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Gewerbesteuer

I. Grundsätzliches: Vgl. Gewerbebesteuerung.
II. Bundesrep. D.: 1. Rechtsgrundlagen: Gewerbesteuergesetz (GewStG 1991) i. d. F. vom 21. 3. 1991 (BGBl I 814), geändert durch das Gesetz zur Entlastung der Familien und zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Investitionen und Arbeitsplätze vom 25. 2. 1992 (Steueränderungsgesetz 1992; BGBl I 297); Gewerbesteuer-Richtlinien (GewStR). - 2. Charakterisierung: a) Begriff: Gewerbesteuer ist eine Realsteuer (Objektsteuer), die das Objekt Gewerbebetrieb besteuert, ohne persönliche Verhältnisse zu berücksichtigen. b) Hebeberechtigt für die Gewerbesteuer sind die Gemeinden, in denen sich Betriebsstätten des Gewerbebetriebes befinden. Die Gemeinden bestimmen den Hebesatz, mit dem die Gewerbesteuer aufgrund des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrages erhoben wird. c) Steuergegenstand und Besteuerungsgrundlagen: Der Gewerbesteuer unterliegen Gewerbebetriebe i. S. des EStG (vgl. im einzelnen Gewerbebetrieb IV). Besteuert werden: (1) Gewerbeertrag; (2) Gewerbekapital, wobei in den Jahren 1991 bis mindestens 1996 im Beitrittsgebiet lediglich der Gewerbebeitrag besteuert wird (Gewerbekapital). Die Steuer auf den Gewerbeertrag wird als Gewerbeertragsteuer, die auf das Gewerbekapital als Gewerbekapitalsteuer bezeichnet. - Vgl. auch Schachtelprivileg III 2. d) Ermittlung und Erhebung: Durch Anwendung der Steuermeßzahlen auf Gewerbeertrag und Gewerbekapital sind die Steuermeßbeträge für den Erhebungszeitraum (Kalenderjahr) zu errechnen. (1) Der Gewerbeertrag ist auf volle 100 DM abzurunden und bei natürlichen Personen und Personengesellschaften um einen Freibetrag in Höhe von 48.000 DM zu kürzen. Ab 1993 gilt für Personenunternehmer ein gewerbeertragsteuerlicher Staffeltarif, wobei im Beitrittsgebiet Sonderregelungen greifen. Die Steuermeßzahl beträgt für die ersten 24.000 DM 1%, für die zweiten 24.000 2%, etc. und ab 96.000 DM Meßbetrag dann 5% (§ 11 GewStG). Bei Ermittlung des Steuermeßbetrages nach dem Gewerbeertrag sind Gewerbeverluste der vorhergehenden Erhebungszeiträume zu berücksichtigen. (2) Das Gewerbekapital ist auf volle 1.000 DM abzurunden und um einen Freibetrag in Höhe von 120.000 DM bei allen Unternehmungen zu kürzen; die Steuermeßzahl beträgt 2‰. (3) Die Summe der Steuermeßbeträge nach dem Gewerbeertrag und dem Gewerbekapital bildet den einheitlichen Steuermeßbetrag, der vom Betriebsfinanzamt durch Steuermeßbescheid (sog. Gewerbesteuermeßbescheid) festgestellt wird. Bei mehreren Betriebsstätten eines Gewerbebetriebes in verschiedenen Gemeinden zerlegt das Betriebsfinanzamt den einheitlichen Steuermeßbetrag und verteilt ihn durch Zerlegungsbescheid auf die hebeberechtigten Gemeinden (Zerlegung). (4) Die Gemeinden errechnen die Gewerbesteuer durch Anwendung des Hebesatzes, dessen Höhe durch die Gemeinden für jedes Rechnungsjahr selbst festgesetzt wird, auf den ihnen zustehenden einheitlichen Steuermeßbetrag und erteilen den Gewerbesteuerbescheid. - Der Hebesatz muß für alle in einer Gemeinde gelegenen Unternehmen gleich sein. e) Vorauszahlungen: Am 15. 2., 15. 5., 15. 8. und 15. 11. in Höhe eines Viertels der G., die sich bei der letzten Veranlagung ergeben hat, vom Steuerschuldner zu entrichten. Änderung der vom Finanzamt festgesetzten Vorauszahlungen für Körperschaft- bzw. Einkommensteuer aufgrund zu erwartender Gewinne bewirken Neufestsetzung des einheitlichen Steuermeßbetrages, an den die Gemeinden bzgl. der Höhe der Vorauszahlungen gebunden sind. f) Steuerschuldner: Der Unternehmer, bei einer Personengesellschaft die Gesellschaft. Bis zum Übergang eines Gewerbebetriebes auf einen anderen Unternehmer ist der alte Unternehmer Steuerschuldner. Die Übertragung wirkt - wenn keine Vereinigung vorliegt - wie Neugründung. - 3. Rechtsmittel: Anfechtung des Steuermeßbescheids und Zerlegungsbescheids durch Einspruchsverfahren beim Finanzamt. Anfechtung des Gewerbesteuerbescheids, der von der Gemeinde erteilt wird, nach landesrechtlichen Bestimmungen; Widerspruch bei der Gemeinde; bei dessen Abweisung ist die Klage vor dem Verwaltungsgericht möglich. Rechtsmittel gegen den Gewerbesteuerbescheid können nicht mit Unrichtigkeit des Steuermeßbetrages begründet