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Haushaltstheorie

Teilbereich der Mikroökonomik; Theorie vom wirtschaftlichen Verhalten privater Haushalte. Letzteres wird im Grundsatz durch die Rationalitätshypothese charakterisiert, wobei rationales Verhalten einerseits als Nutzenmaximierung, anderseits aber auch als eine Prämisse aufgefaßt werden kann, die lediglich widerspruchsfreies Verhalten des einzelnen Haushalts unterstellt. Einen zur Nutzenmaximierung alternativen Ansatz stellt das Satisficing dar. - Die Haushaltstheorie untergliedert sich in drei Teilgebiete: 1. Nachfragetheorie: a) Ansatz: Die Nachfragetheorie des Haushalts ist eine Theorie der Verausgabung von Einkommen und beschreibt, in welcher Weise ein Haushalt das ihm zufließende Einkommen durch seine Nachfrage nach Gütern auf Gütermärkten verbraucht. - Determinanten: Die Höhe der Güternachfrage eines Haushalts ist dabei durch die Höhe seiner geplanten Konsumsumme bestimmt. Sie ergibt sich als Differenz zwischen dem durch sein Faktorangebot determinierten Einkommen, das die Höhe des individuellen Konsums beeinflußt, und dem Sparen, dem ein längerfristiger Plan der Vermögensanlage zugrunde liegt. Nach Friedman wird dagegen der Umfang der individuellen Konsumgüternachfrage in erster Linie vom permanenten Einkommen und weniger von der Einkommenshöhe der laufenden Periode bestimmt. - Auf der Basis seiner Präferenzen, die als außerökonomische Verhaltensdeterminante aufgefaßt und somit als gegeben angesehen werden, teilt der Haushalt gem. einem zu optimierenden Konsumplan die Konsumsumme unter Berücksichtigung der Güterpreise auf alle in seinen Begehrskreis fallenden Konsumgüter auf. Dabei läßt sich der Zusammenhang zwischen Gütern und subjektiven Präferenzen formal durch die Nutzenfunktion beschreiben, die die Eignung eines Gutes illustriert, durch das Stiften eines bestimmten Nutzens im Zuge des Konsumaktes individuelle Bedürfnisse zu befriedigen. Mit den prinzipiellen Fragen der Meßbarkeit des Güternutzens setzt sich die Nutzentheorie auseinander. - b) Haushaltsgleichgewicht, Haushaltsoptimum: Nimmt man an, daß der Haushalt seine Präferenzen in eine konsistente Präferenzordnung einstellt, die auch als System von Indifferenzkurven darstellbar ist, so läßt sich das Haushaltsgleichgewicht bei Mengenanpasserverhalten für den Fall ableiten, daß sich gem. dem zweiten Gossenschen Gesetz die auf die Geldeinheiten bezogenen Grenznutzen aller konsumierbaren Güter und des Geldes ausgleichen. Letzteres tritt genau dann ein, wenn - betrachtet für den Fall nur zweier Güter - die Grenzrate der Substitution gleich dem Güterpreisverhältnis sowie gleich dem Verhältnis der ersten partiellen Ableitungen der Nutzenindexfunktionen ist. Eine solche Situation läßt sich formal darstellen als der Tangentialpunkt der Bilanzgeraden (die sich als Äquivalent zur Konsumsumme ergibt, da der Haushalt annahmegemäß die zum Konsum bestimmten Einkommensteile voll verausgabt), mit der äußersten nun erreichbaren Indifferenzkurve (Abbildung "Haushaltstheorie - Haushaltsgleichgewicht"). - c) Änderungen des Einkommens: Die Auswirkungen von Änderungen der Konsumsumme, bspw. aufgrund einer Variation des Einkommens, lassen sich an Hand von Einkommens-Konsum-Kurven beschreiben, die sich als Verbindungslinie der aus den entsprechenden Parallelverschiebungen der Bilanzgerade resultierenden unterschiedlichen Haushaltsoptima ergeben. Aus ihnen lassen sich unmittelbar die auch als Engel-Kurven bekannten Einkommens-Nachfrage-Funktionen ermitteln (vgl. Abbildung "Haushaltstheorie - Ableitung der Nachfragefunktion"). Aufgrund unterschiedlicher Einkommenselastizitäten der Nachfrage