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Handelsrecht

I. Begriff/Einordnung: Handelsrecht ist das Sonderrecht des Kaufmanns, des Handelsstandes. - 1. Privatrechtliche Normen: Die Vorschriften des Handelsrecht betreffen im wesentlichen die Rechtsbeziehungen des Kaufmanns zu seinen Geschäftspartnern, die wettbewerbsrechtlichen und gesellschaftsrechtlichen Beziehungen zu anderen Unternehmern. Das Handelsgesetzbuch (HGB) vom 10. 5. 1897 (RGBl 219) m. spät. Änd. geht in § 1 HGB vom Kaufmannsbegriff aus, beschränkt diesen aber nicht auf die Tätigkeit der Güterverteilung, sondern bezieht auch die Industrie, den handwerklichen Großbetrieb und die Hilfsgewerbe in §§ 2-6 HGB ein. Zum Kaufmannsbegriff gehören Kommissionäre, Handelsvertreter, Handelsmakler, Bank- und Versicherungsunternehmen, Spediteure, Lagerhalter, Verlagsgeschäfte und die Geschäfte der Druckereien. - 2. Öffentlich-rechtliche Normen: Dies gilt für den Kaufmannsbegriff, das Handelsregisterrecht, die kaufmännische Buchführungspflicht, das Firmen- und Wettbewerbsrecht, das Privatversicherungs-, Bank- und Börsenrecht, das Aktienrecht und viele weitere Gebiete. - Der Schwerpunkt des Handelsrecht liegt beim Privatrecht.
II. Geltungsbereich: Das Handelsrecht gilt für alle Kaufleute mit Vorrang vor dem bürgerlichen Recht (Art. 2 EGHGB). Oft ergänzt das allgemeine bürgerliche Recht jedoch das H., z. B. bei der Vollmacht, dem Recht der OHG und KG, dem Kauf- und Werkvertragsrecht. Das Handelsrecht ist auch auf einseitige Handelsgeschäfte anzuwenden, bei denen nur ein Vertragspartner Kaufmann ist, es sei denn, daß die Geltung ausdrücklich auf beiderseitige Handelsgeschäfte beschränkt ist (z. B. die Mängelrüge gem. § 377 HGB). Für den Vollkaufmann, den Kaufmann, der ein Grundhandelsgewerbe nach § 1 HGB betreibt oder den im Handelsregister eingetragenen Soll-, Kann- und Formkaufmann, dessen Geschäfte nach Art und Umfang eine kaufmännische Betriebsführung erfordern, gilt das Handelsrecht in vollem Umfang. Für Minderkaufleute ist eine Reihe von Vorschriften des Handelsrecht nicht anwendbar (vgl. §§ 4 II, 351 HGB).
III. Rechtsquellen: 1. Handelsgesetzbuch vom 10. 5. 1897, das mit dem BGB am 1. 1. 1900 in Kraft getreten ist, ist in fünf Bücher gegliedert: a) Buch I: Handelsstand mit Normierung des Kaufmannsbegriffs, des Registerrechts, des Rechts der Firma, der besonderen handelsrechtlichen Vollmachten (Prokura, Handlungsvollmacht), des Rechts der Handlungsgehilfen, Handelsvertreter und Handelsmakler. b) Buch II: Handelsgesellschaften und stille Gesellschaft mit Regelung des Rechts der offenen Handelsgesellschaft, der Kommanditgesellschaft und der stillen Gesellschaft. c) Buch III: Handelsbücher mit den Vorschriften über die Buchführung und über das Bilanzrecht einschl. der Ergänzungen für Kapitalgesellschaften. d) Buch IV: Handelsgeschäfte mit allgemeinen Vorschriften für alle Handelsgeschäfte und Sonderbestimmungen für einzelne Vertragstypen. e) Buch V: Seehandel mit der Regelung des Seehandelsrechts. - 2. Nebengesetze: Diese betreffen das Wettbewerbsrecht, das Gesellschaftsrecht, das Wertpapierrecht, das Bankrecht und Börsenrecht. Außerdem zählen das Privatversicherungsrecht und das Recht des Buch- und Verlagshandels zu dem Handelsrecht - 3. Gewohnheitsrecht: Im gleichen Rang wie das Gesetzesrecht gilt das Gewohnheitsrecht, das im Handelsverkehr seit jeher eine erhebliche Bedeutung hat. Handelsbräuche beeinflussen die Gesetzgebung und das Gewohnheitsrecht (§ 346 HGB). - 4. Zusätzlich gelten im Handelsrecht viele internationale Vereinbarungen.
IV. Besonderheiten: Im Vertragsrecht spielen im Handelsrecht die Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine große Rolle, zumal das AGB-Gesetz bei Geschäftsbedingungen gegenüber einem Kaufmann nicht eingreift (§ 24 AGB-Gesetz). Unter Kaufleuten ist nach § 38 ZPO auch weiterhin die Gerichtsstandsvereinbarung zugelassen. - Das Wesen des Handelsrecht wird bestimmt vom Gedanken der Rechtssicherheit, vom Vertrauen in die Handlungen des Kaufmanns. Darauf beruhen der Ausbau des Registerwesens (Handelsregister, Genossenschaftsregister, Schiffsregister), die Ausbildung besonderer Vollmachten mit typisiertem Inhalt (Prokura, Handlungsvollmacht) und der erweiterte Vertrauensschutz bei der Rechtsscheinhaftung. - Das Handelsrecht dient dem Warenverkehr, der oft der besonderen Beschleunigung bedarf. Daher sind Formvorschriften teilweise aufgehoben oder gelockert (§§ 350, 351 HGB) und sollen auch Vertragsverletzungen einer beschleunigten Lösung zugeführt werden. Dies wirkt sich beim Zurückbehaltungsrecht (§ 369 HGB) und bei der Mängelrüge (§ 377 HGB) aus. Diesem Zweck dienen auch Vorschriften über die Gestaltung der Zivilgerichtsbarkeit. Im Wechsel- und Scheckprozeß wird der Beschleunigungsgrundsatz deutlich. Im Zivilprozeß sind außerdem bei den Landgerichten Kammern für Handelssachen eingerichtet (§§ 95 ff. GVG), die mit Berufs- und sachkundigen Handelsrichtern über Rechtsstreitigkeiten beschleunigt, teilweise aufgrund eigener Sachkunde (§ 114 GVG), entscheiden. Diese Kammern werden auch bei Beschwerdeentscheidungen im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, insbes. bei Registersachen, tätig. Daneben wird bei Streitigkeiten in Handelssachen oft von der Möglichkeit der Vereinbarung des Schiedsverfahrens (§§ 1025 ff. ZPO) Gebrauch gemacht.

 

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