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Wirtschaftsprüfung

I. Begriff: In der Literatur zum betriebswirtschaftlichen Prüfungswesen offenbar unterschiedlich gesehen und oft nicht definiert. Unter institutionellen Gesichtspunkten könnte man den gesamten Tätigkeitsbereich des Wirtschaftsprüfers, der keineswegs auf Prüfungen beschränkt ist, als Wirtschaftsprüfung betrachten. Funktional gesehen könnte Wirtschaftsprüfung alle Prüfungen (und nur diese) im wirtschaftlichen Bereich umfassen. Diese Sichtweise läßt sich weiter einengen, wenn nur dann von Wirtschaftsprüfung gesprochen wird, wenn der Prüfer mit der Unternehmung nicht durch einen Arbeitsvertrag verbunden (also extern) ist; andere betriebswirtschaftliche Prüfungsaufgaben fallen danach der internen Revision zu (Revision, Prüfung). Diese enge Vorstellung wird hier zugrunde gelegt. Wirtschaftsprüfung ist danach gekennzeichnet durch Prüfungen im prüfungstheoretischen Sinne, die von Personen ohne arbeitsvertragliche Bindungen an die Unternehmung, bei der die Prüfung durchzuführen ist, vorgenommen werden.
II. Gründe für W.: 1. Interessenkonflikte: Sind Sender (z. B. Ersteller von Jahresabschlüssen) und Empfänger (Informationsadressaten, z. B. Anteilseigner oder Gläubiger der Unternehmung) von Informationen (z. B. Jahresabschluß) nicht identisch, besteht die Gefahr von Informationsverzerrungen, weil die Interessen der Beteiligten divergieren können. Zur Beurteilung der Informationsqualität wird dann u. U. ein neutraler Dritter (Prüfer) beauftragt. - 2. Entscheidungskonsequenzen: Prüfung wird erst dann sinnvoll, wenn sich Konsequenzen hinsichtlich der Entscheidungen der Informationsempfänger ergeben. - 3. Probleme der Prüfung durch den Informationsempfänger: Ist die Überprüfung der Informationsqualität wegen mangelnden Sachverstands schwierig und deshalb evtl. nicht möglich, kann das vertrauenswürdige Urteil eines sachverständigen Dritten notwendig werden, falls die Kosten hierfür nicht unangemessen hoch sind. Weitere Gründe: Räumliche Trennung von Informationsersteller und -empfänger, gesetzliche und andere institutionelle Barrieren, zeitliche Begrenzungen und weitere Kostenträchtigkeit selbstdurchgeführter Prüfung.
III. Grundlagen: 1. Prüfungsaufträge: Auftrag richtet sich an einen bestimmten Prüfer bzw. ein bestimmtes Prüfungsorgan; er muß den Prüfungsgegenstand und die heranzuziehenden Normen spezifizieren. Juristisch Werkverträge. Für freie Prüfungen sind Prüfungsaufträge die wichtigste Grundlage. - 2. Gesetze und Verordnungen: Werden Prüfungspflichten für bestimmte Unternehmungen durch den Gesetz- bzw. Verordnungsgeber auferlegt, ist der Mindestinhalt dieser Prüfungen durch die betreffenden Vorschriften determiniert. Sind Prüfungsrechte bestimmter Personen oder Personenmehrheiten konstituiert, ist Grundlage der Prüfung der Prüfungsauftrag, für den Gesetze und Verordnungen lediglich den Rahmen darstellen. - 3. Grundsätze ordnungsmäßiger Prüfung: Ein System von Normen, mit dessen Hilfe die Ableitung vertrauenswürdiger Urteile tendenziell gesichert werden soll. Diese Normen können prinzipiell induktiv (aus Berufsübung und Gewohnheitsrecht) oder deduktiv (durch logische Ableitung aus Zwecken) ermittelt werden; sie sind ergänzend zu den sonstigen Grundlagen der Wirtschaftsprüfung heranzuziehen.
