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Sozialprodukt

I. Begriff: Unterschieden wird zwischen Bruttosozialprodukt (BSP) und Nettosozialprodukt (NSP). Das Bruttosozialprodukt ist ein Maß für die wirtschaftliche Leistung einer Volkswirtschaft in einer Periode. Es entspricht dem Wert aller in der Periode produzierten Güter (Waren und Dienstleistungen), jedoch ohne die Güter, die als Vorleistungen bei der Produktion verbraucht wurden, und einschl. der aus dem Ausland netto empfangenen Erwerbs- und Vermögenseinkommen. Das BSP, eine zentrale Größe der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR), bezieht sich auf die wirtschaftliche Betätigung der Inländer, also der Institutionen und Personen, die ihren ständigen Sitz bzw. Wohnsitz im Inland, hier dem Gebiet der Bundesrep. D., haben. - Zu unterscheiden ist es vom Bruttoinlandsprodukt (BIP), das die im Inland entstandene wirtschaftliche Leistung umfaßt (Wertschöpfung). - BSP und BIP unterscheiden sich um den Saldo der Erwerbs- und Vermögenseinkommen zwischen Inländern und der übrigen Welt. Das BSP enthält keine Erwerbs- und Vermögenseinkommen, die an Ausländer fließen, schließt dagegen entsprechende Einkommen ein, die die Inländer aus dem Ausland beziehen. - Mit dem BSP in konstanten Preisen wird die reale Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Leistung dargestellt; es wird auch als globales Maß für das wirtschaftliche Wachstum einer Volkswirtschaft verwandt (reales Sozialprodukt). Die Entwicklung des realen BIP je Erwerbstätigen gibt einen Anhaltspunkt über die Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen (Arbeits-)Produktivität (vgl. Tabelle 1). - Werden vom Bruttosozialprodukt (BSP) die Abschreibungen auf das Anlagevermögen abgezogen, erhält man das Nettosozialprodukt (NSP). Je nach Berücksichtigung der indirekten Steuern und Subventionen spricht man vom BSP zu Marktpreisen oder vom BSP zu Faktorkosten. Die Übersicht (vgl. Tabelle 2) zeigt diese Zusammenhänge im einzelnen. Das NSP zu Faktorkosten ist identisch mit dem Volkseinkommen.
II. Berechnung: Grundsätzlich von drei Seiten her: von der Entstehungs-, Verwendungs- und Verteilungsseite. Die statistischen Grundlagen erlauben zur Zeit nur unmittelbare Berechnungen des BSP von der Entstehungs- und Verwendungsseite. - 1. Entstehungsrechnung: Von seiner Entstehung her gesehen, wird das BSP über das BIP berechnet, d. h. es wird der Saldo der Erwerbs- und Vermögenseinkommen zwischen Inländern und der übrigen Welt zum BIP hinzugefügt. Das BIP ergibt sich aus der Summe der um die unterstellten Entgelte für Bankdienstleistungen bereinigten Bruttowertschöpfung (Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen) aller Wirtschaftsbereiche zuzüglich der nichtabzugsfähigen Umsatzsteuer und der Einfuhrabgaben (vgl. Tabelle 3). - Die Bruttowertschöpfung eines Wirtschaftsbereichs wird durch Abzug der Vorleistungen vom Produktionswert ermittelt. Der Produktionswert umfaßt die Verkäufe von Waren und Dienstleistungen an andere Wirtschaftseinheiten, die Lagerveränderung an eigenen Erzeugnissen und den Wert der selbsterstellten Anlagen. Als Vorleistungen werden die Waren und Dienstleistungen bezeichnet, die von anderen Wirtschaftseinheiten bezogen und im Rahmen der Produktion verbraucht wurden. Seit 1968 schließen die Produktionswerte die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer und die Vorleistungen die abzugsfähige Umsatzsteuer nicht mehr ein. Zieht man von der Bruttowertschöpfung die Abschreibungen und die um die Subventionen verminderten Produktionssteuern (indirekte Steuern ohne Umsatzsteuer und ohne Einfuhrabgaben) ab, so erhält man die Nettowertschöpfung zu Faktorkosten, die die in dem Wirtschaftsbereich entstandenen Einkommen aus unselbständiger Arbeit und aus Unternehmertätigkeit und Vermögen umschließt (vgl. Tabelle 4) . - 2. Verwendungsrechnung: Von der Verwendungsseite betrachtet umfaßt das Bruttosozialprodukt (zu Marktpreisen) die für die letzte Verwendung verfügbaren Waren und Dienstleistungen (also ohne Vorleistungen), vermindert um den Wert der eingeführten Güter (vgl. Tabelle 5). - Zur Verwendung des BSP zählen der letzte Verbrauch (privater Verbrauch und Staatsverbrauch), die Bruttoinvestitionen (Anlageinvestitionen - vor Abzug der Abschreibungen - und Vorratsveränderung) sowie der Außenbeitrag. - Zum privaten Verbrauch rechnen die Käufe von Waren und Dienstleistungen der privaten Haushalte (Wohnungskäufe gelten allerdings als Investitionen), ergänzt