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Vermögensteuer

Besteuerung des Vermögens (Gesamt- bzw. Inlandsvermögen). - Grundsätzliches: Vgl. Vermögensbesteuerung.
I. Rechtsquellen: a) Vermögensteuergesetz (VStG) i. d. F. der Bekanntmachung vom 14. 11. 1990 (BGBl I 2467), zuletzt geändert durch Jahressteuer-Ergänzungsgesetz 1996 (BGBl I 1959); regelt Steuerpflicht, -befreiung, -entrichtung und Veranlagung (vgl. IV). Aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit der Einheitswerte des Grundvermögens (Einheitswerte I 5) wird die Vermögensteuer voraussichtlich durch ein Jahressteuergesetz 1996 zum 1. 1. 1997 abgeschafft. b) Bewertungsgesetz (BewG) i. d. F. der Bekanntmachung vom 1. 2. 1991 (BGBl I 230), zuletzt geändert durch Gesetz zur Neuregelung der steuerlichen Wohneigentumsförderung (BGBl I 1783), verbunden mit der DVO zum BewG (BewDV) vom 2. 2. 1935 (RGBl I 81) m. spät. Änd.; regelt Abgrenzung und Bewertung des steuerpflichtigen Vermögens.
II. Steuerpflicht: 1. Unbeschränkte Steuerpflicht: a) natürliche Personen, die im Inland ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben (§ 1 I Nr. 1 VStG), b) bestimmte Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die im Inland ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz haben (§ 1 I Nr. 2 VStG), z. B. Kapitalgesellschaften, Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit, sonstige juristische Personen des privaten Rechts, nicht rechtsfähige Vereine. Personengesellschaften (z. B. OHG, KG) sind nicht selbständig vermögensteuerpflichtig. - 2. Beschränkte Steuerpflicht: natürliche Personen, die im Inland weder Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt haben, sowie Körperschaften, die im Inland weder Geschäftsleitung noch Sitz haben, aber jeweils inländisches Vermögen besitzen. - 3. Steuerbefreiung für eine festgelegte Reihe von staatswirtschaftlich, gemeinwirtschaftlich oder gemeinnützig tätigen Körperschaften sowie - zeitlich befristet - für in den neuen Bundesländern ansässige Personen (vgl. auch Vermögensteuer-Befreiungen).
III. Besteuerungsgrundlage: 1. Bei unbeschränkter Steuerpflicht: Gesamtvermögen unter Berücksichtigung von Freibeträgen. - 2. Bei beschränkter Steuerpflicht: Inlandsvermögen.
IVermögensteuer Veranlagung: 1. Für jeden Steuerpflichtigen getrennt, ausgenommen Haushaltsbesteuerung bei natürlichen Personen als Veranlagungsgemeinschaft; die Vermögenswerte werden zusammengerechnet, von Bedeutung hinsichtlich Freibetragsausnutzung. - 2. Die allgemeine Veranlagung erfolgt turnusmäßig im Rahmen der Hauptveranlagung. - 3. Erklärungen für die Vermögensteuer haben auf den Hauptveranlagungszeitpunkt unbeschränkt Steuerpflichtige abzugeben, sofern das Gesamtvermögen bestimmte Wertgrenzen überschreitet (120 000 DM bei natürlichen Personen, bei Haushaltsbesteuerung je zusammenveranlagter Person; 20 000 DM bei Körperschaften, Personenvereinigungen, Vermögensmassen). Beschränkt Steuerpflichtige dann, wenn das Inlandsvermögen mindestens 20 000 DM beträgt. - 4. Veränderungen des Vermögens (Vermögensänderung) können durch Neuveranlagung berücksichtigt werden. Veränderungen hinsichtlich der persönlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen werden durch Neu- oder Nachveranlagung berücksichtigt.
Vermögensteuer Steuersatz: Höhe: 1. Für natürliche Personen i. d. R. 1%, für die übrigen Vermögensteuerpflichtigen 0,6% des steuerpflichtigen Vermögens. Für land- und forstwirtschaftliches- sowie Betriebsvermögen natürlicher Personen beträgt der Steuersatz 0,5%. - 2. Davon abweichend kann die Steuer bei beschränkt Steuerpflichtigen in einem Pauschbetrag (ohne Rücksicht auf das ausgewiesene Vermögen) festgesetzt werden (Pauschbesteuerung).
VI. Steuerentrichtung: Die festgesetzte Jahressteuer wird in Vierteljahresraten am 10.2., 10.5., 10.8. und 10.11. fällig; ist die Jahressteuerschuld nicht größer als 500 DM, so wird sie in einem Betrag (am 10.11.) entrichtet. Vor der Bekanntgabe der Jahressteuer sind vierteljährliche Vorauszahlungen zu entrichten, die auf die endgültige Steuerschuld angerechnet werden; eine positive Differenz ist als Nachzahlung zu entrichten, eine negative wird durch Aufrechnung oder Zurückzahlung ausgeglichen (§§ 22, 23 VStG).
