkeit wird der Einfluß des Systemdenkens der Logistik besonders deutlich. Die Lieferzuverlässigkeit wird nicht nur durch die Schwankungen der Transportzeit, sondern durch die Zuverlässigkeit aller anderen logistischen Teilsysteme bestimmt. So wirken sich z. B. auch die Schwankungen der Zeiten für Verpackungs- und Kommissionierprozesse und insbes. der Lieferbereitschaftsgrad auf die Lieferzuverlässigkeit aus. Die Ursachen für zeitliche Schwankungen können aber auch außerhalb des Logistiksystems, z. B. in der Produktion liegen. Bei einer konsequenten Anwendung des Systemdenkens müssen die Einflüsse bei der Gestaltung von Logistiksystemen mit berücksichtigt werden. - Die Verbindung von Totalkostendenken und Servicedenken führt zum Effizienzdenken. Die Effizienz eines Logistiksystems kann auf der technologischen Ebene durch die Produktivität, auf der ökonomischen Ebene durch die Rentabilität bemessen werden. Auch hier wird im Sinne des Systemdenkens nicht eine einseitige Optimierung der Kosten oder der Leistungen angestrebt, sondern eine Abstimmung beider Zielgrößen. Mit wachsendem Lieferserviceniveau werden die Logistikkosten überproportional steigen, so daß ein Lieferservicegrad von 100% nicht optimal sein wird. Dagegen fallen für einen niedrigen Servicegrad nur geringe Logistikkosten an, dieser wird jedoch, wenn er zu klein ist, zu Umsatzausfällen bzw. Stillstandszeiten in der Produktion führen.
III. Logistik als betriebliche Funktion und Teilgebiet der Betriebswirtschaftslehre: Legt man eine funktionale Betrachtung des Betriebes zugrunde, so kann dieser in die Grundfunktionen Beschaffung, Produktion und Absatz gegliedert werden. Aus der Sichtweise der Logistik als Konzeption zur Koordination und Integration verschiedener betrieblicher Teilbereiche leitet sich die Entstehung einer eigenständigen betriebswirtschaftlichen Teilfunktion ab, die als Querschnittsfunktion die Grundfunktionen durchdringt. Querschnittsfunktionen überlagern die Grundfunktionen und bilden Schnittstellen. Daraus folgt die Notwendigkeit einer Funktionenlehre "Logistik" als spezielle Betriebswirtschaftslehre. Aufgabe der Funktionenlehre "Logistik" ist die Entwicklung deskriptiver und explikativer Theorien zum ökonomischen Aspekt der betrieblichen Logistik und der Weitergabe dieser Erkenntnisse an die betriebliche Praxis. - Die wissenschaftliche Beschäftigung mit Logistik und deren betriebliche Umsetzung führt allerdings neben betriebswirtschaftlichen auch zu ingenieurwissenschaftlichen, volkswirtschaftlichen und verkehrswissenschaftlichen Fragestellungen. Logistik ist deshalb ein interdisziplinäres Fachgebiet. Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich primär auf wirtschaftswissenschaftliche Aspekte, die jedoch i. d. R. nur im Zusammenhang mit den anderen Wissenschaftsdisziplinen gesehen werden können.
IV. Gliederung: Die Logistikkonzeption fordert die ganzheitliche Betrachtung der logistischen Aufgaben und deren Schnittstellen zu anderen betrieblichen und überbetrieblichen Systemen. Um die gesamte Breite des Forschungsgebietes und damit den Einflußgrad logistischer Aspekte auf andere betriebs- und volkswirtschaftliche Systeme abschätzen zu können, ist eine Zerlegung der Logistik in einzelne Subsysteme notwendig. - Eine Institution kann als Einrichtung zur Koordination von Teilaufgaben bezeichnet werden. Die grundlegendste institutionelle Gliederung in logistische Subsysteme kann durch die Unterscheidung in makro-, meta- und mikrologistische Systeme gewonnen werden. Makrologistiksysteme bestehen auf der Aggregationsebene von Volkswirtschaften bzw. der Weltwirtschaft. Ein Beispiel ist das Linienschiffverkehrssystem mit den Schiffahrtskonferenzen als Regelungsinstanz. Auf der Mikroebene sind die Logistiksysteme von einzelnen Organisationen, insbes. von Einzelwirtschaften angesiedelt. Metalogistiksysteme stellen eine Zwischenstufe dar und umspannen die Logistiksysteme mehrerer Einzelwirtschaften. Ein Beispiel dafür sind die zahlreichen Kooperationen zwischen Verkehrsunternehmen und Verladern. - Im Rahmen einer betriebswirtschaftlichen Logistik werden primär meta- und mikrologistische Systeme von Einzelwirtschaften betrachtet. Makrologistische Systeme stellen dagegen nur Rahmenbedingungen der einzelwirtschaftlichen Aktivität dar. Eine Untergliederung der Mikrologistik ist in Logistiksysteme von Sachleistungs- und Dienstleistungsunternehmen sowie von Haushalten möglich. Primärer Untersuchungsgegenstand betriebswirtschaftlicher Forschung waren bisher die logistischen Systeme von Industrie- und Handelsunternehmen sowie als Gesamtunternehmen die Logistikdienstleister (Logistikunternehmen), deren Hauptaufgabe die Erstellung logistischer Leistungen ist. - Bereits in der Definition der Logistik ist eine objektorientierte Unterscheidung in Güter und Menschen vorgenommen. Die Beachtung der Objekte ist dann besonders wichtig, wenn diese aufgrund ihrer Besonderheiten erweiterte Anforderungen an die Logistik stellen. Bei Menschen im Gegensatz zu Gütern als Objekten logistischer Aktivitäten ist dieser Aspekt unmittelbar einsichtig. Aber auch Güter können spezifische Anforderungen haben und deshalb besondere Logistiksysteme erfordern. Beispiele dafür sind die Ersatzteillogistik, die Gefahrgutlogistik oder die Logistik lebender Tiere. - Eine weitere Gliederung, die schon in der Definition der Logistik angedeutet wird, ist die Unterscheidung nach den dispositiven Aufgaben (Managementfunktionen) Logistikplanung, -kontrolle, -organisation, -führung und Führungskräfteentwicklung für die Logistik (Logistikplanung, Logistik-Controlling, Logistikorganisation). Daneben bietet sich eine Gliederung nach den operativen Logistikaufgaben an. Dabei können als Hauptaufgaben der innerbetriebliche und außerbetriebliche Transport (Transport), die Lagerhaus- und die Lagerhaltungsfunktion (Lagerhaus, Lagerhaltung) sowie als unterstützende Aufgaben die Verpackung, die Kommissionierung, der Umschlag und die Signierung unterschieden werden. Beide aufgabenorientierten Untergliederungen können kombiniert werden. Gegenstand der Betrachtung wäre dann die Planung der Lagerung oder die Organisation der Kommissionierung. - Eine verbreitete Gliederung erfolgt nach den Phasen im Objektefluß. Häufig wird diese für das Industrieunternehmen vorgenommen. Unterschieden wird dann nach den Güterflußphasen in Beschaffungslogistik, Produktionslogistik und Distributionslogistik. - Vgl. auch internationale Logistik.