lassen sich dabei superiore Güter und inferiore Güter unterscheiden. - d) Änderungen der Güterpreise: Wählt man nun eine andere Perspektive der Betrachtung, in der sich ceteris paribus die Güterpreise verändern, so kann das Nachfrageverhalten mittels der Preis-Konsum-Kurve (Nachfragefunktion des Haushalts) beschrieben werden, die sich wiederum als Verbindungslinie der unterschiedlichen Haushaltsoptima ergibt, die ihre Ursache in der durch die Preisänderung begründeten Drehung der Bilanzgeraden haben. Das Maß der Nachfrageveränderung ist durch die direkte Preiselastizität der Nachfrage bestimmt. Der Übergang vom alten zum neuen Haushaltsgleichgewicht kann gem. der Slutsky-Hicks-Gleichung als Substitutionseffekt und als Einkommenseffekt betrachtet werden. Ersterer beschreibt die Ersetzung des relativ teurer gewordenen Gutes durch das relativ verbilligte, letzterer bezieht sich auf die Realeinkommensveränderung, die eine Preisänderung stets impliziert. Ob sich insgesamt ein positiver oder negativer Nachfrageeffekt ergibt, hängt von der jeweiligen Stärke der Teileffekte ab. Im Normalfall wird die mengenmäßige Nachfrage entsprechend einer von links oben nach rechts unten fallenden individuellen Nachfragefunktion mit sinkendem Preis zunehmen (Abbildung "Haushaltstheorie - Wirkung einer Preisvariation auf den Haushaltskonsum"). Beim Auftreten des Giffen-Paradoxons läßt sich dagegen ein anomaler Verlauf ableiten, der eine Zunahme der Nachfrage nach einem Gut bei steigendem Preis bedingt. Eine Verbundenheit der betreffenden Preisänderung mit der Nachfrage nach anderen Gütern kann durch die Kreuzpreiselastizität der Nachfrage gemessen werden.
- e) Nachfrageinterdependenzen: Während die traditionelle Nachfragetheorie betont, daß sich die jeweils individuelle Nachfrage der Haushalte nach bestimmten Gütern isoliert voneinander entwickelt, werden im Bereich der Nachfrageinterdependenzen Prozesse der Wechselwirkung zwischen Haushalten untersucht. - f) Qualitätsunterschiede: Eine Erweiterung der herkömmlichen Theorie stellt die Berücksichtigung des Einflusses der Güterqualität auf das Nachfrageverhalten dar. Während bisher vornehmlich die Gütermengen die Nutzenposition des Haushaltes widerspiegelten, können nun auch Nachfragereaktionen in Folge von Qualitätsveränderungen dargestellt werden. Dabei wird die subjektive Bewertung der Qualität durch die Annahme in die Nutzenfunktion integriert, einem Gut werde seitens der Haushalte eine um so höhere Qualität beigemessen, je höher der Preis ist. Preisänderungen ziehen dann nicht nur einen Substitutionseffekt und Einkommenseffekt, sondern auch einen Qualitätseffekt nach sich. Variiert das Einkommen, so werden unterschiedliche Güterqualitäten dann relevant, wenn nach dem Erreichen einer mengenmäßigen Sättigungsgrenze nun Güter höherer Qualität verstärkt nachgefragt werden bzw. im Falle eines Einkommensverlusts die Haushaltsnachfrage auf Güter minderer Qualität verlagert wird. - g) Unvollständige Information: Läßt man unvollständige Information in der Haushaltstheorie zu, so müssen bestimmte Güter anhand des Kriteriums ihrer Qualitätssicherheit in Erfahrungsgüter, Suchgüter und Vertrauensgüter eingeteilt werden. - 2. Angebotstheorie des Haushalts als Theorie des Einkommenserwerbs durch das Faktorangebot des Haushalts: a) Ansatz: Durch sein Angebot von Arbeitsleistung als primärer Faktorleistung ist der Haushalt einerseits in der Lage, jenes Einkommen zu erzielen, das Voraussetzung für die Entfaltung seiner Nachfrage nach Konsumgütern ist. Andererseits ist das Arbeitsangebot auch ein Beitrag zu jener Faktorausstattung, die die Produktion der nachgefragten Endprodukte erst