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strategische Führung

1. Begriff/Charakterisierung: Führung beinhaltet einen Entscheidungs- bzw. Planungs-, Steuerungs- und Kontrollprozeß - stets verbunden mit einem spezifischen Führungsverhalten. Es handelt sich dabei um einen multipersonalen, mehrstufigen, zum Teil nach dem Regelkreisprinzip ablaufenden Informationsverarbeitungsprozeß, einen Prozeß der Willensbildung und Willensdurchsetzung spezifischer Personen gegenüber anderen Personen unter Übernahme der hiermit verbundenen Verantwortung. - Planungs-, Steuerungs- und Kontrollprozesse beziehen sich im Rahmen der st.F. auf Strategien, d. h. auf Vorgehensweisen grundsätzlicher Art im Zusammenhang mit dem Unternehmen einschließlich der hiermit verbundenen Festlegung zu erreichender Ziele oder auf Basis vorabbestimmter Zwecke und Ziele. Der Prozeß der strategischen Führung (vgl. Abbildung) folgt den generellen Phasen des Führungsprozesses - sowohl als einmaliger, projektbezogener strategischer Führungsprozeß als auch im Hinblick auf periodisch wiederkehrende strategische Führungsaufgaben. Probleme sind auch hier durch Alternativensuche, -bewertung und -auswahl und auch entsprechende Umsetzungsaufgaben zu lösen. Den Analysen und Prognosen von Umweltchancen und -risiken sowie Unternehmungsstärken und -schwächen kommen hierbei besondere Bedeutung zu. - Diesem Verständnis folgend lassen sich Entscheidungsprozesse und Entscheidungsobjekte strategischer Unternehmensführung anhand der Merkmale konstitutiver Entscheidungen näher charakterisieren. So sind strategische Entscheidungen (1) von besonderer Bedeutung für die Vermögens- und/oder Erfolgsentwicklung einer Unternehmung; (2) nur aus dem Gesamtzusammenhang der Unternehmung heraus zu behandeln; (3) damit grundsätzlich nur von der obersten Unternehmungsführung und/oder den dieser vorgeschalteten Willensbildungszentren einer Unternehmung wahrzunehmen, zu veranlassen und auch zu überwachen; (4) grundsätzlich von Langfristwirkung und geringer Häufigkeit sowie (5) unter besonderer Beachtung der Werthaltungen der oberen Willensbildungszentren und unter Beachtung der bereits bestehenden Unternehmensphilosophie und -kultur zu fällen. - 2. Gegenstände: Auf den konstitutiven Merkmalen aufbauend lassen sich folgende Aufgabenkomplexe als Gegenstände strategischer Unternehmensführung kennzeichnen: (1) Festlegung der Unternehmensphilosophie, verstanden als die gemeinsamen bzw. abgestimmten Wertvorstellungen (Werthaltungen) der obersten Führungskräfte einer Unternehmung; (2) Festlegung unternehmenspolitischer Ziele/generelle Zielplanung; (3) Geschäftsfeld- sowie grundlegende Funktionsbereichs- und Regionalstrategieplanung; (4) Organisations-, Rechtsform- und Rechtsstrukturplanung; (5) Führungssystemplanung mit Führungskräfte-, Informationssystem- und Anreizsystemplanung; (6) die zu deren Umsetzung erforderlichen Steuerungs- und Kontrollprozesse. - Gegenstand der strategischen Unternehmensführung bildet auch die angestrebte Unternehmenskultur: die unternehmungsgeschichtlich gewachsenen, gelebten und zumindest partiell gestaltbaren Denk- und Verhaltensmuster der Mitarbeiter einer Unternehmung, die in spezifischen Erscheinungsformen und auch Symbolen zum Ausdruck kommen. - Die Resultate dieser Aufgabenkomplexe st.F. spiegeln sich wider in der Vision der obersten (internen) Willensbildungszentren bzw. des Unternehmungsführers, dem Leitbild sowie den Unternehmungs- und Führungsgrundsätzen, die ihrerseits auch wiederum Ausgangspunkt und Rahmen der Unternehmungsaktivitäten darstellen. - 3. Träger: Träger der strategischen Führungsaufgaben (vgl. Abbildung) bilden