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betriebliche Ruhegeldverpflichtung

Direktzusage, Pensionszusage, Versorgungszusage, eine Gestaltungsform der betrieblichen Altersversorgung. - Die Ansprüche des Versorgungsempfängers richten sich im Versorgungsfall gegen den Arbeitgeber.
I. Rechtsgrundlagen: Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, ohne einen besonderen Rechtsgrund Versorgungsleistungen zu erbringen. - Als Rechtsgrundlagen kommen folgende Verpflichtungstatbestände in Betracht: 1. Einzelvertrag: Die Versorgungszusage ist grundsätzlich an keine Form gebunden. Für die Verpflichtung aus einer Pensionszusage darf der Arbeitgeber eine steuermindernde Rückstellung bilden, wenn der Arbeitnehmer bzw. dessen Hinterbliebene einen Rechtsanspruch auf einmalige oder laufende Versorgungsleistungen haben, die Pensionszusage keinen steuerschädlichen Vorbehalt enthält und schriftlich erteilt worden ist (§ 6 a I EStG) - 2. Gesamtzusage oder vertragliche Einheitsregelung: Der Arbeitgeber kann seinen Willen, Ruhegeld unter bestimmten Voraussetzungen zu gewähren, auch durch einseitige Erklärung an die Belegschaft zum Ausdruck bringen (Pensionsordnung, Ruhegeldordnung, Versorgungsordnung, Ruhegeldrichtlinien u. ä.). Unstreitig verpflichten derartige Erklärungen den Arbeitgeber. - 3. Kollektivvertrag: Ruhegeldregelungen werden häufig in Betriebsvereinbarungen getroffen, vereinzelt auch in Tarifverträgen. Soweit eine tarifvertragliche Regelung besteht, ist bei fehlender Öffnungsklausel für die Betriebspartner der Abschluß von Betriebsvereinbarungen ausgeschlossen (§ 77 III BetrVG). - 4. Betriebliche Übung (§ 1 I 4 Betriebsrentengesetz) oder Gleichbehandlung (§ 1 I 4 Betriebsrentengesetz): Aus arbeitsrechtlichen Normen resultierende Verpflichtung. Ruhegeldverpflichtungen auf der Grundlage der betrieblichen Übung oder des Gleichbehandlungsgrundsatzes werden nach dem EStG als nicht rückstellungsfähig (Pensionsrückstellungen) bezeichnet. Um so entstandene Verpflichtungen dennoch in der Steuerbilanz ausweisen zu können, müssen die betreffenden Unternehmen eine steuerlich anerkannte Grundlage insbes. durch eine schriftliche Direktzusage oder eine Betriebsvereinbarung schaffen. - Für die Ausgestaltung des Ruhegeldanspruchs gelten die zwingenden Vorschriften des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung vom 19. 12. 1974 (BGBl I 3610) m. spät. Änd. über Unverfallbarkeit, Auszehrungsverbot, flexible Altersgrenze, Insolvenzversicherung, Anpassung (Betriebsrentengesetz (BetrAVG)). Abweichung z. T. in Tarifverträgen zulässig (§ 17 III Betriebsrentengesetz). - Widerrufsvorbehalte: Vgl. Widerruf III. - Die Mitbestimmung des Betriebsrats bei b. R. richtet sich nach § 87 I Nr. 10 BetrVG. Dabei sind die Einschränkungen zu beachten, die sich daraus ergeben, daß es sich um eine freiwillige soziale Leistung handelt - insb. keine Mitbestimmung über den Datierungsrahmen, d. h. den Gesamtaufwand.
II. Finanzierungsmöglichkeiten: Der Arbeitnehmer kann an der Finanzierung nicht beteiligt werden, es sei denn im Rahmen einer Barlohnumwandlung. Für den Arbeitgeber gibt es verschiedene Wege: 1. Deckungsloses Zahlungsverfahren (Umlageverfahren): Keine Pensionsrückstellungen. Die Versorgungsleistungen werden erst bei Auszahlung zu Lasten des Geschäftsjahres verbucht. Während der Anwartschaftszeit keine Belastung mit Versorgungsaufwand. Deckungsmittel sind weder für Anwartschaften noch für bereits bestehende Rentenverpflichtungen angesammelt. Kein Finanzierungseffekt für das Unternehmen. - 2. Kapitaldeckungsverfahren: Das Unternehmen bildet die Rückstellung erst zum Zeitpunkt des Rentenbeginns, und zwar in Höhe des Barwerts der Rentenverpflichtung. Diese Einmalzuführungen belasten das betreffende Geschäftsjahr relativ stark. Deckungsmittel besitzt das Unternehmen nur für die Versorgungsanprüche, nicht für die Anwartschaften. - 3. Anwartschaftsdeckungsverfahren: Das Unternehmen bildet bereits während des Anwartschaftszeitraumes Rückstellungen. Der zum Zeitpunkt des Versorgungsfalles erforderliche Betrag wird nach einem versicherungsmathematischen Verfahren auf diesen Zeitraum verteilt. Während der Anwartschaft sind die Geschäftsjahre anteilig mit "Versorgungsaufwand" belastet. Bei ausreichender Rückstellung erfolgt die Zahlung der Versorgungsleistung erfolgsneutral (Pensionsrückstellungen III 4 und 5). Einer periodengerechten Zurechnung der Versorgungsaufwendungen als "Versorgungslohn" wird dieses Verfahren mehr gerecht als die anderen. Vermögen zur Finanzierung der Verpflichtungen besitzt das Unternehmen sowohl für die Ansprüche als auch für die Anwartschaften (Finanzierungseffekt für das Unternehmen am größten). Durch das Bilanzrichtlinien-Gesetz (BiRiLiG) vom 19. 