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Industriebetriebslehre

Industriebetriebslehre Begriff und Abgrenzung: 1. Industriebetriebslehre als wissenschaftliche Teildisziplin der Betriebswirtschaftslehre umfaßt die Erforschung und Lehre des Wirtschaftens von Industriebetrieben. Erkenntnisobjekt der Industriebetriebslehre ist der Industriebetrieb. Dieser kann als komplexes, offenes soziotechnisches System verstanden werden, in dem primär Sachgüter zur Fremdbedarfsdeckung in einem ingenieurtechnischen Prozeß zur Realisierung von Gewinn und anderen Zielen erstellt werden. Wirtschaften läßt sich als Wählen bzw. Entscheiden zwischen Alternativen interpretieren. Somit kann die Industriebetriebslehre auch als die Wissenschaft von Entscheidungen in Industriebetrieben oder auch als Wissenschaft der Führung (Entscheidungs-, Steuerungs- und Kontrollprozesse) von Industriebetrieben gekennzeichnet werden. - Sie kann verstanden werden als eine durch institutionelle Gliederung gebildete spezielle Betriebswirtschaftslehre im Sinne einer Wirtschaftszweiglehre, die die allgemeine Betriebswirtschaftslehre ergänzt. Die Industriebetriebslehre steht somit auf gleicher Ebene wie die Handelsbetriebs-, Bankbetriebs-, Verkehrsbetriebs- und Versicherungsbetriebslehre sowie die landwirtschaftliche Betriebslehre und die Betriebswirtschaftslehre des Handwerks. Wirtschaftszweiglehren beschäftigen sich mit betriebswirtschaftlichen Problemen, die durch Besonderheiten der jeweiligen Wirtschaftszweige bedingt sind. - 2. Die Grenzen zwischen allgemeiner Betriebswirtschaftslehre und Industriebetriebslehre sind nicht scharf zu ziehen. Dies ist zum einen darauf zurückzuführen, daß bei vielen Aussagen der allgemeinen Betriebswirtschaftslehre industrielle Betriebsverhältnisse zugrunde gelegt werden, zum anderen darauf, daß von Industriebetrieben ähnliche Funktionen wahrzunehmen sind wie von anderen Betrieben, zum Beispiel Absatz, Beschaffung, Finanzierung. Grundsätzlich ergänzt die Industriebetriebslehre das Wissenschaftsprogramm der allgemeinen Betriebswirtschaftslehre durch einen erhöhten Konkretisierungsgrad. Dieser könnte durch die Konzeption spezieller Industriebetriebslehre (z. B. des Maschinenbaus, des Textilbetriebes) erhöht werden. Der Ansatz ist jedoch bis heute nur wenig ausgebaut. - 3. Relevante Nachbardisziplinen sind - neben der allgemeinen Betriebswirtschaftslehre - Ingenieurwissenschaften, Rechtswissenschaft, Arbeitswissenschaft und Informatik.
IIndustriebetriebslehre Wissenschaftsziel und Forschungsmethode: 1. Industriebetriebslehre ist eine Realwissenschaft, die das Vermitteln von theoretischen und/oder pragmatischen Aussagen über ihr Erkenntnisobjekt (Industriebetrieb) bezweckt. Für die Industriebetriebslehre ist ein theoretisches und ein pragmatisches Wissenschaftsziel zu kennzeichnen: a) Das theoretische Wissenschaftsziel bedingt eine gedankliche Erfassung des komplexen Objektbereichs und dessen Analyse in Elemente nach zu wählenden Kriterien. Hieran schließt sich die Gewinnung von gesetzesähnlichen Aussagen über den untersuchten Bereich an, ferner ist eine Überprüfung der so gewonnenen Aussagen auf ihren Wahrheitsgehalt vorzunehmen. Diese Gesetzeshypothesen stellen die Elemente von Theorien (in sich widerspruchsfreie Systeme von Aussagen) dar. - b) Das pragmatische Wissenschaftsziel bedingt die Entwicklung leistungsfähiger - praxisnaher - Ansätze zur zieladäquaten Gestaltung der Realität. Auf der Basis von Beschreibungen, Klassifikationen und Typologien sind verbale und mathematische Erklärungsmodelle aufzustellen. Ferner sind Annahmen über Zielvorstellungen zu treffen, sowie Simulations- und analytische Modelle zu entwickeln, die die Ermittlung der (relativ) optimalen Lösung im Sinne des Zielkriteriums ermöglichen. Neben derartigen Entscheidungsmodellen, die i. d. R. ein Hauptziel enthalten, kommen auch Nutzwertmodelle zur Anwendung, die mehrere Hauptziele bei der Entscheidungsfindung berücksichtigen. - 2. Als Forschungsmethoden finden sowohl Induktion (Schließen vom Besonderen auf das Allgemeine aufgrund von Beobachtungen und Erfahrungen) als auch Deduktion (Schließen vom Allgemeinen auf das Besondere aufgrund abstrakter Überlegungen) Anwendung.
