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Arbeitslosenversicherung

geschaffen 1927 durch das Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) vom 16. 7. 1927, gehört als letzter Zweig der deutschen sozialen Versicherung nach herrschender Lehrmeinung nicht zur Sozialversicherung i. e. S.; anders Art. 74 Nr. 12 GG: "die Sozialversicherung einschließlich der A.".
I. Geschichte: Erster Vorläufer eines institutionellen Schutzes gegen die Folgen der Arbeitslosigkeit in Deutschland war die Einführung einer Arbeitslosenunterstützung durch den Deutschen Buchdruckerverband (1879), eine binnen kurzer Zeit auch von anderen Gewerkschaften und von einigen Arbeitgebern übernommene Einrichtung zum Schutz der Arbeitnehmer im Fall der Arbeitslosigkeit. Daneben waren Gemeinden als Träger der Armenfürsorge zur Gewährung von Unterstützung verpflichtet, (1) direkt oder (2) durch Gewährung von Zuschüssen zu den von den Gewerkschaften gezahlten Unterstützungen. Während des Ersten Weltkriegs wurde die Erwerbslosenfürsorge durch staatliche Gesetze und Verordnungen institutionell gesichert und durch Bereitstellung besonderer Mittel geregelt bzgl. (1) Umfang und Voraussetzungen für den Bezug der Leistungen, (2) Mittelaufbringung, (3) Arbeitsvermittlung.
II. Wichtigste Rechtsgrundlage: Arbeitsförderungsgesetz (AFG) vom 25. 6. 1969 (BGBl I 582) m. spät. Änd.
III. Durchführung: Träger ist die Bundesanstalt für Arbeit (BA), deren Hauptstelle die Landesarbeitsämter und Arbeitsämter unterstellt sind.
IV. Beitragspflicht/Beitragsbemessungsgrenze: 1. Beitragspflichtig sind Personen, die als Arbeiter oder Angestellte gegen Entgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind (Arbeitnehmer), wenn nicht Beitragsfreiheit nach anderen Vorschriften besteht (§ 168 I AFG). Heimarbeiter stehen den Arbeitnehmern gleich. Beitragspflicht besteht auch für jugendliche Behinderte, die in einer Einrichtung für Behinderte an einer berufsfördernden Maßnahme teilnehmen, und für Jugendliche, die durch eine Beschäftigung in Einrichtungen der Jugendhilfe für eine Erwerbstätigkeit befähigt werden sollen. Wehr- und Zivildienstleistende sind i. d. R. beitragspflichtig, wenn sie vor ihrer Einberufung sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren oder eine solche Beschäftigung gesucht haben. Strafgefangene unterliegen der Beitragspflicht, wenn sie nach den Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes Arbeitsentgelt, Ausbildungsbeihilfe oder Ausfallentschädigung erhalten. Arbeitsunfähige Arbeitnehmer oder Arbeitnehmer, die an einem Heilverfahren teilnehmen, sind beitragspflichtig, wenn Kranken-, Verletzten- oder Übergangsgeld gezahlt wird und eine Beschäftigung oder der Bezug von Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder Unterhaltsgeld (Leistungen nach dem AFG) unterbrochen worden ist. - 2. Beitragsfreiheit besteht für Arbeitnehmer in einer Beschäftigung, für die nach dem SGB V Krankenversicherungsfreiheit besteht (z. B. Beamte, Richter, Berufssoldaten). Weiter sind beitragsfreie Arbeitnehmer in kurzzeitigen Beschäftigungen (weniger als 18 Stunden pro Woche), in einer geringfügigen Beschäftigung, in einer unständigen Beschäftigung. Arbeitnehmer, die das 65. Lebensjahr vollendet haben oder Erwerbsunfähigkeitsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen oder wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung stehen, sind ebenfalls beitragsfrei. Ebenso Schüler oder Studenten, die während der Dauer des Schul- bzw. Hochschulbesuchs als Arbeitnehmer beschäftigt sind wie auch Heimarbeiter, die gleichzeitig Zwischenmeister sind (vgl. §§ 169-169c AFG). - 3. Durch Beiträge in Höhe von 6,5 % des Arbeitslohnes, je zur Hälfte von Arbeitgeber und Arbeitnehmer getragen. Die Beitragsbemessungsgrenze entspricht der gleitenden Bemessungsgrenze in der Rentenversicherung. Die Beiträge werden zusammen mit den Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung abgeführt (vgl. Gesamtsozialversicherungsbeitrag, Lohnabzugsverfahren, Beitragsgruppen). - Für Pflichtversichrte der Knappschaftsversicherung gilt die Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung.
