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Grenzplankostenrechnung

auch Teilkostenrechnung, Proportionalkostenrechnung.
I. Ursprung: Modernste Form der Plankostenrechnung, entstanden aus den Unzulänglichkeiten der Vollkostenrechnung (Gefahr von Fehlentscheidungen). Vorläufer in Deutschland: Schmalenbachs Grenzkostenlehre und Rummels Blockkostenrechnung; entsprechende Entwicklungsformen im Ausland: "direct-costing" in den USA und "marginal-costing" in Großbritannien. Einführung in die betriebliche Praxis in Deutschland und dem deutschsprachigen Ausland einschließlich der EDV-mäßigen Aufbereitung maßgeblich durch H. Grenzplankostenrechnung Plaut geprägt. Theoretische Bearbeitung insbes. durch W. Kilger.
II. Ziel: Insbes. ausgerichtet auf die dispositiven Aufgaben der Kostenrechnung, d. h. dem Zurverfügungstellen von Kostendaten (relevante Kosten) für den Aufbau der kurzfristigen betrieblichen Planung. - 1. Insbes. werden mit Hilfe geplanter Bezugsgrößen- oder Erzeugnisgrenzkosten Verfahrenswahlprobleme des Produktionsvollzugs (bei gegebenen Kapazitäten) optimal gelöst, z. B. die Wahl zwischen mehreren Maschinentypen, Einsatz von Lohnarbeit, Wahl zwischen Eigenerstellung und Fremdbezug, Bestimmung optimaler Seriengrößen. - 2. Die größte Bedeutung hat die Grenzplankostenrechnung für die optimale Verkaufssteuerung mit Hilfe von Deckungsbeiträgen. a) Bei freien Kapazitäten erfolgt die Verkaufssteuerung mit Hilfe von absoluten Deckungsbeiträgen; alle Produktarten werden in das Verkaufsprogramm aufgenommen, deren absolute Deckungsbeiträge positiv sind. Die Preisuntergrenzen stimmen mit den proportionalen Selbstkosten überein, sofern die beiden folgenden Voraussetzungen erfüllt sind. Zusatzaufträge dürfen keine sprungfixen Kosten (z. B. Miete für ein zusätzliches Lager) verursachen und die Deckungsbeiträge der übrigen Erzeugnisse nicht nachteilig beeinflussen (z. B. durch Verringerung der Erzeugnismengen oder Preissenkungen). b) Wird ein Engpaß wirksam, so erfolgt die Verkaufssteuerung mit Hilfe von relativen Deckungsbeiträgen. Diese erhält man, indem man die absoluten Deckungsbeiträge durch die Einheit der Engpaßplanung dividiert. Die Produktarten werden in der absteigenden Reihenfolge ihrer relativen Deckungsbeiträge in das Produktionsprogramm aufgenommen, bis die Kapazitätsgrenze erreicht ist. c) Bei Wirksamwerden mehrer Engpässe sind für den optimalen Aufbau der Produktions- und Absatzplanung Gewinnmaximierungsmodelle der mathematischen, insbes. linearen Programmierung (lineare Optimierung) erforderlich, deren Zielfunktionen Deckungsbeitragsfunktionen sind. - 3. Neben den dispositiven Aufgaben dient die Grenzplankostenrechnung in gleicher Weise der Durchführung eines monatlichen Soll-Ist-Kostenvergleichs (Kostenkontrolle), wie die auf Vollkosten basierende flexible Plankostenrechnung. Da die Grenzplankostenrechnung heute in den meisten Betrieben durch eine parallele Vollkostenrechnung ergänzt wird, kann sie auch die traditionellen Aufgaben der Kostenrechnung, z. B. Bestandsbewertung zu Vollkosten und Ermittlung von Selbstkostenpreisen für öffentliche Aufträge erfüllen.
III. Aufbau: 1. Die Grenzplankostenrechnung basiert in gleicher Weise auf den Ergebnissen einer analytischen Kostenplanung wie die flexible Plankostenrechnung. Der wesentliche Unterschied besteht aber darin, daß sowohl in die Verrechnungssätze für innerbetriebliche Leistungen als auch in die Kalkulationssätze der primären Kostenstellen nur die proportionalen Kosten einbezogen werden. Hierdurch wird die für die Vollkostenrechnung typische rechnerische Proportionalisierung der fixen Kosten vermieden. Die fixen Kosten werden aus der Kostenstellenrechnung unmittelbar in die Erfolgsrechnung übernommen. Da die Grenzplankostenrechnung allerdings in den meisten Fällen durch eine parallele Vollkostenrechnung ergänzt wird, muß die innerbetriebliche Leistungsverrechnung der Kostenplanung nachträglich um eine sekundäre Fixkostenverteilung erweitert werden, um die gesamten Fixkosten des Herstellkostenbereichs über die Bestände führen zu können. - 2. Der Grenzplankostenrechnung liegt die Konzeption linearer Kostenverläufe zugrunde. Lediglich in Fällen intensitätsmäßiger Anpassung können auch nichtlineare Kostenverläufe auftreten. Als Grundprinzip der Grenzplankostenrechnung wird das Verursachungsprinzip angesehen, das auch als Proportionalitäts- oder Identitätsprinzip bezeichnet wird.
IV. Kostenstellenrechnung: Der nach Kostenarten und Kostenstellen differenzierte Soll-Ist-Kostenvergleich wird in der Grenzplankostenrechnung in gleicher Weise durchgeführt wie in einer auf dem Vollkostenprinzip basierenden flexiblen Plankostenrechnung.
V. Kostenträgerrechnung: In der Kalkulation oder Kostenträgerstückrechnung werden den Erzeugnissen nur proportionale Kosten zugerechnet (Grenzkostenkalkulation). - Vgl. aber die parallele Vollkostenrechnung (s. o.). Die kurzfristige Erfolgsrechnung wird in Form einer Deckungsbeitragsrechnung durchgeführt. Hierzu werden die Stückdeckungsbeiträge (= Verkaufspreis - Grenzherstellkosten pro Einheit) mit den abgesetzten Erzeugnismengen multipliziert. Hierbei erhält man die Erzeugnisdeckungsbeiträge. Von dem Gesamtdeckungsbeitrag wird der Fixkostenblock subtrahiert, um den Gesamtgewinn zu erhalten. Werden die fixen Kosten en bloc dem Gesamtdeckungsbeitrag gegenübergestellt, so spricht man von einer einstufigen Grenzplankostenrechnung Werden die fixen Kosten nach der "Erzeugnisnähe" gegliedert (in Erzeugnisfixkosten, Erzeugnisgruppenfixkosten, Werksfixkosten und Unternehmungsfixkosten), so spricht man von einer mehrstufigen Grenzplankostenrechnung oder dem Verfahren der stufenweisen Fixkostendeckungsrechnung (Agthe, Mellerowicz). Bei mehrfacher Zuordnung der Fixkosten zu differenzierten Bezugsobjekten beliebiger Auswertungshierarchien (z. B. Kunden, Produkte, Regionen) entsteht eine mehrstufige Mehrdimensionale Deckungsbeitragsrechnung, die aber auch die Kosten bestimmter Prozesse (z. B. Auftragsabwicklung) verursachungsgerecht berücksichtigt. Im übrigen kann auch die nach dem Deckungsbeitragsprinzip aufgebaute kurzfristige Erfolgsrechnung als geschlossene oder als nicht geschlossene Kostenträgererfolgsrechnung durchgeführt werden; - Vgl. hierzu Plankostenrechnung.