12. 1985 (BGBl I 2355) wurde für einen bestimmten Adressatenkreis das Passivierungswahlrecht wesentlich eingeschränkt. Für die von diesen Arbeitgebern nach dem 31. 12. 1986 erteilten unmittelbaren Zusagen ist das Anwartschaftsdeckungsverfahren verpflichtend (Passivierungspflicht). - 4. Rückdeckung: Rückdeckungsversicherungen (Lebensversicherung VIII 2) sind auch den Finanzierungsverfahren zuzurechnen, da das Unternehmen im Versorgungsfall die erforderlichen Mittel vom Versicherer erhält; die Prämienzahlung ist eine Art der Vorausfinanzierung. Sie sind vor allem ein Mittel der Risikopolitik des Unternehmens und können bei jedem der drei anderen Verfahren eingesetzt werden.
III. Steuerliche Behandlung: 1. Beim Unternehmer: vgl. Pensionsrückstellungen III und IV. - 2. Beim Arbeitnehmer und Versorgungsempfänger: Keine steuerliche Be- und Entlastung während der Anwartschaftszeit. Erst bei Zahlung der Leistung wird die Einnahme (Rente oder Kapital) abzüglich des Versorgungsfreibetrags als Arbeitslohn erfaßt. Es spielt dabei keine Rolle, ob sie dem Arbeitnehmer oder seinen Hinterbliebenen zufließt. Der Versorgungsfreibetrag beträgt 40% der Versorgungsleistung, maximal 6.000 DM je Steuerjahr. Da diese Bezüge Arbeitslohn sind, kann für sie der Arbeitnehmer-Pauschbetrag von 2.000 DM beansprucht werden. Rentenzusagen sind vorteilhaft, da dann die Freibeträge Jahr für Jahr genützt werden können. Einmalige Kapitalzahlungen können dagegen zu einer erheblichen Steuerbelastung führen, obwohl gem. § 34 III EStG die Kapitalleistung in diesem Fall für die Bemessung der Einkommensteuer auf drei Jahre verteilt werden kann. Die Verteilung wird dabei nur rechnerisch vorgenommen. Es sind die Steuerbeträge zu errechnen, die sich für die Verteilungsjahre ergeben würden, wenn ihnen die Kapitalleistung mit je einem Drittel zugerechnet würde. Diese Steuerbeträge ergeben zusammen die Steuerbelastung für die Kapitalleistung. Sie ist im Jahr der Zahlung der Kapitalleistung zu erfassen. Grundsätzlich unterliegen die Versorgungsleistungen nicht der Erbschaftsteuer.
IV. Vor- und Nachteile für den Unternehmer: 1. Vorteile: Steuerliche Vergünstigungen (Pensionsrückstellungen); Verbesserung der Liquidität - bei Rentenverpflichtungen wirkungsvoller als bei Kapitalverpflichtungen. (Auch für Versorgungsempfänger ist die Rentenzusage vorteilhafter; vgl. III 2). - 2. Nachteile: Das Versicherungswagnis (frühzeitiger Tod, frühzeitige Arbeitsunfähigkeit und überdurchschnittlich lange Lebensdauer) lastet auf dem Unternehmen, soweit es nicht gegen Prämie auf einen Versicherer überwälzt wurde. Selbst bei Rückdeckung unterliegen unverfallbare Anwartschaften und Ansprüche auf Leistungen der Insolvenzversicherung und damit der Beitragspflicht beim Pensions-Sicherungs-Verein auf Gegenseitigkeit (PSVaG). Kosten spezieller Rechnungslegung und Gutachten.
V. Arbeitnehmerfinanzierte Versorgungszusage: Sonderform einer Barlohnumwandlung. Der Arbeitnehmer verzichtet auf einen Teil seiner Barvergütung zugunsten einer Versorgungszusage durch den Arbeitgeber; hierdurch finanziert der Arbeitnehmer seine eigene betriebliche Altersversorgung. Diese Form der Versorgungszusage wird steuerlich genauso behandelt wie eine arbeitgeberfinanzierte Versorgungszusage. Hierdurch kann der Arbeitnehmer die Besteuerung seines Einkommens aufschieben (aufgeschobene Vergütung), denn er spart (zunächst) die Einkommensteuer auf die umgewandelten Gehaltsteile; allerdings sind die Versorgungsleistungen später voll als nachträglicher Arbeitslohn zu versteuern. Zu einer endgültigen Steuerersparnis kommt es, soweit die Versorgungsbezüge im Rahmen des Versorgungsfreibetrages (vgl. III) steuerfrei zufließen.

 

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