Literatur: Ballou, R., Basic Business Logistics. Transportation, Materials Management, Physical Distribution, 2. Aufl., Englewood Cliffs 1987; Bowersox, D./Closs, D./Helferich, O., Logistics Management. A Systems Integration of Physical Distribution, Manufacturing Support, and Materials Procurement, 3. Aufl., New York 1986; Brauer, K. M./Krieger, W., Betriebswirtschaftliche Logistik, unveränd. Nachdr. der 1. Aufl. von 1982, Berlin 1991; Coyle, J./Bardi, E./Langley, J., The Management of Business Logistics, 4. Aufl., St. Paul u. a. 1988; Ihde, G. B., Transport, Verkehr, Logistik. Gesamtwirtschaftliche Aspekte und einzelwirtschaftliche Handhabung, 2. Aufl., München 1991; Jünemann, R., Materialfluß und Logistik. Systemtechnische Grundlagen mit Praxisbeispielen, Berlin u. a. 1989; Pfohl, H.-Ch., Logistiksysteme. Betriebswirtschaftliche Grundlagen, 4. Aufl., Berlin u. a. 1990; Shapiro, R./Heskett, J.: Logistics Strategy. Cases and Concepts, St. Paul u. a. 1985; Stock, J./Lambert, D., Strategic Logistics Management, 2. Aufl., Homewood, Ill. 1987.

 

<< vorheriger Begriff
nächster Begriff>>
logisches Datenmodell
Logistik-Controlling

 

Diese Seite bookmarken :

 
   

 

  Weitere Begriffe : landesüblicher Zinsfuß | mitteleuropäische Zeit (MEZ) | Nettoeinkommen | Letztverbraucher | Rivalität im Konsum
wiki wirtschaft

Thematische Gliederung | Unser Projekt | Impressum