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körperschaftsteuerliches Anrechnungsverfahren

durch die Körperschaftsteuerreform in das KStG neu eingeführtes Vollanrechnungssystem (Körperschaftsteuersysteme).
I. Grundlagen: 1. Ziel: Mit der Einführung des k. A. verfolgte der Gesetzgeber die Zielsetzung, die Mehrfachbelastung des Einkommens von Körperschaften exakt zu beseitigen und die ausgekehrten Gewinnanteile ausschl. mit dem individuellen Einkommensteuersatz der begünstigten Anteilseigner zur Steuer heranzuziehen. Zur Erreichung dieser Zielsetzung, die gegenüber der früheren Konzeption (KStG 1975) zu einschneidenden Änderungen auf der Gesellschafts- und Gesellschafterebene führt, hat sich der Gesetzgeber eines Systems der Vollanrechnung mit gespaltenem Steuersatz bedient. - 2. Das Anrechnungsverfahren ist gekennzeichnet durch vier Grundentscheidungen: a) Der Steuersatz beträgt im Regelfall 45% und ist auf das zu versteuernde Einkommen anzuwenden. - b) Die Belastung ausgeschütteter Gewinne auf der Gesellschaftsebene beläuft sich auf 30% vor Abzug der Körperschaftsteuer. - c) Diese Ausschüttungsbelastung wird auf der Gesellschafterebene auf die Einkommen- oder Körperschaftsteuer der Anteilseigner angerechnet. - d) Die Kapitalertragsteuer wird beibehalten. - 3. Wirkung: Das k. A. bewirkt, daß die Körperschaftsteuer ihren eigenständigen Charakter nicht verliert und als Aufwandsposition auf der Gesellschaftsebene erhalten bleibt. Die Herstellung einer einheitlichen Ausschüttungsbelastung auf der Gesellschaftsebene hat zur Folge, daß Steuerermäßigungen oder -befreiungen nicht von der Gesellschaft an den Gesellschafter weitergereicht werden können. (Ausnahmen in Konzernverbund vgl. Beteiligung an ausländischen Gesellschaften). Der Rechtsform der Kapitalgesellschaft kommt insoweit eine Abschirmwirkung zu. Steuerermäßigungen und -befreiungen haben nur noch den Effekt einer Steuerstundung, die im Ausschüttungsfall aufgehoben wird. - 4. Die Entlastung von Körperschaftsteuer vollzieht sich im Ausschüttungsfall in zwei Stufen: a) Die Herstellung der Ausschüttungsbelastung auf der Gesellschaftsebene macht eine Anpassung der Tarifbelastung an die Ausschüttungsbelastung erforderlich, was zu einer Körperschaftsteueränderung führt, soweit die Tarifbelastung der für Ausschüttungen als verwendet geltenden Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals nicht mit der Ausschüttungsbelastung übereinstimmt. - b) Die zweite Stufe der Entlastung vollzieht sich auf der Gesellschafterebene durch Anrechnung der Ausschüttungsbelastung auf die Steuerschuld des begünstigten Anteilseigners. Der Anrechnungsanspruch ist auf der Gesellschafterebene Einkommensbestandteil.
II. Gesellschafterebene: 1. Anrechnungsfähig ist ausschließlich inländische Körperschaftsteuer, die nach dem 31. 12. 1976 angefallen ist. - 2. Anrechnungsberechtigt sind nur Anteilseigner, bei denen die Ausschüttungen der inländischen Besteuerung unterliegen, da bei inländischen Anteilseignern nur insoweit die Notwendigkeit einer Eliminierung der Doppelbelastung mit inländischer Steuer besteht und bei ausländischen Anteilseignern eine Eliminierung der Doppelbelastung mit inländischer Körperschaft- und ausländischer Einkommensteuer ohne Einigung über einen Fiskalausgleich mit dem Ausland nicht finanzierbar ist. - Nichtanrechnungsberechtigt sind insbes.: a) ausländische Anteilseigner, soweit sie nicht ihre Anteile in einer inländischen Betriebsstätte halten, b) Körperschaften des öffentlichen Rechts, soweit die Anteile nicht in Betrieben gewerblicher Art gehalten werden, c) steuerbefreite Körperschaften, soweit die Befreiung reicht. - 3. Anrechnungsvorgang: Der Anrechnungsanspruch, der 3/7 der Bardividende ausmacht, kann grundsätzlich unabhängig von der Zahlung der Körperschaftsteuer auf der Gesellschaftsebene geltend gemacht werden. Erforderlich ist jedoch die Vorlage einer speziellen Bescheinigung, die von der ausschüttenden Körperschaft oder einem Kreditinstitut ausgestellt wird. Um die Zahl der Veranlagungsfälle nicht unnötig aufzublähen, kann der Anrechnungsanspruch auf Antrag auch im Vergütungsverfahren geltend gemacht werden. - 4. Für nichtanrechnungsberechtigte Anteilseigner erlangen grundsätzlich sowohl die Ausschüttungsbelastung als auch die einbehaltene Kapitalertragsteuer Definitivcharakter, was zu einer erheblichen Steuerbelastung insbes. der ausländischen Anteilseigner führen kann, da auch die ausländische Steuer berücksichtigt werden muß.