werden. Erfolgreich durchgeführtes Rechtsmittelverfahren gegen Steuermeßbescheid oder Zerlegungsbescheid bewirkt auch Änderung des Gewerbesteuerbescheids. - 4. Ertragsteuerliche Behandlung: Die Gewerbesteuer ist eine Kostensteuer, d. h. sie kann als Betriebsausgabe im Sinne des EStG vom steuerpflichtigen Gewinn abgesetzt werden und ist wie diese zu verrechnen. Daraus folgt, daß die Gewerbesteuer sowohl die Bemessungsgrundlage der Gewerbeertragsteuer als auch die Bemessungsgrundlage der Einkommen- oder Körperschaftsteuer mindert (Gewerbesteuer-Rückstellung). - 5. Finanzwissenschaftliche Beurteilung: a) Einordnung: Die Gewerbesteuer ist eine Gemeindesteuer. Trotz Gewerbesteuerumlage ist die Gewerbesteuer die tragende Säule des kommunalen Finanzsystems geblieben mit über 40% Anteil an den Gemeindesteuereinnahmen. b) Kritik: Die Gewerbesteuer ist die meistkritisierte Steuer des Steuersystems. Argumente: (1) Wertschöpfende Sektoren werden nur selektiv erfaßt, z. B. bleiben die Land- und Forstwirtschaft und die freien Berufe steuerfrei. (2) Mit dem Äquivalenzprinzip kann die Gewerbesteuer nicht mehr gerechtfertigt werden, da die Gemeinden nicht allein für die gewerbliche Wirtschaft, sondern auch für andere Berufe, für Familien (Schulen, Krankenhäuser, Wohngebiete) und für das allgemeine Verkehrsnetz Aufwendungen haben. (3) Das analytische Konzept der Aufspaltung der Gewerbesteuer in die Teilsteuern Gewerbeertrag- und Gewerbekapitalsteuer ist weder logisch noch realisierbar. (4) Die Zweifachbelastung der Eigen- und Fremdkapitalverzinsung durch die beiden Teilsteuern ist unsystematisch und allokativ nachteilig. (5) Freibeträge für Ertrag und Kapital sind mit dem Charakter einer "Objektsteuer" nicht vereinbar; die Folge ist die Denaturierung der Gewerbesteuer zu einer "Großbetriebsteuer". (6) Das Aufkommen an Gewerbesteuer ist regional äußerst unterschiedlich; es führt zu hohem Aufkommen in industriellen Ballungsgebieten. (7) Die Gewerbesteuer führt zu Wettbewerbsnachteilen im Außenhandel gegenüber jenen Ländern, die keine Gewerbesteuer kennen; ein Grenzausgleich wie in der Mehrwertsteuer findet nicht statt. (8) Die große Konjunkturempfindlichkeit der Gewerbeertragsteuer, für die Gemeinden ein fiskalischer Nachteil, wird ergänzt durch einen Nachteil für die Gewerbebetriebe, wenn bei nachlassender Konjunktur die Gewerbekapitalsteuer Fixkostencharakter erhält (Sollertragsbesteuerung). - Vgl. auch Gewerbebesteuerung. c) Reform: Für die Akzeptanz der unterschiedlichen Reformmodelle gilt die Hebesatzautonomie als conditio sine qua non. Weitere wesentliche Punkte bilden die Kriterien für ein "optimales" Gemeindesteuersystem (vgl. näher dort). Reformmodelle: (1) Wertschöpfungsteuer: Der Wertschöpfungsteuer gelingt die breiteste Lastverteilung; sie ist relativ konjunkturunempfindlich; wegen des niedrigen Steuersatzes (2% bis 3%) ist sie nicht sonderlich merklich. (2) Gemeindeaufschlag auf Lohn- und Einkommensteuer: Hohe Merklichkeit, zugleich ist der Kreis der Belasteten gegenüber der heutigen Gewerbesteuer erweitert. (3) Beteiligung der Gemeinden am Umsatzsteueraufkommen: Erweitert den Kreis der Steuerzahler und -träger, ist aber weniger merklich. (4) Eine Kombination der Modelle kann die jeweiligen Vorteile miteinander verbinden und zusammen mit dem Hebesatzrecht der Gemeinden die Finanzierung der Gemeindeleistungen und die Beteiligung der Bürger daran transparenter machen. Eine "Revitalisierung" der Gewerbesteuer oder ihre "Anrechnung" auf andere, von den Betrieben zu zahlende Steuerarten kann die Nachteile der Gewerbesteuer nicht beheben. Derzeit ist nicht zu erkennen, welches Reformmodell politisch durchzusetzen sein wird. (5) Der Versuch, für die Sonderbelastung der Betriebe mit Gewerbesteuer einen Ausgleich zu schaffen, liegt in der Einführung eines reduzierten Spitzensteuersatzes von 47% (statt 53%) bei der ESt. für Gewinne, die der Gewerbesteuer unterlegen haben. - 6. Aufkommen: 1995: 42.151,8 Mill. DM (1990: 38.796 Mill. DM 1985: 30.759 Mill. DM, 1981: 26.069 Mill. DM, 1979: 28.385 Mill. DM, 1975: 20.896 Mill. DM, 1970: 12.117 Mill. DM, 1965: 10.283 Mill. DM, 1959: 6.468 Mill. DM, 1955: 3.727 Mill. DM); bis 1979 einschl. Lohnsummensteuer.

 

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