VII. Finanzwissenschaftliche Beurteilung: 1. Begründung (äußerst kontroverse Diskussion): a) Mit dem Äquivalenzprinzip zu verbinden ist die Rechtfertigung der Vermögensteuer als Entgelt für den staatlichen Schutz der Vermögensgüter; nicht überzeugend, da auch andere Güter (Rechtsgüter, Leben etc.) geschützt werden. - b) Mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip werden die folgenden Argumente für eine Vermögensteuer verknüpft: (1) Vermögensteuer ist eine Sonderbelastung des fundierten Einkommens; dagegen spricht, daß bei Geldentwertung das Vermögenseinkommen nicht "fundiert" ist, und daß die Vermögensteuer eine Sonderbelastung des Vermögenseinkommens gegenüber dem nicht zusätzlich belasteten Arbeitseinkommen darstellt. (2) Soweit das größere Maß an Freizeit des Vermögenden als Indikator höherer Leistungsfähigkeit angeführt wird, betritt man den Boden der bloßen Möglichkeiten zur Leistungs- und Einkommenserzielung und liefert sich der Anschauung aus, daß auch die Welt jenseits der Arbeit von der Besteuerung beherrscht werden solle. (3) Für eine Vermögensteuer spricht, daß im Bestand an Vermögen eine besondere ökonomische Dispositionskraft zu sehen ist, in der sich eine erhöhte Leistungsfähigkeit ausdrückt. (4) Andere Rechtfertigungsversuche lassen allein die Besteuerung der Vermögenswertzuwächse zu (capital gains; Wertzuwachssteuer), da Vermögen aus bereits besteuertem Einkommen gebildet sei; doch Vermögen kann auch ohne eigene Akkumulation zugefallen sein und eine Wertsteigerung erfahren. - 2. Die Vermögensteuer ist eine Landessteuer. Das Aufkommen betrug 1995 ca. 7,85 Mrd. DM. - 3. Charakteristik der V.: a) Die einzelnen Vermögensarten (Bewertungsgesetz (BewG)) sind unterschiedlich stark belastet; demnach kann die Vermögensteuer nicht als eine allgemeine, sondern eher als ein Bündel von speziellen Vermögensteuer bezeichnet werden. - b) Die Bewertungsgrößen und -verfahren sind heterogen und kompliziert (gemeiner Wert, Teilwert, Ertragswertverfahren, Sachwertverfahren). - 4. Wirkungen: a) Für den Einsatz des Faktors Kapital ist die Vermögensteuer eine Verteuerung, die zudem ungleich gestaltet ist (0,5% für Einzelunternehmen, 0,6% für Kapitalgesellschaften); das sind allokative Verzerrungen (Wettbewerb, Faktoreinsatz). - b) Infolge der persönlichen Freibeträge (auch für Einzelunternehmer) und der Vermögenskonzentration bei Kapitalgesellschaften wird die Vermögensteuer zu fast 90% des Aufkommens von den Betriebsvermögen, Anteilen an Kapitalgesellschaften und Kapitalforderungern erbracht; damit ist sie vorwiegend eine "Betriebsvermögensteuer". - c) Allokationspolitisch nicht zu rechtfertigen ist die Wirkung der Vermögensteuer als Substanzsteuer, wenn Vermögenserträge ausbleiben. - d) Distributionspolitisch läßt sich die Vermögensteuer dann einsetzen, wenn Umverteilungsmaßnahmen mit ihr finanziert werden sollen. Dann aber ist (1) ihr Aufkommen zu gering und (2) ihre Verteilungswirkung verfehlt, wenn die inflationsbedingte Wertaufblähung nicht beseitigt wird. - 5. Steuersystematik: a) Durch die Erhebung von Vermögensteuer kommt es zur Zweifachbesteuerung der Vermögenserträge, da sie auch durch die Einkommensteuer erfaßt werden. Ein Anrechnungsverfahren analog dem körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahren existiert nicht. Die Zweifachbelastung ist nur gerechtfertigt, wenn man den mikroökonomischen personalen Einkommensbegriff der Reinvermögenszugangstheorie und den Schanz-Haig-Simons-Ansatz akzeptiert. Zur Zweifachbelastung kommt es dagegen nicht, wenn Vermögen besteuert wird, das nicht selbst akkumuliert wurde (Erbschaften, Schenkungen, Glücksspielgewinne etc.). - b) Im Rahmen der steuerlichen Beziehungslehre gilt die Vermögensteuer als eine Kontrollsteuer zur Einkommensteuer, da aus dem Vermögensbestand auf die Stromgröße Einkommen geschlossen werden kann. - c) Durch die Erhebung der Erbschaftsteuer vom selben Vermögensbestand kommt es im Jahr des Erbanfalls zu einer Zweifachbelastung, was die allokativen Nachteile der Vermögensbesteuerung erhöht. - 6. Reform: a) Zumindest die Beseitigung der Zweifachbelastung durch Vermögensteuer bei der Kapitalgesellschaft und Vermögensteuer beim Anteilseigner wird gefordert, entweder durch Befreiung oder Anrechnung der von der Kapitalgesellschaft gezahlten Vermögensteuer auf die persönliche Vermögensteuer des Anteilseigners. - b) Einige Reformkonzepte sehen die völlige Abschaffung der Vermögensteuer vor oder allein der Betriebsvermögensteuer; letzteres käme v. a. allokationspolitischen Zielen entgegen und würde die Funktion der Vermögensbesteuerung als Instrument der Besteuerung nach der persönlichen Leistungsfähigkeit erhalten. - c) Daneben besteht aber auch die Forderung nach einer Abschaffung allein der persönlichen Vermögensteuer (Konzept der "Unternehmungsteuer" nach Flume); damit jedoch würden sich wieder die Allokationsprobleme einer Belastung des Faktors Kapital einstellen.
VIII. Aufkommen: 1995: 7 855,4 Mio. DM (1990: 6 330 Mio. DM; 1985: 4 287 Mio. DM; 1983: 4 992 Mio. DM; 1981: 4 687 Mio. DM; 1979: 4 482 Mio. DM; 1977: 4 995 Mio. DM; 1973: 3 232 Mio. DM; 1970: 2 877 Mio. DM; 1965: 1 880 Mio. DM; 1960: 1 100 Mio. DM; 1955: 543 Mio. DM; 1950: 130 Mio. DM).

 

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