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polypolistische Preisbildung

bezieht sich auf die Situation des beiderseitigen Polypols, d. h., es werden zahlreiche Anbieter und Nachfrager vorausgesetzt. Je nachdem, ob der Markt homogen oder heterogen ist, ergeben sich unterschiedliche Preisbildungsmodelle. 1. Preisbildung im homogenen Polypol: Die Preisbildung im homogenen Polypol wird meist am Beispiel der vollkommenen Konkurrenz dargestellt, die wegen der unterstellten atomistischen Struktur ("Tropfenangebot" bzw. "Tropfennachfrage") - was eine sehr hohe Zahl von Teilnehmern impliziert - lediglich den Grenzfall des homogenen Polypols markiert. Dies ist zulässig, weil damit die weniger extrem ausgeprägten Fälle der Tendenz nach miterfaßt werden. - Bei einer atomistischen Struktur sind die Marktanteile so gering, daß der einzelne Anbieter (oder Nachfrager) praktisch keinen Einfluß auf die Höhe des Marktpreises besitzt, der folglich als Datum betrachtet wird. Aktionsparameter ist demnach die angebotene bzw. nachgefragte Menge, weshalb auch von Mengenanpassern gesprochen wird. Institutionell bedeutet dies, daß ein Börsenauktionator (Totalanalyse) vorhanden sein muß, der den Preis "bewegt". (Fehlt ein solcher, müssen Anbieter und Nachfrager ihn selbst verändern, d. h., sie sind dann keine strikten "Mengenanpasser" mehr. Außerdem ist dann im allgemeinen der Preis nicht mehr einheitlich, so daß ein temporär unvollkommener Markt vorliegt. Näherungsweise kann das Mengenanpasser-Modell jedoch auch hier angewendet werden). - Wie Anbieter und Nachfrager auf wechselnde Preise mengenmäßig reagieren, hängt von den individuellen Angebots- und Nachfragefunktionen ab. Letztere ergeben sich aus den Wirtschaftsplänen der Haushalte und zeigen, daß die mengenmäßige Nachfrage ceteris paribus bei steigendem Marktpreis abnimmt. Umgekehrt steigt die angebotene Menge eines Unternehmer-Mengenanpassers, wenn der Marktpreis steigt. - Gewinnmaximierung führt in diesem Fall zu der Bedingung Grenzkosten = Marktpreis, d. h., der Mengenanpasser paßt sich entlang seiner Grenzkostenkurve an. Steigen die Grenzkosten nicht an, sind sie etwa konstant, so wird bis zur Kapazitätsgrenze produziert. (Im Falle abnehmender Grenzkosten kommt es zu Ausscheidungsprozessen in Richtung Oligopol oder Monopol). - Da ein homogener Markt vorliegt, können Angebots- und Nachfragemengen der Anbieter bzw. Nachfrager addiert werden, kann also zur aggregierten oder Marktbetrachtung übergegangen werden (horizontale Addition). Damit ergeben sich folgende Konstellationen (für steigende bzw. konstante Grenzkosten; die "Stufenlänge" im zweiten Falle bezeichnet die jeweiligen Kapazitäten; vgl. Abbildung 1).
Man sieht, daß sich Marktpreis und -menge aus dem Schnittpunkt von Angebots- und Nachfragefunktion ergeben. Mengenanpasser, die gerade noch zum Zuge kommen, werden als Grenzanbieter bzw. Grenznachfrager bezeichnet. Die intra-marginalen Anbieter produzieren mit Gewinn (Differentialgewinne). Deutlich wird, daß die Höhe des sich bildenden Marktpreises abhängig ist von den Präferenzen der Nachfrager, der Produktivität bzw. den Kosten und den Kapazitätsentscheidungen der Anbieter. - 2. Preisbildung im heterogenen Polypol: Sie vollzieht sich ganz analog zum heterogenen Oligopol bei polypolistischer Verhaltensweise, nur daß hier die Zahl der Anbieter größer ist. Auch die hier dargestellten Preisbildungsmodelle der monopolistischen Konkurrenz (Chamberlin) einerseits und des Ansatzes von Gutenberg