IIIndustriebetriebslehre Charakterisierung der Teilgebiete: Kernbereich des Systems Industriebetrieb ist der Produktions- (Fertigungs-)bereich mit dem in ihm stattfindenden ingenieur-technischen Transformationsprozeß, der Be- und/oder Verarbeitung von Stoffen. Im Rahmen der Gestaltung und Lenkung dieses Prozesses unter besonderer Beachtung ökonomischer und anderer, z. B. sozialer, Ziele sind Entscheidungen auf folgenden - stichpunktartig beschriebenen - Gebieten zu treffen: (1) Produktwirtschaft (Produktplanung, Forschung und Entwicklung, Wertanalyse, Normung/Typung); (2) Anlagenwirtschaft (Kapazität, Layout, innerbetrieblicher Standort, Instandhaltung); (3) Personalwirtschaft (Arbeitsgestaltung, Arbeits- und Leistungsbewegung, Lohnformen, Personaleinsatz); (4) Programmwirtschaft (Produktprogrammplanung mit Produktionsverfahrens-, Losgrößen-, Eigenproduktions-/Fremdbezugswahl); (5) Prozeßwirtschaft (Produktionsprozeßwirtschaft als auftrags- und potentialorientierte Termin- und Kapazitätsbelegungsplanung mit integrierter Material- und Personalplanung, Produktionsprozeßsteuerung und -kontrolle als Arbeitsverteilung, Arbeitsingangsetzung und Arbeitsfortschritts- und -qualitätskontrolle); (6) Materialwirtschaft (Bedarfsermittlung, Lagerhaltung und Bestelldisposition); (7) Informationswirtschaft (Kostenrechnungsinformationen, Investitionsrechnungsinformationen, Organisation des Produktions-Controlling). - Andere Faktoren und Funktionen werden in der Industriebetriebslehre insoweit behandelt, als sich Sonderfragen für Industriebetriebe ergeben.
IV. Ausblick: Entwicklungen auf technischem, wirtschaftlichem und sozialem Gebiet werden auch in Zukunft die Aufgabenstellungen der Industriebetriebslehre beeinflussen. In jüngster Zeit ist hier insbes. auf dem Gebiet der EDV eine Tendenz zur Integration der betriebswirtschaftlich-organisatorischen und der technisch orientierten Anwendungen zu beobachten. Diese Entwicklung wird unter der Bezeichnung CIM (computer integrated manufacturing) diskutiert. In Verbindung hiermit erfolgt eine zunehmende Automatisierung der Produktion, z. B. durch Einsatz von flexiblen Fertigungssystemen und Industrierobotern. Aus dieser Entwicklung resultieren veränderte Anforderungen an die Mitarbeiter und veränderte Arbeitszeitstrukturen.
Literatur: Blohm, H./Beer, T./Seidenberg, U./Silber, H., Produktionswirtschaft, 3. Aufl., Herne, Berlin 1996; Czichos, H. (Hrsg.), Hütte - Grundlagen der Ingenieurwissenschaften, 29. Aufl., Berlin u. a. 1989; Eversheim, W./Schuh, G. (Hrsg.), Hütte - Produktion und Management (Betriebshütte), Teil I und II, 7. Aufl., Berlin u. a. 1996; Hahn, D./Laßmann, G., Produktionswirtschaft - Controlling industrieller Produktion, Band 1, 2. Aufl., Heidelberg, 1990; Heinen, E., Industriebetriebslehre, 9. Aufl., Wiesbaden 1991; Hoitsch, H.-J., Produktionswirtschaft, 3. Aufl., München 1993; Jacob, H., Industriebetriebslehre, 4. Aufl., Wiesbaden 1990; Kern, W., Industriebetriebslehre, in: Grochla, E./Wittmann, W. (Hrsg.), Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, Bd. 2, 5. Aufl., Stuttgart 1993, Sp. 1849-1858; ders., Industrielle Produktionswirtschaft, 5. Aufl., Stuttgart 1992; Kilger, W., Industriebetriebslehre I, Wiesbaden 1986; Mellerowicz, K., Betriebswirtschaftslehre der Industrie, Bd. 2, 7. Aufl., Freiburg 1981; Zahn, E./Schmid, U., Produktionswirtschaft I: Grundlagen und operatives Produktionsmanagement, Stuttgart 1996.

 

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