in institutioneller Sicht die obersten internen und externen Willensbildungszentren des Unternehmens. Ihnen obliegt es, strategische Entscheidungen zu fällen und für deren Umsetzung Sorge zu tragen. Träger der st.F. sind hiernach spezifische Personen bzw. Personengruppen, z. B. in der Bundesrep. D. in Kapitalgesellschaften die Mitglieder der Geschäftsführung bzw. des Vorstandes sowie ggf. die Mitglieder der ihnen vorgeschalteten Beiräte bzw. Aufsichtsräte, in den USA die Mitglieder des Boards, insbes. der Chief Executive Officer und der Chairman of the Board. Einzelne grundlegende Entscheidungen bedürfen zudem der Zustimmung der Eigentümerversammlungen (Hauptversammlung, Shareholders Meeting). - Die Träger der strategischen Führungsaufgaben werden bei der Planung, Steuerung/Implementierung und der Kontrolle der Durchführung dieser Aufgaben von Linien- und Bereichsführungskräften unterhalb der obersten Führungsebene unterstützt. Formale und inhaltliche Planungs- bzw. Entscheidungsvorbereitungen und auch Überwachungstätigkeiten im Hinblick auf strategische Führungsaufgaben werden in mittleren und vor allem großen Unternehmungen in besonderen Stabsstellen oder Zentralabteilungen für strategische Planung - Geschäftsfeldplanung, Organisations- und Führungskräfteplanung sowie auch Informations- und Kommunikationsmanagement - durchgeführt, die i. d. R. dem Vorstandsvorsitzenden unterstehen. - Solche Führungsunterstützungsaufgaben können aber auch im Hinblick auf die Geschäftsstrategien sowie ggf. Funktionsbereichs- und Regionalstrategien von einer Stabsstelle oder Zentralabteilung Unternehmungsplanung oder vom Controlling mit übernommen werden. Diesen obliegt dann die formale und z. T. inhaltliche Vorbereitung der strategischen und operativen sachbezogenen Planungen, deren Überwachung und auch ablauforganisatorische Betreuung. - Unabhängig davon, welche organisatorische Lösung gewählt wird, sind in jedem Falle vom Controller - als Mitglied der obersten internen Unternehmungsführung - und vom Controlling als Ressort spezifische Aufgaben im Rahmen der strategischen Führung zu übernehmen (z. B. Investitionsrechnungen, Periodenergebnis-Wirkungsanalysen). - 4. Entwicklungstendenzen: Gestaltung und Bedeutung der Gegenstände st.F. werden maßgeblich durch Veränderungen in den Umfeldern der Unternehmungen beeinflußt. Veränderungen in den Umfeldern prägen Unternehmenskultur, -philosophie und -politik. Sie haben auch dazu geführt, daß man heute als obersten Zweck bzw. oberstes unternehmenspolitisches Ziel die Erhaltung und erfolgreiche Weiterentwicklung des Unternehmens sieht - durch Streben nach maximalem Überschuß oder Kapitalwert bei steter Aufrechterhaltung der Liquidität, da nur hierdurch die Interessen aller an einer Unternehmung interessierten Gruppen bestmöglich verwirklicht werden können. - Im Rahmen der Geschäftsfeldplanung versucht man diese Zielsetzungen zur langfristigen Zukunftssicherung umzusetzen. Geschäftsfeldstrategien konzentrieren sich hierbei in immer stärkerem Maße auf die Generierung verketteter Produkte und Dienstleistungen - also auf ganzheitliche Systemlösungen - möglichst verbunden auch mit Systemführerschaft. Entwicklungschancen auszuschöpfen erfordert heute allerdings mehr als nur Geschäftsfeldstrategien. Es bedarf vor allem auch der Entwicklung synchroner, innovativer Funktionsbereichsstrategien - beispielsweise im Zusammenhang mit der Neudefinition der Produktions- und Entwicklungstiefe im Hinblick auf Produkte und Prozesse - und auch der Entwicklung spezifischer oder globaler Regionalstrategien. - Die organisatorische Gestaltung wird durch die nahezu explosionsartige