andererseits, lassen sich mit dem dort benannten Instrumentarium angehen. - In der Bezeichnung "monopolistische Konkurrenz" kommt zunächst - ähnlich wie im Begriff "unvollkommene Konkurrenz" (J. Robinson) - die Heterogenität der gehandelten Produkte zum Ausdruck: Die Preisabsatzfunktion verläuft nicht - wie im Mengenanpasser-Fall des homogenen Markts - parallel zur Abszisse (wegen p = ), sondern - wie beim Monopol - fallend. Zum anderen besteht aber gerade kein echtes Monopol, sondern heftige Konkurrenz (freier Marktzutritt, zahlreiche Anbieter). Da die Produkte heterogen sind, verbietet sich eine Aggregation wie unter 1.; außerdem sind die Preise selbst im Gleichgewicht i. a. verschieden. Dennoch kann man unter bestimmten Annahmen den Sachverhalt graphisch erfassen (vgl. Abbildung 2). Senkt Anbieter i seinen Preis, steigt die Nachfrage entlang der Preisabsatzfunktion dd an, wenn alle übrigen Anbieter ihren Preis nicht verändern. Senken jedoch alle Anbieter ihren Preis im gleichen Ausmaß, steigt die nachgefragte Menge schwächer an, nämlich entlang der Funktion DD. Die Preissetzung der Firma i als der "repräsentativen Firma" orientiert sich im Falle der monopolistischen Konkurrenz an der Kurve dd. Kommt es dabei zu Gewinnen, so werden zusätzliche Anbieter angelockt, und zwar so lange, bis Gewinnlosigkeit eintritt. Dann ergibt sich der Chamberlinsche Tangentenfall, d. h., die Kapazitäten werden suboptimal genutzt. Diese Argumentation läßt sich jedoch nicht halten, weil die Produktionsprozesse der Unternehmen und die Kosten bei Heterogenität der Produkte ebenso unterschiedlich ausfallen werden wie die in einer solchen Situation notwendigen Werbungskosten, so daß ganz unterschiedliche Gewinne bei den Anbietern entstehen können. Außerdem kommen schon wegen der Werbungskosten sunk costs ins Spiel, die den Markteintritt abbremsen. Schließlich hat E. Heuß zu Recht darauf hingewiesen, daß für "Übersetzung" und "Typeninflation" in einer Branche nicht die Heterogenität des Marktes, sondern die oligopolistische Verhaltensweise verantwortlich ist. - Eine gewisse Verwandtschaft mit Chamberlins dd-Kurve weist die doppelt geknickte Preisabsatzfunktion Gutenbergs auf (vgl. Abbildung 3). Die Heterogenität der Produkte drückt sich hier in einem monopolistischen Bereich aus. Erst wenn der obere Grenzpreis po überschritten wird, kommt es zu starker Abwanderung der Kunden; erst wenn der untere Grenzpreis pu unterschritten wird, kommt es zu stärkerer Zuwanderung. Preisdifferenzen müssen also in jedem Falle groß genug sein, um die Bindung der Kunden, die sich in der Existenz des relativ unelastischen Bereichs der Preisabsatzfunktion manifestiert, zu lockern. Die relativ starke Zuwanderung, die bei einer Preissenkung unterhalb des unteren Grenzpreises eintritt, erklärt sich aus der Existenz zahlreicher anderer Anbieter: Da aber alle nur wenig Nachfrage verlieren, bleibt die jeweilige Wirkung unterhalb der Schwelle der Fühlbarkeit. Hierin drückt sich der "Polypolismus" des Marktes aus. - Im Falle der doppelt geknickten Preisabsatzfunktion können - bedingt durch die sprunghafte Veränderung der Grenzerlös-(GE)-Kurve - mehrere lokale Gewinnmaxima auftreten, von denen das mit dem größten Gewinn ausgewählt wird.
Literatur: Fehl, U./Oberender, P., Grundlagen der Mikroökonomie, 6. Auflage, München 1994; Heuß, E., Allgemeine Markttheorie, Tübingen-Zürich 1965; Wied-Nebbeling, S., Markt- und Preistheorie, 2. Aufl., Berlin u. a. 1994.

 

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