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Schachtelprivileg

I. Begriff: Instrument zur Vermeidung ertrag- oder substanzsteuerlicher Mehrfach- oder Doppelbelastungen, die sich bei der Verschachtelung von Kapitalgesellschaften ergeben. Im Falle von Schachtelgesellschaften werden die Gewinne bzw. die Beteiligungswerte aus der Bemessungsgrundlage der jeweiligen Steuerart ausgenommen. Es handelt sich nicht um ein für die begünstigten Gesellschaften geschaffenes "Privileg", sondern um eine notwendige Korrektur zur Vermeidung von Mehrfachbesteuerungen.
II. Inländisches Sch.: Findet nach der Körperschaftsteuerreform nur noch im Bewertungs- und Gewerbesteuerrecht Anwendung. 1. Körperschaftsteuerrecht: Das körperschaftsteuerliche Sch. wurde mit Einführung des körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahrens abgeschafft. - 2. Bewertungsrecht: a) Folgende Voraussetzungen müssen erfüllt sein (§ 102 I BewG): (1) Eine inländische Kapitalgesellschaft, Erwerbs- oder Wirtschaftsgenossenschaft (ohne Abzugsmöglichkeit von Geschäftsguthaben nach § 102 I BewG) sowie andere bestimmte juristische Personen des öffentlichen und privaten Rechts (Obergesellschaften) müssen an einer inländischen Kapitalgesellschaft, Erwerbs- oder Wirtschaftsgenossenschaft oder einer anderen inländischen Kreditanstalt des öffentlichen Rechts beteiligt sein. (2) Die Obergesellschaft muß unmittelbar am Grund- oder Stammkapital bzw. Geschäftsguthaben (ist beides nicht vorhanden, am Vermögen) der Untergesellschaft beteiligt sein. (3) Die Beteiligung muß an den Aktien oder Geschäftsanteilen bestehen (nur Gesellschafterrechte sind maßgeblich, nicht etwa Gläubigerrechte wie Obligationen und Schuldverschreibungen), mindestens 10% betragen und ununterbrochen seit mindestens zwölf Monaten vor dem maßgebenden Abschlußzeitpunkt bestanden haben. - b) Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so hat das bewertungsrechtliche Sch. zur Folge, daß die Beteiligung nicht zum Einheitswert des Betriebsvermögens gehört; dadurch unterliegt die Schachtelbeteiligung auf der Gesellschaftsebene nicht der Substanzbesteuerung. Stehen allerdings Schulden in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Beteiligung, so sind diese bei der Ermittlung des Betriebsvermögens insoweit nicht abzugsfähig, als sie zur Finanzierung des Beteiligungserwerbs aufgenommen wurden (sog. Schachtelstrafe); ein etwaig darüber hinaus gehender Betrag (Schuldenüberhang) darf dagegen abgezogen werden. - 3. Gewerbesteuerliches Sch.: a) Nur in diesem Bereich zählen auch Personenunternehmen zum Kreis der begünstigten Steuerpflichtigen. Dies gilt sowohl für die Gewerbeertragsteuer gem. § 9 Nr. 2 a GewStG als auch für die Gewerbekapitalsteuer gem. § 12 III Nr. 2 a GewStG. Voraussetzungen dafür sind: (1) Die Organgesellschaft muß eine nicht steuerbefreite inländische Kapitalgesellschaft i. Schachtelprivileg d. § 2 II GewStG oder eine Kreditanstalt des öffentlichen Rechts sein. (2) Das gewerbesteuerpflichtige Unternehmen muß (a) für die Gewerbeertragsteuer seit Beginn des Erhebungszeitraumes ununterbrochen bzw. (b) für die Gewerbekapitalsteuer am 1.1. des Jahres mindestens zu 10% bestehen. (3) Die Gewinnanteile bzw. der Beteiligungswert müssen im Gewinn bzw. im Einheitswert enthalten sein. - b) Sind diese Voraussetzungen gegeben, so werden die Gewinnanteile bzw. die Beteiligungswerte bei der Ermittlung des Gewerbeertrags bzw. -kapitals gekürzt (Gewerbesteuer).
