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Public Management (PM)

1. Kennzeichnung: Public Management (PM) M. befaßt sich im einzelnen mit der organisatorischen und personellen Analyse und Gestaltung öffentlicher Aufgabenträger, wobei der Schwerpunkt auf bisher verwaltungsmäßig organisierten Einheiten liegt. Die einzelwirtschaftliche Analyse wird dabei nicht isoliert betrieben, sondern durch einen umfassenden Bezugsrahmen in übergeordnete Gesamtzusammenhänge und wechselseitige Abhängigkeiten integriert (New Public Management). Von daher stellt dieser Ansatz eine konzeptionelle Erweiterung der bisherigen betriebswirtschaftlichen Betrachtungsweise öffentlicher Unternehmen dar (öffentliche Betriebswirtschaftslehre). - 2. Defizit der herkömmlichen betriebswirtschaftlichen Betrachtungsweise: Die herkömmliche betriebswirtschaftliche Betrachtungsweise ist eher durch eine isolierte einzelwirtschaftliche Analyse von Partialproblemen öffentlicher Verwaltungen gekennzeichnet (sog. Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen, Wirtschaftlichkeit). Dabei geht es im wesentlichen um eine systematisierende und morphologische Betrachtungsweise sowie um eine faktortheoretische Analyse des "Betriebes" Verwaltung, in dem, in Anlehnung an die Charakterisierung eines Betriebes von Gutenberg, Produktionsfaktoren kombiniert werden, das Wirtschaftlichkeitsprinzip gilt und das finanzielle Gleichgewicht beachtet werden muß. Ministerien, Finanzämter, Einwohnermeldeämter, Hochschulen etc. werden hiernach zu "öffentlichen Verwaltungsbetrieben" und mit Hilfe des Rückgriffs auf das System von Gutenberg als Gegenstand der Betriebswirtschaftslehre definiert. Verbunden mit diesem Ansatz ist die Gefahr und Tendenz, betriebswirtschaftliche, für den privaten Unternehmenssektor entwickelte, Instrumente und Verfahren unmodifiziert auf öffentliche Verwaltungen zu übertragen (Transplantationsstrategie). Die dabei implizit unterstellte Problemisomorphie zwischen öffentlichen und privatwirtschaftlichen Leistungseinheiten besitzt nun aber keineswegs zwingend praktische Relevanz, d. h. mit der Übertragung betriebswirtschaftlicher Verfahren und Instrumente aus dem privaten Unternehmenssektor auf öffentliche Verwaltung ist keineswegs wirtschaftliches Handeln gewährleistet bzw. eine Fehlsteuerung von Ressourcen nicht ausgeschlossen. - Es fehlt an einem theoretischen Konzept, das eine funktionale und institutionelle Differenzierung zwischen privatwirtschaftlich und öffentlich-wirtschaftlich ausgerichteten Leistungseinheiten ermöglicht, gleichzeitig aber die Gemeinsamkeiten erschließt. Hieraus erklärt sich auch, daß die bisher in öffentlichen Verwaltungen praktizierten betriebwirschaftlichen Instrumente eher in die bisherige Verwaltungssteuerung integriert wurden und weniger die Steuerung und Gestaltung von Verwaltungen selbst veränderten. Anschauliches Beispiel hierfür ist die betriebswirtschaftliche Kostenrechnung. Sie diente in öffentlichen Verwaltungen bisher weniger dazu, die Wirtschaftlichkeit des Verwaltungshandelns zu beeinflussen, sondern eher dazu, über die kalkulatorischen Kosten die (kostenorientierte) Einnahmeseite von Gebührenhaushalten positiv zu steuern. Ohne einen übergeordneten Bezugsrahmen tendieren betriebswirtschaftliche Instrumente dazu, in das kamerale, an Einnahmen und Ausgaben orientierte, Denken integriert zu werden und strukturelle Ineffizienzen des öffentlichen Sektors zu stabilisieren. Diese grundlegende Problematik wird auch nicht durch die Entwicklung einer leistungsfähigen Software zur Integration der Kostenrechnung in die Kameralistik gelöst (optimierte Kameralistik). Vielmehr dienen derartige Ansätze dazu, die strukturelle Ineffizienz im öffentlichen Sektor effizienter zu verwalten. - 3. Verwaltungsphilosophie und Konzepte: a) PM orientiert sich, anders als die oben dargestellte herkömmliche betriebswirtschaftliche Betrachtungsweise, am Managementprozeß sowie an seinen Einflußgrößen und an den Handlungsbedingungen in Großorganisationen. PM geht davon aus, daß die vorherrschende strukturelle Tendenz zur Ineffizienz von Verwaltungen sich nur durch eine grundlegend geänderte Verwaltungsphilosophie und daraus abgeleiteten Konzepten relativieren bzw. überwinden läßt. Geänderte Verwaltungsphilosophie steht dabei für den Wandel von einer Rechtsnormen vollziehenden Verwaltung zum Management von Dienstleistungen gegenüber Politik, Bürgern und Bürgerinnen. An die Stelle des traditionellen Verwaltens im Sinne eines Angebotes mit Zwangsnachfrage trifft