Literatur: Agthe, K., Stufenweise Fixkostendeckung im System des Direct Costing, ZfB 1959, S. 404 ff.; Deyhle, A., Gewinn-Management, 5. Auflage, 1985; Gauting bei München; Kilger, W., Einführung in die Kostenrechnung, 3. Aufl., Wiesbaden 1987; Kilger, W., Flexible Plankostenrechnung Deckungsbeitragsrechnung, 10. Aufl., Wiesbaden 1993; Kilger, W., Kurzfristige Erfolgsrechnung, in: Die Wirtschaftswissenschaften, Wiesbaden 1962; Medicke, W., Geschlossene Kostenträgererfolgsrechnung und Artikelergebnisrechnung in der Grenzplankostenrechnung, AGPLAN Bd. 8. Wiesbaden 1964, S. 37-55; Mellerowicz, K., Planung und Plankostenrechnung, Bd. 1, Betriebliche Planung, Freiburg 1961; Plaut, H. G., Die Grenzplankostenrechnung, ZfB 1953, S. 347 ff. und S. 402 ff.; Plaut, H. G., Unternehmenssteuerung mit Hilfe der Voll- oder Grenzplankostenrechnung, ZfB 1961; S. 460-482; Plaut, H. G., Entwicklungsformen der Plankostenrechnung, Vom Standard-Cost-Accounting zur Grenzplankostenrechnung, in: Schriften zur Unternehmensführung, Bd. 22, hrsg. von H. Jacobs, Wiesbaden 1976, S. 5-24; Riebel, P., Einzelkosten- und Deckungsbeitragsrechnung, 7. Aufl., Wiesbaden 1994. Müller, H.: Prozeßkonforme Grenzplankostenrechnung, 2. Aufl., Wiesbaden, 1996; Vikas, K.: Neue Konzepte für das Kostenmanagement, 3. Aufl., Wiesbaden, 1996.

 

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