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Arbeitszeitpolitik

I. Charakterisierung: Summe aller Maßnahmen, die die individuelle und betriebliche Arbeitszeit bzgl. Umfang (chronometrische Dimension) und Lage (chronologische Dimension) beeinflussen. - Die Ziele der Arbeitszeitpolitik werden im wesentlichen sozial-, beschäftigungs- und betriebspolitisch begründet. - Träger der Arbeitszeitpolitik sind Gesetzgeber, Tarifvertragsparteien, Unternehmensleitungen und betriebliche Arbeitnehmervertretungen.
II. Maßnahmen: 1. Die zahlreichen allgemeinen und speziellen gesetzlichen Arbeitszeitvorschriften in der BRD (Arbeitszeitgesetz, Bundesurlaubsgesetz, Jugendarbeitsschutz, Frauenschutz, Mutterschutz, Ladenschlußgesetz), die die tägliche, wöchentliche und jährliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer und Betriebe beschränken, bieten Ansatzpunkte. Außerdem beeinflussen gesetzliche Regelungen der Schul- und Wehrdienstpflicht, Rentenversicherung etc. die Lebensarbeitszeit der Erwerbstätigen. - 2. Durch tarifvertragliche Arbeitszeitregelungen, die insbes. die Wochenarbeitszeit, die Sonntags-, Feiertags-, Nacht- und Mehrarbeit sowie deren monetäre und/oder zeitliche Vergütung und den Jahresurlaub betreffen, wird der arbeitszeitpolitische Spielraum der Tarifautonomie genutzt. - 3. Über Betriebsvereinbarungen und einzelvertragliche Regelungen versuchen Arbeitgeber und -nehmer weitergehende Arbeitszeitwünsche zu realisieren.
III. Grundrichtungen: 1. Die staatliche Arbeitszeitpolitik verfolgt bis heute vorrangig Ziele des Arbeitsschutzes. Zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit (Arbeitsmarktpolitik) wurde die Verkürzung der Lebensarbeitszeit (Reduzierung des Arbeitskräfteangebots durch Förderung des Vorruhestands) eingesetzt. - 2. Aus beschäftigungspolitischen Gründen streben die Gewerkschaften die Verkürzung der tariflichen Wochenarbeitszeit (35-Stunden-Woche) und den Abbau von Überstunden an, um über eine Verkürzung der effektiven Jahresarbeitszeit das vorhandene Arbeitsvolumen auf mehr Beschäftigte zu verteilen. - 3. Die Arbeitgeberverbände lehnen die regelmäßig mit vollem Lohnausgleich verbundenen Gewerkschaftsforderungen nach generellen Arbeitszeitverkürzungen als kostensteigernd und beschäftigungsfeindlich ab und schlagen statt dessen Arbeitszeitmodelle vor, die Betrieben und Arbeitnehmern mehr Arbeitszeitflexibilität eröffnen sollen. - 4. Unabhängig von den umstrittenen Beschäftigungseffekten arbeitszeitpolitischer Maßnahmen wird schließlich die Sicherung der freien Arbeitszeitwahl (Arbeitszeitsouveränität) als arbeitszeitpolitisches Ziel vertreten.
IV. Jüngere Entwicklung: Der Rückgang der tatsächlichen Arbeitszeit je Arbeitnehmer von knapp 1.700 Stunden im Jahr 1980 auf 1.500 Stunden im Jahr 1995 ist hauptsächlich durch Vereinbarungen kürzerer Arbeitszeiten pro Woche und Jahr durch beide Tarifparteien erzielt worden. Hinzu kam die Expansion von Teilzeitarbeit auf rd. 20% aller Beschäftigten. Der vereinbarte Verkürzungstrend wurde durch Flexibilitätsspielräume für bestimmte Arbeitnehmergruppen, Branchennotwendigkeiten und betriebliche Ausnahmen handhabbar gemacht. Dadurch und durch vielfältige neue Arbeitszeitmuster konnten die Betriebszeiten erheblich ausgeweitet werden. Ein Drittel der kleinen, die Hälfte der mittleren und zwei Drittel der größeren Betriebe hatten 1995 längere Betriebszeiten als die vereinbarten Arbeitszeiten. Von 1980 bis 1995 gingen die Überstunden von 1,9 Mrd. auf 1,7 Mrd. Stunden im Jahr zurück, etwa 65 Überstunden pro Arbeitnehmer. Eine weitere Verringerung bei zunehmendem Freizeit- statt Geldausgleich soll zu Neueinstellungen führen. Wegen der Frühverrentungspraxis und wegen heraufgesetzter Regelaltersgrenzen sind neue Modelle gleitenden Ruhestands erforderlich geworden.

 

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