um bestimmte unterstellte Käufe (z. B. Nutzung eigener Wohnungen) und der Eigenverbrauch von privaten Organisationen ohne Erwerbszweck. - Der Staatsverbrauch umfaßt die der Allgemeinheit unentgeltlich zur Verfügung gestellten Dienstleistungen des Staates. - Investitionen sind Käufe der Unternehmen, des Staates und privater Organisationen von Bauten und Ausrüstungsgütern mit einer Nutzungsdauer von mehr als einem Jahr, der Wert selbsterstellter Anlagen sowie die Vorratsveränderung an bezogenen und selbstproduzierten Erzeugnissen. - Zur Aus- und Einfuhr zählen die Verkäufe und Käufe von Waren und Dienstleistungen zwischen Inländern und der übrigen Welt, die bei der Darstellung des BSP die Erwerbs- und Vermögenseinkommen zwischen Inländern und der übrigen Welt einschließen. - Die Aggregate der Verwendungsseite des BSP werden sowohl in Preisen des jeweiligen Berichtsjahres als auch in konstanten Preisen eines festen Basisjahres berechnet, um auch die reale Entwicklung darstellen zu können. - 3. Verteilungsrechnung: Die Ableitung der Nettowertschöpfung und damit des Volkseinkommens aus dem Bruttosozialprodukt zu Marktpreisen wurde bereits erläutert. Das Volkseinkommen umfaßt alle Erwerbs- und Vermögenseinkommen, die inländischen Wirtschaftseinheiten aus dem Inland und der übrigen Welt zugeflossen sind. Unterschieden werden dabei die Einkommen aus unselbständiger Arbeit und die Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen. In der Darstellung der primären Einkommensverteilung wird für die einzelnen Sektoren der Anteil am Volkseinkommen ermittelt, indem von den entstandenen und von den anderen Sektoren empfangenen Erwerbs- und Vermögenseinkommen eines Sektors die an andere Sektoren geleisteten Erwerbs- und Vermögenseinkommen abgezogen werden (vgl. Tabelle 6). - Zu den hier nachgewiesenen Erwerbs- und Vermögenseinkommen zählen u. a. Lohn- und Gehaltszahlungen, Zins- und Pachtzahlungen, Dividenden und sonstige Ausschüttungen der Unternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit und die gesamten Einkommen der Unternehmen ohne eigene Rechtspersönlichkeit, jeweils vor Abzug der Steuern, Sozialbeiträge u. ä. An die primäre Einkommensverteilung schließt sich die sekundäre Einkommensverteilung (Einkommensumverteilung hauptsächlich über den Staat) an, in der das verfügbare Einkommen der Sektoren durch Abzug der an andere Sektoren geleisteten laufenden Übertragungen vom Anteil am Volkseinkommen und durch Addition der von anderen Sektoren empfangenen laufenden Übertragungen berechnet wird. Beispiele für laufende Übertragungen sind Transferzahlungen (Transfers), wie Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung einerseits, und Transfereinkommen, wie Rentenzahlungen, Arbeitslosengeld, Sozialhilfe, andererseits. - Die sektorale Einkommensverteilung kann verfeinert dargestellt werden, indem beispielsweise die privaten Haushalte weiter nach Haushaltsgruppen (etwa in sozio-ökonomischer Gliederung) unterteilt werden. Dabei können die Einkommen auch nach der Höhe der Haushaltseinkommen geschichtet werden.
III. Sozialprodukt als Wohlstandsmaß: Das Sozialprodukt als Wohlstandsmaß wird aus zwei Gründen kritisiert: (1) Unzureichende Möglichkeit des Messens aller in einer Volkswirtschaft erbrachten Leistungen: Diese Kritik bezieht sich vor allem auf das Nichterfassen aller innerhalb von Haushalten erbrachten Leistungen sowie aller anderen Leistungen, die nicht in offizieller Erwerbsarbeit erstellt werden, sondern der sog. Schattenwirtschaft zugerechnet werden müssen. (2) Unzureichende Berücksichtigung von bestimmten qualitativen Eigenschaften der wirtschaftlichen Entwicklung: Diese Kritik wurde (und wird) unter der Diskussion quantitatives versus qualitatives W. geführt. Die Forderung nach einem qualitativen wirtschaftlichen W. bezieht sich dabei auf verschiedene wünschenswerte Eigenschaften der Entwicklung. Im Vordergrund stehen eine Verringerung der Ungleichheit der personellen Einkommensverteilung und eine möglichst geringe Beeinträchtigung der Umwelt: (a) Verteilungsfragen können nur mit expliziten Wertungen bzgl. der Gerechtigkeitsvorstellung beantwortet werden. (b) Die Problematik einer zunehmenden Beeinträchtigung unserer Lebensumwelt durch wirtschaftliches W. wurde in umfassender Weise erstmals im Wachstumsbericht des Massachussetts Institut of Technologie unter Leitung von Meadows (1972) für den Club of Rome analysiert (Grenzen des Wachstums).

 

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