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Handelsfunktionen

I. Begriff: In jeder arbeitsteiligen Wirtschaft bedarf es eines "Apparates", der die Distribution, verstanden als die Bewältigung der Waren-, Informations- und Zahlungsströme, besorgt. Die dabei anfallenden Aufgaben, die H., werden von Absatz- und Beschaffungsabteilungen der Hersteller (Handel im funktionellen Sinn) von selbständigen Handelsunternehmen (Handel im institutionellen Sinn) oder von Konsumenten/Verbrauchern (bzw. sonstigen Abnehmern) wahrgenommen. Diese Aufgaben können sich auf eine Überbrückung räumlicher, zeitlicher, mengenmäßiger und qualitativer Spannungen zwischen Produktion und Konsum beziehen. Daß Handelsfunktionen wahrgenommen werden müssen, wird allseits anerkannt; strittig ist, wer sie ausüben soll (bzw. mit welcher Intensität ausüben muß) und welches Entgelt (Distributionsspanne) angemessen ist. Daher werden für die verschiedenen Wirtschaftsordnungen unterschiedliche Kataloge von Handelsfunktionen aufgestellt.
II. Handelsfunktionen in Marktwirtschaften: 1. Funktionen zur Steuerung des Warenstroms: a) quantitative Handelsfunktionen (Sammeln, Aufteilen, Verteilen); b) qualitative Handelsfunktionen (Sortimente bilden, Qualitätserhaltung und -kontrolle, Garantie, Kundendienst, Beratung, Einkaufsschnelligkeit und -bequemlichkeit steigern, Umtausch); c) Handelsfunktionen des Zeitausgleichs (Lagerhaltung, Retouren, Geschäfts-, Ladenöffnungszeiten, Sonderangebote, Warenplazierung, Lieferzeitkontrollen); d) Handelsfunktionen der Raumüberbrückung (Transport, Standort). - 2. Funktionen zur Steuerung des Informationsstromes: a) quantitative Handelsfunktionen (Menge der ausgetauschten Informationen); b) qualitative Handelsfunktionen (Art der Informationen: Daten über Kunden- und Lieferantenverhalten, Umsätze, Verbundkäufe, Penetration etc. sowie Verdichtung der Informationen, Verkaufsgespräche und Medienwerbung u. a. zur Markterschließung); c) Handelsfunktionen des Zeitausgleichs (Vordisposition, Spekulation); d) Handelsfunktionen der Raumüberbrückung (Nutzung von Briefpost, Ordersatz, Telefon, Btx). - 3. Funktionen zur Steuerung des Zahlungsstroms: a) quantitative Handelsfunktionen (Abwicklung sämtlicher Zahlungs- und Kreditvorgänge, Kredithöhe); b) qualitative Handelsfunktionen (Kumulierung von Zahlungen, Wahl der Zahlungsart: Bar, Scheck, Überweisung, Bankeinzug, POS-Banking, Kreditkarten, Kreditabsicherung, Preisermittlung, Kalkulationsarten); c) Handelsfunktionen der Raumüberbrückung (Zahlungsmitteltransporte, Lieferanten-, Kunden-, Bankkredit); d) Handelsfunktionen der Zeitüberbrückung (Vorfinanzierung, Zahlungsziele, Kredit).
III. Handelsfunktionen in Zentralverwaltungswirtschaften: 1. Versorgungsfunktion (Rationalisierung der Absatzwege, Vermeidung von Lagerbeständen oder Warenknappheiten, bedarfsgerechte Sortimente, freundliche Bedienung, angenehme Ladenatmosphäre, hygienische Warendarbietung u. a. zur reibungslosen Versorgung der gesamten Bevölkerung). - 2. Bedarfsforschung (systematische und laufende Beschaffung aller Informationen, um den zukünftigen Bedarf nach Art, Menge, zeitlicher und räumlicher Verteilung abschätzen zu können). - 3. Bedarfslenkung (Warenplazierung, Kundenaufklärung und -beratung und - so gestattet - Preisvariation). - 4. Produktionslenkung (aktive Einwirkung auf vorgelagerte Handels- bzw. Produktionsstufen und koordinierende Planungsstellen, z. B. durch Qualitäts- und Lieferzeitkontrollen). - 5. Ideologische Funktion (Unterstützung von Partei und Staat mit dem Ziel, die persönlichen mit den gesellschaftlichen Interessen auf sozialistische Weise in Übereinstimmung zu bringen).
IV. Beurteilung: 1. Die Frage, wer Handelsfunktionen wahrnehmen sollte, ist nie abschließend und allgemeingültig beantwortbar; denn Handelsbetriebe werden in die Distribution eingeschaltet (indirekter Absatz) oder ausgeschaltet (direkter Absatz) oder Funktionen werden verlagert (Kundeninformation auf der Verpackung; Angebot von Fertigmahlzeiten; nach Wegfall der Preisbindung: Fixierung des Endverbraucherpreises; durch Feinsteuerung von Warenwirtschaftssystemen: Lagerhaltung; Produkthaftung bei Handelsmarken; Warenzustellung: ersetzt durch Selbstbedienung). - 2. Über die Höhe eines angemessenen Entgelts für die Funktionsübernahme und dessen Verteilung wird im Zuge der Lösung von Machtkonflikten im Absatzkanal verhandelt. Lösungsansätze sind der Funktionsrabatt sowie der Versuch einer Regulierung über die Fixierung von Haupt- und Nebenleistungen im Sündenregister. Diese traditionellen Handelsfunktionen werden heute ergänzt um Funktionen der Redistribution.

 

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