III. Gesellschaftsebene: 1. Prinzip: Zur exakten Beseitigung der Doppelbelastung muß auf der Gesellschaftsebene sichergestellt werden, daß die ausgeschütteten Gewinnanteile exakt mit 30% des ausgeschütteten Gewinns vor Abzug der Körperschaftsteuer belastet sind. Die dazu erforderliche Angleichung der Tarifbelastung an die Ausschüttungsbelastung macht eine besondere Rechnung erforderlich, da die Bezugsgrößen der Tarif- und Ausschüttungsbelastung, das zu versteuernde Einkommen und die Ausschüttungen, weder in sachlicher noch in zeitlicher Hinsicht übereinstimmen. Der intertemporale Zusammenhang zwischen der Einkommensentstehung und Einkommensverwendung (Ausschüttungen) wird durch das verwendbare Eigenkapital hergestellt, das in seinen unterschiedlich belasteten Teilbeträgen die Vermögensmehrungen in Abhängigkeit von ihrer steuerlichen Vorbelastung aufnimmt. Dem verwendbaren Eigenkapital werden neben den belasteten Einkommensteilen auch steuerfreie Vermögensmehrungen zugeführt. - 2. Die in § 28 III KStG enthaltene Fiktion verknüpft die Ausschüttungen in eindeutiger Weise mit den Teilbeträgen des verwendbaren Eigenkapitals. Nach dieser Abgangsregel gelten die am höchsten belasteten Teilbeträge zuerst als für Ausschüttungen verwendet. Die unbelasteten Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals gelten erst dann als für Ausschüttungen verwendet, wenn kein belastetes verwendbares Eigenkapital vorhanden ist. Die Körperschaftsteuer-Minderung gilt als Bestandteil der Ausschüttungen. - 3. Nicht abzugsfähige Aufwendungen sind Bestandteile des zu versteuernden Einkommens und erhöhen insoweit den Bestand an verwendbarem Eigenkapital. Um eine Eliminierung der Körperschaftsteuer-Belastung dieser Einkommensteile zu vermeiden, sieht § 31 KStG eine Verrechnung der nichtabziehbaren Aufwendungen mit den Teilbeträgen des verwendbaren Eigenkapitals vor, was bewirkt, daß die auf den nichtabziehbaren Ausgaben lastende Körperschaftsteuer Definitivcharakter erlangt. Die mit den ungemildert belasteten Einkommensteilen zu verrechnenden sonstigen nichtabziehbaren Ausgaben weisen eine körperschaftsteuerliche Definitivbelastung in Höhe von 81,82% auf. Das verwendbare Eigenkapital als spezifisch steuerrechtliche Größe ist nicht identisch mit dem Ausschüttungsvolumen der Gesellschaft, da a) das Ausschüttungsvolumen nur aufgrund der Handelsbilanz bestimmt werden kann und b) die Körperschaftsteuer-Minderungen das Ausschüttungspotential erhöhen, während es durch erforderliche Körperschaftsteuer-Erhöhungen gemindert wird. - 4. Die Herstellung der Ausschüttungsbelastung auf der Gesellschaftsebene ist auch für Kapitalrückzahlungen und Liquidationsraten erforderlich, soweit im Rahmen dieser Leistungen verwendbares Eigenkapital mit Ausnahme von EK 01 und EK 04 als verwendet gilt. Durch die Einbeziehung dieser Vorgänge in das Anrechnungsverfahren soll gewährleistet werden, daß sich die körperschaftsteuerliche Entlastung in einem geschlossenen System vollzieht, das in allen Fällen der Beseitigung der Doppelbelastung Rechnung trägt.
IV. Steuerpolitik: Durch die Einführung des k. A. sind für wesentliche Bereiche der Unternehmungspolitik neue Daten gesetzt worden. - 1. Rechtsformwahl: Die Höhe der Steuerbelastung wird auch weiterhin durch die Rechtsform mitbestimmt, da a) die Doppelbelastung im Substanz- und Gewerbeertragsteuerbereich weiter besteht, b) Leistungsvergütungen nur bei Kapitalgesellschaften mit steuerlicher Wirkung abgesetzt werden können, c) Steuerbegünstigungen der Kapitalgesellschaft nicht an die Anteilseigner weitergereicht werden können. - 2. Finanzierungsbereich: Durch den Einsatz der Schütt-aus-Hol-zurück-Politik kann eine höhere Tarifbelastung auf der Gesellschaftsebene auf eine niedrigere Ertragsteuerbelastung im Gesellschafterbereich herabgeschleust werden. Der kritische Grenzsteuersatz beim Anteilseigner ist durch die Körperschaftsteuerreform erhöht worden, was zu einer größeren Verbreitung des Verfahrens beitragen kann.

 

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