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Risk-Management

Risiko-Management.
I. Begriff und Bedeutung des R.-M. als Führungsaufgabe: Risiken, verstanden als Gefahren, die den Prozeß der Zielsetzung und Zielerreichung begleiten und ihn negativ beeinflussen können, sind seit jeher mit unternehmerischer Tätigkeit verbunden. Vieles deutet allerdings darauf hin, daß die Risiken, denen Unternehmungen gegenwärtig und sicher auch zukünftig ausgesetzt sind, wesentlich an Bedeutung und Brisanz gewinnen. Nicht rechtzeitig erkannte und bewältigte Risiken können die erfolgreiche Weiterentwicklung der Unternehmung gefährden, die Unternehmung sogar in Krisen im Sinn von überlebenskritischen Prozessen geraten lassen (Unternehmungskrise). - Als Begriff wurde R.-M. von Risk-Management J. Mehr und B. A. Hedges wieder in die moderne betriebswirtschaftliche Diskussion eingebracht und beschränkte sich dabei zunächst auf die Handhabung versicherbarer Risiken. Diese Sichtweise des R.-M. wurde fortentwickelt, sie umfaßt heute in einer weiteren Begriffsauslegung auch die Führung der Unternehmung aus der Gesamtschau aller relevanten Risiken. Damit ergibt sich eine Zweiteilung bei der Betrachtung in ein spezielles R.-M. und ein generelles R.-M.
II. Spezielles R.-M. (Insurance-Management): 1. Gegenstand: Spezielles R.-M. hat die Absicherung gegenüber sog. reinen Risiken (pure risks) zum Gegenstand, die als grundsätzlich versicherbare Risiken interpretiert werden. Diese Betrachtungsweise des R.-M. ist in der Praxis noch vorherrschend und hat nicht zuletzt angesichts ständig größer werdender Dienstleistungsangebote von Versicherungsgesellschaften große Bedeutung. - 2. Spezielles R.-M. weist Prozeßcharakter auf und ist, orientiert am allgemeinen Führungsprozeß, in einzelne Phasen unterteilbar: a) Suche nach (versicherbaren) Risiken und Analyse solcher Risiken, b) Ermittlung von Alternativen zur Risikovermeidung oder -begrenzung, c) Beurteilung und Optimierung ermittelter Alternativen, d) Entscheidung über den Abschluß von Versicherungen (oder Selbstversicherung), e) Abschluß solcher Versicherungen (oder Selbstversicherungen) und f) Schadenskontrolle. - 3. Als Instrumente des speziellen R.-M. kommen grundsätzlich in Frage: a) Fremdversicherung (Versicherung für fremde Rechnung), b) Selbstversicherung, c) Einschaltung von Captive-Insurance-Companies (captive) und/oder d) vertragliche Risikobegrenzung. - 4. Spezielles R.-M. als Institution kennzeichnet den oder die Träger dieser Führungstätigkeit. Als oberster Träger gilt dabei zunächst der Risk-Manager und die ihm zugeordneten Stellen/Abteilungen. Er übernimmt diese Aufgabe entweder in Personalunion mit anderen Aufgaben oder als eigenständige Aufgabe. Entsprechend seiner Verantwortung, seiner bereichsübergreifenden Aufgabenstellung sowie seiner gesamtunternehmungsbezogenen Koordinationsfunktion sollte der Risk-Manager im Rahmen der oberen Führung angesiedelt werden. In Unternehmungen, die kein "R.-M." etabliert haben, kommen als mögliche Träger alternativ oder in Kombination in Frage: a) Versicherungsabteilung oder (konzerneigene) Versicherungsgesellschaft (Captive-Insurance-Company), b) Sicherheitsbeauftragte und c) Werkschutz.
III. Generelles R.-M.: Generelles R.-M. dient einer Erhaltung und erfolgreichen Weiterentwicklung der Unternehmung durch Bewußtmachung des Risiko-Phänomens bei allen Führungs- und auch Durchführungsprozessen und ist letztendlich risikobewußte Unternehmensführung. Von zentraler Bedeutung ist dabei die Berücksichtigung von Risikoaspekten in den typischen Führungstätigkeiten der Planung, Steuerung und Kontrolle. Sie werden noch überlagert von Aspekten einer risikobewußten Unternehmungsphilosophie und Unternehmungskultur. Jeweils sind Analysen und Prognosen sowie speziell Szenarien und Frühwarnsysteme die (informationellen) Voraussetzungen für alle Aktionen im Rahmen eines generellen R.-M. 1. Risikobewußte Unternehmungskultur und -philosophie: Unternehmungsphilosophie und Unternehmungskultur bestimmen das in der Unternehmung angestrebte Risikoniveau sowie das angestrebte und praktizierte Risikoverhalten. Sie beinhalten Entscheidungskriterien für nachgelagerte Entscheidungskomplexe und determinieren die Planung. - 2. Risikobewußte Planung: Planung umfaßt die in der Abb. aufgeführten Komplexe und ist zentrales Aktionsfeld eines generellen R.-M. a) Im Rahmen der generellen Zielplanung finden die Grundsätze der Unternehmungskultur und -philosophie Eingang und beeinflussen durch das angestrebte Risikoniveau die Ausprägungen der generellen Wert-, Sach- und Humanziele. Die Berücksichtigung des Risikoaspektes wird hier - die nachfolgenden Phasen des Planungsprozesses determinierend - festgelegt. b) Der Teilplanungsbereich strategische Planung bezieht sich auf drei außerordentlich wichtige Aufgabenkomplexe für die Weiterentwicklung der Unternehmung: Geschäftsfeldplanung, Organisations-, Rechtsform- und Informationssystemplanung sowie die Führungskräfteplanung. (1) Im Rahmen der Geschäftsfeldplanung hat sich für die zukunftsorientierte Gestaltung des Produktprogramms unter Berücksichtigung spezifischer Chancen und Risiken besonders das dynamische Portfolio bewährt. Es lassen sich hier besonders deutlich Risiken und Chancen für vorhandene und mögliche künftige Produkte, Produktelemente und Produktionsverfahren aus ökologischen, technischen, gesellschaftlichen sowie binnen- und außenwirtschaftlichen Entwicklungen verdeutlichen. Bezogen auf einzelne Produkte lassen sich Risiken anhand von alternativen Lebenszyklen simulieren. (2) Die Organisationsplanung umfaßt alle systematischen Gestaltungsfragen im Hinblick auf die künftige Aufbauorganisation und enthält als spezielles Risiko das zu späte Erkennen von Reorganisationserfordernissen. (3) Die Kernaufgabe der Führungskräfteplanung besteht in der systematischen Erfassung und Beurteilung der verfügbaren Führungskräfte sowie der Ermittlung zukünftigen Führungskräftebedarfs und seiner unternehmungsinternen und -externen Deckungsmöglichkeiten. Die Sicherung des künftigen Führungsnachwuchses und die rechtzeitige Sicherung der Führungskräftenachfolge bis in die Unternehmungsspitze stellen die vielleicht wichtigsten Aufgaben zur Risikovermeidung in Unternehmungen jeder Größe und Struktur dar. c) Risikobewußte operative Planung kann eine Vielzahl von Maßnahmen der Produktprogrammplanung und der Funktionsbereichsplanung betreffen, wie etwa: (1) im Rahmen der Programmplanung: Produktselektion; (2) im Rahmen der Absatzpolitik: Aufbau einer eigenen Außendienstorganisation; (3) im Rahmen der Produktionspolitik: Einführung flexibler Produktionssysteme; (4) im Rahmen der Beschäftigungspolitik: Lieferantenpflege; (5) im Rahmen der Personalpolitik: Mitarbeiterpflege; (6) im Rahmen der Finanzierungs- und Ergebnispolitik: Einhaltung konservativer Finanzierungspolitik und im Rahmen des Möglichen ausgeprägte bilanzielle Reservepolitik (vgl. im folgenden). d) Risikobewußte Ergebnisplanung kann im Rahmen der periodischen Ergebnisplanung, der Budgetierung, rechtzeitig Risiken verdeutlichen, die auf Ergebnis und Liquidität einwirken. So können z. B. im verabschiedeten GuV-Plan verdeutlicht werden: das Preisverfall-, Mengenabweichungs-, Wechselkurs- und Zinsrisiko sowie Risiken aus überhöhten Lohnforderungen und zu späten oder frühen Produkteinführungen. e) Konservative Finanzierungsplanung bedeutet insbes. ausreichende Liquiditätsreservehaltung, "gesunde" Eigen-Fremdkapital-Relation, gesicherte Kreditrahmen und Finanzierungsgeschäfte sowie schlagkräftiges Debitoren-Management. Zudem verbietet sich hier z. B. das Betreiben von Produktionsstätten über Leasing-Konstruktionen. - 3. Risikobewußte Steuerung und Kontrolle: Eine risikobewußte Planung determiniert weitgehend die anschließenden Führungsaktivitäten der Steuerung und Kontrolle. Dennoch sind hier Risiken bei der Informationsvorgabe, -verarbeitung und -rückmeldung zu erkennen, Ansatzpunkte für die Vermeidung solcher Risiken ergeben sich insbes. aus der Verbesserung von Informationssystemen und der Nutzung von Frühwarnsystemen. Für die Führungstätigkeit "Kontrolle" bedeutet die Realisierung eines generellen R.-M. im Führungsprozeß die verstärkte Hinwendung zu Verlaufskontrollen und dabei insbes. zu sog. vorauseilenden Kontrollen.