ermöglicht, womit die Einbindung des Haushalts in den volkswirtschaftlichen Kreislauf sowie die Interdependenz von Angebots- und Nachfragetheorie des Haushalts deutlich wird. - b) Die Höhe des individuellen Arbeitsangebotes hängt erstens von der Entscheidung des Haushalts über die Aufteilung der ihm zur Verfügung stehenden Zeit auf Arbeitstätigkeit und Freizeit ab, sowie zweitens von der Einkommenserzielung durch den Einsatz von Arbeitsleistungen zu einem gegebenen Lohnsatz. Beide Argumente stehen in engem Zusammenhang und bestimmen gemeinsam die Nutzenposition des Haushalts mit, da das Einkommen die Grundlage für die Aufstellung des optimalen Konsumplans und somit auch für die Erzielung von Nutzen aus Konsumgütern ist, so daß mit der Zeitaufteilung auch die Höhe des Nutzens, der aus dem Genuß von Freizeit resultiert, bestimmt wird. Enthalten ist hier die Annahme, daß Arbeit keinen direkten Nutzen stiftet, sondern als "Arbeitsleid" zu charakterisieren ist. Die zu einem bestimmten Lohnsatz realisierbaren Kombinationen von Freizeit und Einkommenserzielung können wiederum in Form einer Bilanzgleichung bzw. -gerade gefaßt werden, die in graphischer Darstellung durch eine Indifferenzkurve als gleichwertig betrachteter Kombinationen von Einkommen und Freizeit tangiert wird. Aus den Tangentialpunkten verschiedener Bilanzgeraden kann die Lohn-Freizeit-Kurve ermittelt werden, aus der folgerichtig - unter der Annahme, der Haushalt könne sein Arbeitsangebot frei wählen - die Arbeitsangebotskurve als der Zusammenhang zwischen Lohnsatz und Arbeitsangebot ableitbar ist (Abbildung "Haushaltstheorie - Arbeitsangebot des Haushalts"). Ihr konkreter Verlauf beruht auf der besonderen Lage und Gestalt der Indifferenzkurven.

Im Normalfall ist der Verlauf der Arbeitsangebotskurve umgekehrt S-förmig, d. h. für sehr niedrige Lohnniveaus invers, so daß bei fallendem Lohnsatz das Arbeitsangebot gesteigert werden muß, um das Existenzminimum zu sichern. Dabei können solche Veränderungen der Höhe des Arbeitsangebots mit Hilfe des Instrumentariums des Einkommenseffekts und des Substitutionseffektes betrachtet werden. Im Normalbereich wird aufgrund der zunehmenden Opportunitätskosten der Freizeit das Arbeitsangebot mit dem Lohnsatz steigen, während es für höhere Lohnniveaus, bei denen der Nutzen der Freizeit höher als das zusätzlich erzielbare Einkommen bewertet wird, fällt. Ähnliche Opportunitätskostenüberlegungen bestimmen das Kapitalangebot bzw. das Sparen des Haushaltes, im Zuge dessen auch der intertemporale Bezug von Konsum bzw. Nichtkonsum von Einkommensteilen Bedeutung gewinnt. - 3. Institutionelle Theorie der Haushaltung: a) Ansatz: Die institutionell orientierte Haushaltstheorie befaßt sich mit dem Nachfrageverhalten als einer Aktivität, die über die reine Konsumwahl hinausgeht. Nach Lancaster hängt dabei der Nutzen der Güter, unmittelbar von deren spezifischen Eigenschaften ab, die in unterschiedlicher Weise Nutzen stiften, und nur mittelbar von den nachgefragten Güterarten an sich. Damit unterliegt das nutzenmaximierende Verhalten des Haushalts zwar weiterhin der durch die Bilanzgerade bestimmten Einkommensrestriktion, ist aber um einen produktionstheoretischen Gesichtspunkt zu erweitern. Letzterer bringt den Zusammenhang zwischen den am Markt erworbenen Gütern und dem daraus zu ziehenden Nutzen zum Ausdruck. - b) Gütertransformation im Haushalt: Die Beschreibung der Transformation von Güterinputs in Nutzenoutputs durch den Haushalt erfolgt durch die Haushaltsproduktionsfunktion, deren inhaltliche Bestimmung als seine Konsumtechnik aufgefaßt wird. Die aus der Konsumaktivität des Haushalts resultierenden Outputs gehen nun