V. Leistungen: 1. Arbeitslosengeld: Das Arbeitslosengeld beträgt bei Arbeitslosen mit mindestens einem Kind im Sinne des Steuerrechtes knapp 70%, bei den übrigen Arbeitslosen etwas mehr als 60% des letzten Nettoentgelts. Das Arbeitslosenversicherung wird während der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes entsprechend der allgemeinen Lohnentwicklung dynamisiert. Nebeneinkommen werden angerechnet. - Die Anspruchsdauer für Arbeitslosengeld richtet sich nach der vorangegangenen Dauer der Beschäftigung und dem Lebensalter. Diese Dauer liegt zwischen etwa einem Monat (für unter 42 Jahre alte Arbeitslose mit einer vorherigen Beitragszahlungsdauer bis zu drei Jahren) und bis zu drei Jahren (für langjährig versicherte Arbeitslose, die 52 Jahre und älter sind). - Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, (1) wer arbeitslos ist, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und Arbeitslosengeld beantragt hat, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und die Anwartschaftszeit erfüllt hat. Diese hat erfüllt, wer innerhalb der letzten drei Jahre der Arbeitslosigkeitsmeldung insgesamt mindestens ein Jahr Beiträge zur Bundesanstalt für Arbeit gezahlt hat (oder z. B. als Wehr- oder Zivildienstleistender oder Bezieher von Krankengeld Zeiten vorweisen kann, die der Beitragszahlung gleichgestellt sind). (2) Arbeitnehmer, die das 65. Lebensjahr vollendet haben, zählen zum Schutzbereich der gesetzlichen Rentenversicherung und haben daher vom Beginn des Monats an, der auf die Vollendung des 65. Lebensjahrs folgt, keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. (3) Der Anspruch auf Arbeitslosengeld kann insbes. aufgrund von Abfindungen, aufgrund einer Eigenkündigung des Arbeitslosen ruhen. Bei Eigenkündigung beträgt die Sperrzeit in der Regel 12 Wochen. - 2. Arbeitslosenhilfe: Fürsorgeähnliche Lohnersatzleistung, die der Versicherungsleistung Arbeitslosengeld nach Voraussetzung, Bemessung und Verfahren angenähert ist. Ihre wesentliche Unterscheidung zum Arbeitslosengeld besteht in den erleichterten Zugangsvoraussetzungen, der Abhängigkeit von Bedürftigkeit sowie der Höhe und Dauer der Leistungsgewährung. Die Höhe der Arbeitslosenhilfe beträgt für Arbeitslose mit mindestens einem Kind im Sinne des Steuerrechts knapp 60%, im übrigen etwas mehr als 50% des für die Bemessung maßgeblichen pauschalierten Netto-Arbeitsentgelts. - Die Finanzierung erfolgt aus Steuermitteln des Bundes. - 3. Eingliederungsgeld: Aussiedlern steht anstelle der Lohnersatzleistung bei Arbeitslosigkeit das E. zu, das bis zur Dauer von 12 Monaten gewährt wird. Seine Höhe beträgt etwas mehr als 60% des durchschnittlichen pauschalierten Netto-Arbeitsentgelts der in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtigen Personen. - 4. Konkursausfallgeld: Das K. sichert für einen begrenzten Zeitraum die zurückliegenden Entgeltansprüche der Arbeitnehmer bei dauernder Zahlungsunfähigkeit ihres Arbeitgebers. Das K. wird von der Bundesanstalt für Arbeit in Höhe des rückständigen Nettoverdienstes gezahlt; daneben gegebenenfalls die Beiträge zur Sozialversicherung. - 5. Soziale Sicherung bei Zahlungsunfähigkeit von Selbständigen: Probleme der Lebensführung, die mit der Zahlungsunfähigkeit von Selbständigen (einschließlich Landwirten) zusammenhängen, werden traditionell nicht als Teil der sozialen Sicherung angesehen. - Unterscheidung: a) Faktisch gibt es für Selbständige eine soziale Absicherung, wenn sie ihre selbständige Tätigkeit mit Hilfe einer Unternehmensform mit beschränkter Haftung ausübten. Zahlungsunfähige Selbständige können ihren laufenden Lebensunterhalt dann aus ihren privaten Vermögen bestreiten, wodurch die Gläubiger die soziale Absicherung dieser zahlungsunfähigen Selbständigen quasi mitfinanzieren. - b) Darüber hinaus können sich Selbständige als Geschäftsführer (oder ähnliches) in ihrem Unternehmen einsetzen, wodurch sie formal abhängig beschäftigt und somit berechtigt sind, Arbeitslosengeld zu beziehen. Andere Selbständige sind ggf. durch die Sozialhilfe auf sehr niedrigem Niveau abgesichert. - 6. Sonstige Leistungen: Unterhaltsgeld; Übergangsgeld; Arbeitslosenbeihilfe; Berufsausbildungsbeihilfen; Kurzarbeitergeld; Wintergeld; Winterausfallgeld; allgemeine Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM); Maßnahmen zur Arbeitsbeschaffung für ältere Arbeitnehmer; Förderung der Arbeitsaufnahme (Zuschuß zu Bewerbungskosten, zu den Reise- und Umzugskosten, Arbeitsausrüstung, Trennungsbeihilfe, Überbrückungsbeihilfe u. a.); Beiträge zur Krankenversicherung und Rentenversicherung der Empfänger von Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe, Unterhaltsgeld, Kurzarbeitergeld, Wintergeld, Unfallversicherungsschutz für Personen, die nach dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG) der Meldepflicht unterliegen und nach Aufforderung einer Dienststelle der Bundesanstalt für Arbeit (BA) diese oder eine andere Stelle aufsuchen; Kosten für Maßnahmen der beruflichen Fortbildung und Umschulung.
VI. Kostenrechnung: Zur Behandlung der Beiträge des Arbeitgebers in der Kostenrechnung vgl. Arbeitgeberanteil, Sozialversicherung.

 

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