Literatur: Mehr, Risk-Management J./Hedges, B. A.; Risk Management in the Business Enterprise, Homewood 1963; Damary, R., Das Risk-Management in Westeuropa. Ergebnisse eines Forschungsprogramms, in: BFuP 1978, S. 77 ff.; Goetke, W./Sieben, G. (Hrsg.), Risk-Management-Strategien zur Risikobeherrschung, Köln 1979; Brühwiler, B., Risk-Management - eine Aufgabe der Unternehmensführung, Bern-Stuttgart 1980; Mugler, J., Risk-Management in der Unternehmung, Wien 1979; Wätke, J.-P., Die Captive Insurance Company - ein Instrument des Risk-Managers, Diss., Hamburg 1982; Braun, H., Risikomanagement. Eine spezifische Controllingaufgabe, Darmstadt 1984; Jacob, H. (Hrsg.), Risiko-Management, Wiesbaden 1986; Hahn, D., Risiko-Management - Stand und Entwicklungstendenzen, in: ZfO 1987, S. 137 ff.; Karten, W., Risk-Management, in: Handwörterbuch der Betriebswirtschaftslehre, Bd. 3, hrsg. von W. Wittmann et al., 5. Aufl., Stuttgart 1993; Krystek, U., Unternehmungskrisen. Beschreibung, Vermeidung und Bewältigung überlebenskritischer Prozesse in Unternehmungen, Wiesbaden 1987; Hahn, D./Krystek, U., Risiko-Management, in: Jahrbuch für Betriebswirte 1988, Stuttgart 1988, S. 116 ff.; Schuy, A.: Risiko-Management. Eine theoretische Analyse zum Risiko und Risikowirkungsprozeß als Grundlage für ein risikoorientiertes Management unter besonderer Berücksichtigung des Marketing, Frankfurt/M. - New York - Paris 1989; Zellmer, G.: Risiko-Management, Berlin 1990.

 

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