als Argumente in die Nutzenfunktion ein. Der Haushalt hat also jene als effizient zu betrachtenden Konsumaktivitäten zu bestimmen, deren Verwirklichung ihm bei gegebener Konsumtechnik und gegebener Budgetgerade zur größten Menge bestimmter Gütereigenschaften verhilft. Die Bestimmungsgründe dieses Problems sind, da sie sich auf die objektiven Gütereigenschaften beziehen, für alle Haushalte gleich und unabhängig von der jeweiligen Präferenzstruktur. Letztere kommt ins Spiel, wenn der Haushalt aufgrund seiner Nutzenfunktion entscheidet, welche der effizienten Konsummöglichkeiten er tatsächlich zu realisieren beabsichtigt und welches Güterbündel in der Folge nachgefragt wird. - c) Zeitbedarf des Konsums: Den Zeitbedarf des Haushaltes zur Realisierung seiner Konsumaktivität berücksichtigt der Ansatz von Becker. Während eines bestimmten Betrachtungszeitraums muß nach Abzug der Arbeitszeit die verbliebene Zeit für Konsumaktivitäten ausreichend sein, diese auch zu verwirklichen. Gerade in Wohlstandsgesellschaften können die sich bietenden Möglichkeiten des Konsums so umfangreich sein, daß sie wegen knapper zur Verfügung stehender Konsumzeit nicht genutzt werden können. Auch hier wird ein produktionstheoretischer Ansatz gewählt, der den Haushalt am Markt erworbene originäre Konsumgüter in produzierte Konsumgüter transformieren läßt, die wiederum als Argumente in die Nutzenfunktion eingehen. Die Haushaltsproduktionsfunktion wird aber durch die Zeitinputs erweitert, die für diese Konsumaktivität benötigt werden. - Die Nutzenmaximierung unterliegt nun nicht mehr nur einer durch die Bilanzgerade widergespiegelten geldlichen, sondern auch einer zeitlichen Beschränkung. Die Verbindung zwischen der zur Verfügung stehenden Konsumzeit und der Höhe des Einkommens, unter Vernachlässigung des Transfer- und Besitzeinkommens verstanden als Arbeitseinkommen, wird durch die Entscheidung des Haushalts über die Allokation der verfügbaren Gesamtzeit auf Arbeits- und Konsumzeit bei gegebenem Lohnsatz hergestellt. Die Höhe des Einkommens variiert dann mit dem Anteil der Konsumzeit an der Gesamtzeit. Die Nutzenmaximierung kann folglich als Maximierung unter Nebenbedingungen mit zeitlichen und monetären Restriktionen betrachtet werden, deren Grenze durch das Totaleinkommen des Haushalts gegeben ist. Die damit mögliche Ableitung eines allgemeinen Haushaltsgleichgewichts im Becker-Modell ermöglicht also eine simultane Erklärung des Angebots- wie des Nachfrageverhaltens des Haushalts.


Literatur: Bender, D., Angebot des Haushalts, I: Arbeitsangebot, in: Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaften, Band 1, Stuttgart u. a. 1988, S. 223-232; Fehl, U./Oberender, P., Grundlagen der Mikroökonomie, 6. Auflage, München 1994; Felderer, B./Homburg, S., Makroökonomik und neue Makroökonomik, 5. Auflage, Berlin u. a. 1991; Friedman, M., A Theory of the Consumption Function, Princeton 1957; Gerfin, H./Heimann, P., Elastizität, in: Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaften, Band 2, Stuttgart u. a. 1988, S. 353-362; König, H., Konsumfunktionen, in: Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaften, Band 4, Stuttgart u. a. 1988, S. 513-528; Luckenbach, H., Nachfrage des Haushalts, in: Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaften, Band 5, Stuttgart u. a. 1988; Moritz, K.-H., Mikroökonomische Theorie des Haushalts, München, Wien 1993; Schumann, J., Grundzüge der mikroökonomischen Theorie, 6. Auflage, Berlin u. a. 1992; Seel, B. Ökonomik des privaten Haushalts, Stuttgart 1991; Stobbe, A., Volkswirtschaftslehre II, 2. Auflage, Berlin u. a. 1991.

 

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