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Gestaltungsprinzipien der Sozialpolitik

Gestaltungsprinzipien der Sozialpolitik d. S. sind die mit einzelnen Zielen oder mit der Gesamtheit der relevanten gesellschaftlichen Oberziele konformen Regeln für die Gestaltung der Institutionen und die Auswahl der Mittel in der Sozialpolitik. 1. Prinzip der Selbstverantwortlichkeit: a) Im Rahmen einer freiheitlichen Sozialpolitik in der Sozialen Marktwirtschaft hat das Prinzip der Selbstverantwortlichkeit der einzelnen Person Vorrang vor anderen Gestaltungsprinzipien, die diese Freiheitlichkeit und Selbstverantwortung ergänzen oder einschränken. - b) Mit diesem Grundprinzip der Sozialpolitik steht eine Reihe von weiteren Gestaltungsprinzipien in einem engen Zusammenhang: (1) Das Individualprinzip, nach dem Sozialpolitik auf den einzelnen Bürger oder die Familie bezogen ist und nicht auf Kollektive (z. B. Volk, Klasse); (2) das Äquivalenzprinzip, durch das der Grundsatz des "do ut des" und die Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung im Tausch auch auf sozialpolitische Institutionen übertragen wird, indem eine (Grund-) Äquivalenz von Beitrag und Leistung sowie von Beitrag und Risiko bzw. Erwartungswert des Schadens (Risikoäquivalenz) eingehalten und eine reine Beitragsfinanzierung von Sozialleistungen vorgenommen wird; (3) das Versicherungsprinzip, bei dem das marktwirtschaftliche Prinzip der Versicherung eines Schadensrisikos nach dem Gesetz des Risikoausgleichs bei einer großen Zahl von Risikoträgern innerhalb eines Versichertenkollektivs (Schadensgemeinschaft) nach dem Grundsatz der Risikoäquivalenz von Beitrag und individuellem Risiko übernommen wird. - 2. Solidaritätsprinzip: a) Begriff: Dem Prinzip der Selbstverantwortlichkeit wird in der Regel das Solidar- oder Solidaritätsprinzip gegenübergestellt. Geht man jedoch gem. der Herkunft dieses Prinzips aus der christlichen Soziallehre davon aus, daß sich der Einzelne als Persönlichkeit nur in verschiedenen Formen der menschlichen Gemeinschaft entfalten kann, dann ergänzt das Solidarprinzip die Selbstverantwortlichkeit des Einzelnen (für sich und die Seinen) nur um die andere Seite der Personalität des Menschen mit der Verantwortung der Einzelperson für die Gemeinschaft. - Die in der Tradition der Arbeiterbewegung allen Arbeitnehmern zugeschriebene Solidarität wird in der staatlichen Institution der Sozialversicherung auch auf die Versichertengemeinschaft übertragen, die heute durch eine weitgehende Differenzierung, Pluralität und Anonymität gekennzeichnet ist. Im Rahmen eines Sozialvertrags (Theorie der Sozialpolitik) könnte das Solidarprinzip jedoch nur insoweit zur Anwendung kommen, als die Einstellung der Solidarität bei dem betroffenen Kollektiv auch tatsächlich relevant ist. - b) Als Gestaltungsprinzip auf der instrumentellen Ebene bezeichnet das Solidarprinzip die Inanspruchnahme Einzelner für Aufgaben der Gemeinschaft und das Eintreten der Gemeinschaft für die gesellschaftlich Schwachen. Mit dem Solidarprinzip sind also Abweichungen vom Äquivalenzprinzip und interpersonelle Umverteilung (vgl. auch Verteilungspolitik) verbunden, was sich meist auch in einer Mischfinanzierung aus Beiträgen und allgemeinen Steuermitteln niederschlägt. Solidarische Leistungen kann die Gemeinschaft (1) nach dem Versorgungsprinzip für eine gesellschaftliche Leistung, z. B. für die Dienste als Beamter oder für den Kriegsdienst, die als Vorleistung die Gegenleistung begründet, oder (2) nach dem Fürsorgeprinzip gewähren, wenn ohne eine entsprechende Vorleistung für Mitglieder in Notlagen das soziokulturelle Existenzminimum (nach dem Finalprinzip der Herstellung eines bestimmten Endzustandes) durch Fremdhilfe (seitens der Gemeinschaft) gewährleistet werden soll. - 3. Subsidiaritätsprinzip: Die Abwägung von Selbstverantwortlichkeit und solidarischer Hilfe durch die Gemeinschaft wird durch das in der christlichen Soziallehre entwickelte Subsidiaritätsprinzip (Subsidiarität) ermöglicht. Das Subsidiaritätsprinzip als Kompetenzabgrenzungsregel zwischen Bürger und den verschiedenen Ebenen des Staates kann auch als Grundregel der Sozialpolitik in einer freiheitlichen Gesellschaftsordnung verstanden werden. Nach der Darstellung dieses Prinzips bei Oswald von Nell-Breuning, beinhaltet die Subsidiarität zunächst die Verpflichtung des Staates zu einer Vorleistung für die Entwicklung der Selbstverantwortlichkeit und Selbsthilfefähigkeit (Startchancen). Das Subsidiaritätsprinzip verlangt dann die Nichteinmischung und Zurückhaltung gegenüber der Freiheit und Selbstverantwortlichkeit der Einzelnen bzw. der Familien. Schließlich beinhaltet das Subsidiaritätsprinzip die (im allgemeinen Sprachgebrauch einseitig betonte) nachrangige Hilfe für den Einzelnen durch die Gemeinschaft (größere gesellschaftliche Gliederungen, Staat) nach Ausschöpfung der Selbsthilfe.

 

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