III. Grenzüberschreitende Sch.: Diese leiten sich sowohl aus nationalen als auch aus internationalen Normen ab (Außensteuerrecht (AStR), internationales Steuerrecht). 1. Internationale Sch.: Von größter Bedeutung sind die in Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) verankerten internationalen Sch. Je nach Geltungsbereich des Abkommens erstrecken sie sich auf die Körperschaft-, Gewerbe- und Vermögensteuer. Internationale Sch. bezwecken die Vermeidung der internationalen wirtschaftlichen Doppelbesteuerung. Die Sch. bedienen sich dabei der Freistellungsmethode (Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung II 1) mit der Folge, daß Gewinnausschüttungen bzw. Beteiligungen letztlich nur im Domizilstaat der Auslandsgesellschaft besteuert werden. - a) Voraussetzungen für die Gewährung des internationalen Sch.: (1) Die ausländische Gesellschaft ist als (Kapital-) Gesellschaft zu qualifizieren. (2) Die inländische Muttergesellschaft ist eine Kapitalgesellschaft (ggf. eine als Bankinstitut tätige Körperschaft des öffentlichen Rechts). (3) Die Beteiligungshöhe beträgt mindestens 10%; eine Mindestbesitzzeit wird i. d. R. nicht gefordert. (4) Im Gegensatz zu den nationalen werden die internationalen Sch. in den meisten Fällen nur dann gewährt, wenn die Auslandsgesellschaft bestimmte Sachzielvoraussetzungen erfüllt, die in einer sog. Aktivitätsklausel niedergelegt sind. Dadurch soll sichergestellt werden, daß nur diejenigen Auslandseinkünfte von der deutschen Besteuerung freigestellt werden, die durch bestimmte, tatsächlich im Ausland entfaltete Tätigkeiten erwirtschaftet wurden; lediglich künstliche Einkommens- und Vermögensverlagerungen sollen verhindert werden. - b) Inhalt: Die Freistellung von der deutschen Besteuerung wird nur für Dividendeneinnahmen gewährt, wobei auf die Dividendendefinition des jeweiligen DBA zurückzugreifen ist. Betriebsausgaben der deutschen Muttergesellschaft, die mit den steuerbefreiten Dividendeneinnahmen "in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen", wie z. B. Finanzierungsaufwendungen zur Anschaffung der Beteiligung, dürfen nicht abgezogen werden (§ 3 c EStG). Die Steuerfreiheit der ausländischen Dividendeneinkünfte bleibt nach Einführung des § 8 b KStG im Konzernverbund bestehen, sofern die empfangende Körperschaft die Voraussetzungen des § 8 b I KStG erfüllt. Für den unbeschränkt einkommensteuer- oder körperschaftsteuerpflichtigen Anteilseigner, der die Voraussetzungen des § 8 b I KStG nicht erfüllt, ändert sich im Ergebnis nichts gegenüber dem alten Rechtsstand, d. h. hier geht die Steuerfreiheit der ausländischen Einkünfte verloren, wenn diese Einkünfte von der Muttergesellschaft an diese Anteilseignergruppe ausgeschüttet werden. Im Bereich der Gewerbe- und der Vermögensteuer ergeben sich bzgl. der Rechtsfolgen des Sch. keine Besonderheiten. Bedeutsam sind lediglich die Voraussetzungen, die im einzelnen dem jeweiligen DBA zu entnehmen sind. - 2. Greift kein internationales Sch. entlastend ein, so kommt im Bereich der Körperschaftsteuer lediglich die indirekte Steueranrechnungsmethode zum Tragen; im Bereich der Vermögen- und der Gewerbesteuer existieren aber den internationalen Sch. vergleichbare Regelungen (§§ 9 Nr. 7, 12 III Nr. 4 GewStG, 102 II BewG). Diese nationalen grenzüberschreitenden Sch. unterscheiden sich nicht in ihrer Rechtsfolge, wohl aber in ihren Voraussetzungen von den DBA-Entlastungen. Sie