Aufgabenzunahme innerhalb der traditionellen Funktionsbereiche und vor allem durch das Hinzukommen neuer Funktionen - neu hinzukommender Querschnittsfunktionen - vor außerordentlich schwierige Probleme gestellt. Damit verstärkt sich die Forderung nach einfachen, dezentralen und klaren Führungsorganisationen und Führungskonzeptionen - bezogen auf alle Unternehmungsebenen und auch auf die Unternehmungsspitze. Bei der Entwicklung der Führungsorganisation in primär divisional organisierte Unternehmungen ist hier klar ein Trend vom Stammhausprinzip hin zum geschäftsnahen oder reinen Holdingprinzip erkennbar, um dezentral organisierte Unternehmungen (Konzerne) mit vertretbarem Zeitaufwand erfolgreich führen zu können. Dafür werden neben Spezialisten vermehrt auch Führungs-Generalisten benötigt. - Die sach- und vor allem humanorientierte Führungskräfteentwicklung, eingebunden in eine systematische Nachfolgeplanung und individuelle Karriereplanung, wird damit zum wichtigsten, zum zentralen strategischen Führungsproblem. Im Rahmen der Führungskräfteentwicklung sind intensive Weiterbildungsmaßnahmen, Ausschuß- und Projektarbeit, Job-Rotation sowie Mandatsübertragungen an jüngere Führungskräfte erforderlich, um eine Profilierung im Führungsverhalten zu erreichen und vernetzte Führungsprobleme und -prozesse zu bewältigen. - Zur Erreichung der angestrebten bestmöglichen Ergebnisse kommt darüber hinaus eine entscheidende Bedeutung der Motivation der Führungskräfte zu, die es durch Bereitstellung entsprechender Anreize zu erzeugen, aufrechtzuerhalten und zu fördern gilt. Ein Anreizsystem sollte dabei im Idealfall die Gesamtheit der in Form von materiellen und immateriellen Stimuli gestalteten Arbeitsbedingungen umfassen.


Literatur: Bleicher, K., Unternehmungskultur und strategische Unternehmungsführung, in: Hahn, D./Taylor, B. (Hrsg.), Strategische Unternehmungsplanung - Strategische Unternehmungsführung, 6. Aufl., Heidelberg 1997, strategische Führung 223 ff.; Frese, E., Unternehmungsführung, Landsberg 1987; Hahn, D., Planungs- und Kontrollrechnung - PuK, 5. Aufl., Wiesbaden 1996; Hahn, D., Entwicklungstendenzen der strategischen Führung, in: t & m 2/1992, strategische Führung 10; Hahn, D., Strategische Führung und strategisches Controlling, in: Horváth, P./Gassert, H./Solaro, D. (Hrsg.), Controllingkonzeptionen für die Zukunft. Trends und Visionen, Stuttgart 1991, strategische Führung 1 ff.; Hahn, D., Strategische Führung und Controlling - unter besonderer Berücksichtigung internationaler Aspekte, in: Controlling, 2, 1990, strategische Führung 176 ff.; Hamel, G./Prahalad, C., Wettlauf um die Zukunft, Wien 1995; Hax, A. C./Maljuf, N. S., The strategy Concept and Process - a Pragmatic Approach, 2. Aufl., Upper Saddle River, N. J.; Henzler, H. A., Vision und Führung, in: Henzler, H. A. (Hrsg.) Handbuch Strategische Führung, Wiesbaden 1988, strategische Führung 17 ff.; Hinterhuber, H. H., Strategische Unternehmungsführung, Band 1 und 2, 5. Aufl., Berlin 1992; Porter, M. E., Wettbewerbsvorteile, 3. Aufl., Frankfurt a. M. - New York 1992; Prahalad, C./Hamel, G., The Core Competence of the Corporation, in: Harvard Business Review, 3, 1990, strategische Führung 79 ff.; Pümpin, C., Grundlagen der strategischen Führung, in: Pümpin, C./Gälweiler, A./Neubauer, F. F./Bane, W. T. (Hrsg.), Produkt-Markt-Strategien, Bern 1987, strategische Führung 7 ff.; Rühli, E., Visionen, in: Die Unternehmung, 44, 1990, strategische Führung 112 ff.; Scholz, C., Strategisches Management, Berlin 1987; Ulrich, H., Unternehmungspolitik, 3. Aufl., Bern-Stuttgart 1990.

 

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