IV. Arten: 1. Prüfungen, für die keine gesetzlichen Pflichten bestehen, können sich auf die verschiedensten Bereiche beziehen (Prüfung). - 2. Gesetzliche Pflichtprüfungen: a) Periodisch wiederkehrende Prüfungen: Insbes. die Jahresabschlußprüfungen aufgrund allgemeiner gesetzlicher Bestimmungen und für Unternehmungen einzelner Branchen (insbes. Depotprüfung nach dem Kreditwesengesetz) und einzelner Rechtsformen (z. B. weiterreichende Prüfungspflichten bei Genossenschaften, genossenschaftliche Pflichtprüfung). - b) Wichtige aperiodisch wiederkehrende Pflichtprüfungen (Sonderprüfungen): (1) Gründungsprüfung nach §§ 33-35 AktG; sie muß nur dann durch einen Gründungsprüfer vorgenommen werden, wenn die Kriterien des § 33 II AktG vorliegen (ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats gehört zu den Gründern, Aktienübernahme bei Gründung für Rechnung eines Mitglieds des Vorstands oder des Aufsichtsrats, Ausbedingung eines besonderen Vorteils oder einer Entschädigung für die Gründung oder ihrer Vorbereitung durch ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats, Gründung mit Sacheinlagen oder Sachübernahmen). Nach GenG ist eine Gründungsprüfung durch den Prüfungsverband vorgesehen (§ 11 II 4 GenG). - (2) Umwandlungsprüfung: Bei Umwandlung nach dem AktG gelten dessen Vorschriften zur Gründungsprüfung sinngemäß (§ 362 IV AktG). Die einschlägigen Bestimmungen des UmwG gelten bei Umwandlungen gem. diesem Gesetz. - (3) Prüfung von Vorgängen bei der Gründung oder der Geschäftsführung, namentlich auch bei Maßnahmen der Kapitalbeschaffung und -herabsetzung: Hauptversammlung kann mit einfacher Mehrheit einen Sonderprüfer bestellen (§§ 142-144 AktG). - (4) Prüfung der Sacheinlagen bei Kapitalerhöhung nach § 183 III AktG. - (5) Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung (§§ 258 f. AktG): Sonderprüfer werden durch das Gericht auf Antrag bestellt, wenn die Voraussetzungen des § 258 I AktG erfüllt sind (nicht unwesentlich unterbewertete Posten in einem festgestellten Jahresabschluß oder Nichtvollständigkeit oder Nichtvorhandensein der vorgeschriebenen Angaben im Anhang und Nichtbeantwortung der Frage hierzu durch den Vorstand in der Hauptversammlung bei verlangter Aufnahme der Frage in die Niederschrift). - (6) Prüfung der Schlußbilanz der übertragenen Gesellschaft bei Verschmelzung (§ 345 III AktG): Prüfung ist Voraussetzung für die Eintragung der Verschmelzung durch das Registergericht. - (7) Prüfung des Jahresabschlusses bei Abwicklung: Gemäß § 270 II AktG muß eine Prüfung des Jahresabschlusses i. d. R. auch bei Abwicklung einer aufgelösten Gesellschaft erfolgen. - (8) Sonderprüfung der geschäftlichen Beziehungen der Gesellschaft zu der herrschenden Unternehmung gem. § 315 AktG, sofern die dort genannten Voraussetzungen vorliegen (Einschränkung oder Versagung des Bestätigungsvermerks des Abschlußprüfers zum Bericht über die Beziehungen zu verbundenen Unternehmen; Erklärung des Aufsichtsrats, daß Einwendungen gegen die Erklärung des Vorstands am Schluß des Berichts über die Beziehungen zu verbundenen Unternehmen gegeben sind; Erklärung des Vorstands, daß die Gesellschaft durch bestimmte Rechtsgeschäfte oder Maßnahmen benachteiligt worden ist, ohne daß die Nachteile ausgeglichen worden sind).

 

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