kommen grundsätzlich neben den internationalen Sch. zur Anwendung, sind aber, da sie (mit Ausnahme des gewerbekapitalsteuerlichen Sch.) eine Mindestbesitzzeit (zwölf Monate) postulieren und dazu auf die Sachziele des § 8 AStG rekurrieren, nur bei Nichtbestehen eines DBA oder für Personenunternehmungen im Bereich der Gewerbesteuer von Bedeutung. - 3. Der Verweis auf die Sachzielvorausetzung des § 8 AStG in den nationalen grenzüberschreitenden Sch. sowie die Aktivitätsklauseln in den internationalen Schachtelprivilegien bewirken, daß ausländische Holding-Gesellschaften nur in engen Grenzen begünstigt sind, nämlich nur dann, wenn es sich um eine Landesholding oder um eine Funktionsholding handelt. Um aber die Holdingtätigkeit als solche nicht generell steuerlich zu benachteiligen, befinden sich in den §§ 26 V KStG, 9 Nr. 7, 12 III Nr. 4 GewStG, 102 II BewG Regelungen, die das Sch. im Bereich der Gewerbe- und der Vermögensteuer sowie das internationale körperschaftsteuerliche Sch. auch dann zur Anwendung bringen, wenn die Auslandsgesellschaft eine Holding ist. Bei der Körperschaftsteuer wird ein ggf. im Verhältnis zum Domizilstaat der Enkelgesellschaft bestehendes Sch. bei der Besteuerung der Muttergesellschaft so berücksichtigt, als ob die Mutter - unmittelbar an der Enkelgesellschaft beteiligt wäre. Diese Sch. bei mittelbarer Beteiligung sind aber an engere Sachzielvorausetzungen geknüpft.
IV. Vergleichbare ausländische Regelungen: Wie auch in Deutschland sind in einzelnen EU-Staaten neben den Dividenden auch die Gewinne aus der Veräußerung von Schachtelbeteiligungen steuerfrei (Luxemburg, Niederlande, Dänemark). Deutschland besitzt jedoch zusätzlich vergleichsweise großzügige Regelungen bzgl. der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Finanzierungskosten zur Anschaffung der Schachtelbeteiligungen. Daher ist Deutschland ein attraktiver Standort für Holdinggesellschaften.
V. Regelung auf EG-Ebene: Mutter-Tochter-Richtlinie.
VI. Kritik: Kritikpunkte bilden die sehr engen Voraussetzungen, an die das bundesdeutsche Sch. geknüpft sind. Aus diesem Grund werden folgende Forderungen erhoben: Herabsetzung der Beteiligungshöhe sowie der Wegfall der Mindestbesitzzeiten; bei grenzüberschreitenden Sch. der Wegfall der Sachzielvoraussetzungen des § 8 AStG; die Wiedereinführung eines nationalen körperschaftsteuerlichen Sch.
VII. Steuerpolitik: Bei den zahlreichen Voraussetzungen der Sch. zielen steuerpolitische Maßnahmen vorwiegend auf die Verwirklichung eines begünstigten Sachverhalts ab. Sachverhaltsgestaltungen sind sowohl darauf gerichtet, die Bedingungen für die Gewährung der Sch. zu schaffen, als auch die Nichtabzugsfähigkeit von Schachtelschulden (sog. Schachtelstrafe) zu vermeiden. So kann die 10%ige Beteiligungshöhe dadurch erreicht werden, daß kleinere Beteiligungen in Zwischenholdings eingebracht werden; die Mindestbesitzzeiten bleiben gewahrt, wenn Beteiligungserwerbe zum richtigen Zeitpunkt erfolgen. Bei internationaler Betätigung kommen der Funktions- und Sachzielaufteilung sowie der Gewinnverwendungspolitik besondere Bedeutung zu. Die Schachtelstrafe läßt sich weitestgehend durch eine Lenkung der Zahlungsströme vermeiden. Die steuerlichen Gestaltungsmaßnahmen müssen aber über den Zeitpunkt des Beteiligungserwerbs hinaus auch auf die Erhaltung der einzelnen Voraussetzungen gerichtet sein.

 

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