eine Nachfrageorientierung. Damit sehen sich Verwaltungen mit gleichartigen Problemen konfrontiert wie sie sich im Produkt-Markt-Konzept für ein privates Unternehmen niederschlagen. Es geht darum, welche Produkte für welche Märkte, d. h. bezogen auf die Verwaltungen, welche Verwaltungsleistungen für welche Nachfrager bereitgestellt werden sollen. Notwendig sind derartige Fragestellungen erst durch den Wandel von der Ordnungs- zur Leistungsverwaltung geworden. Das bisher als dominant erachtete Fachwissen muß wesentlich stärker ergänzt werden durch Führungswissen sowohl auf der operativen als auch auf der strategischen Ebene. Die Kenntnisse von Verwaltungsvorschriften und deren Anwendbarkeit i. S. v. Fachwissen verliert zugunsten von Führungswissen und Führungsfähigkeit an Bedeutung. - b) Der Dienstleistungsgedanke als Grundphilosophie erfordert einen im Vergleich zur bestehenden Verwaltungsstruktur wesentlich weitgehenderen Grad an Dezentralisierung (Tilburger Modell; Neues Steuerungsmodell). Damit verbunden ist auch zwangsläufig die Aufhebung der bisher bestehenden Trennung von Fach- und Ressourcenverwaltung (Kontrakt-Management). Beim Management von Dienstleistungen durch öffentliche Verwaltungen handelt es sich um einen gestalterischen Prozeß, durch den die Subsysteme, ihre Elemente und Ressourcen im dezentralisierten Gesamtsystem "Verwaltung" koordiniert und gesteuert werden, um die Ziele und Aufgabenerfüllung möglichst effektiv, effizient und kostenwirtschaftlich zu erreichen. Die dabei eingeräumten Handlungsspielräume werden zusätzlich normiert durch das Wirtschaftlichkeitsprinzip. Neben die rechtliche Konditionierung des Verwaltungshandelns tritt somit eine ökonomische, insbes. eine mikroökonomische. - 4. Managementprozeß in öffentlichen Verwaltungen: Die zunächst rein formale Normierung von Verwaltungshandeln durch das Wirtschaftlichkeitsprinzip ist jedoch keine operable Handlungsmaxime. Ob wirtschaftlich gehandelt worden ist, zeigt sich erst als Ergebnis aus den Einzelaktivitäten im Managementprozeß, den Handlungsbedingungen unter denen Führungsfunktionen wahrgenommen werden müssen und den daraus resultierenden Kosten und Leistungen. Wirtschaftliches Handeln als Wertmaßstab für Verwaltungshandeln wird somit erst zugänglich über die Analyse und die Gestaltung des Managementprozesses, seiner Rahmenbedingungen und seiner Ergebnisse. - Der Managementprozeß (vgl. Abbildung "Public Management - Managementprozeß in öffentlichen Verwaltungen") vollzieht sich über die kontinuierlich und arbeitsteilig wahrzunehmenden Führungsfunktionen Planung, Organisation, Leitung, Personal und Kontrolle. Ausgegangen wird somit von einem rationalen, plandeterminierten Managementprozeß, der in der Literatur nicht unumstritten ist (Mintzberg). Die Wahrnehmung der Führungsfunktionen hängt ab von den konstitutiven Bedingungen, den situativen Bedingungen sowie von dem Wertsystem und der Qualifikation der Handlungs- und Entscheidungsträger öffentlicher Verwaltungen. Die konstitutiven Bedingungen, wie sie sich insbes. im öffentlichen Personal-, Haushalts- und Organisationsrecht niederschlagen, prägen ebenso wie die Werthaltung und die Fähigkeiten der Verwaltungsmitglieder die Handlungsspielräume, die inhaltliche Ausgestaltung von Entscheidungen sowie den Ablauf und die Ergebnisse des Managementprozesses. Gleiches gilt für die situativen Bedingungen, wie sie etwa in der jeweils konkreten Haushaltssituation zum Ausdruck kommen. - Die konstitutiven Bedingungen spiegeln unterschiedliche Konkretisierungsgrade und damit eine unterschiedliche Nähe von Rechsvorschriften zum Verwaltungshandeln wider. Entsprechend kann in Anlehnung an eine systemtheoretische Sichtweise zwischen einer konditionalen, finalen und organisatorischen bzw. reflexiven Steuerung des Verwaltungshandels unterschieden werden: (1) Unter konditionaler Steuerung ist eine im vorhinein durch Rechtsvorschriften festgelegte Verhaltensweise als Reaktion auf einen Umwelttatbestand zu verstehen. Die Verwaltungsleistung besteht in diesem Fall darin, jene Umweltzustände und Sachverhalte zu erfassen, die in den zugrunde gelegten Rechtsvorschriften Berücksichtigung gefunden haben. Weder Ziele noch die zu ergreifenden Maßnahmen sind hierbei Gegenstand von Handlungsspielräumen. Konditionale Steuerung führt zu einem hohen Grad an Bürokratisierung und beinhaltet die Tendenz zu einer Übersteuerung. Sie ist nur für statische und stabile Umwelten zweckmäßig. Für dynamische Umweltsegmente und eine zunehmende Breite öffentlicher Aufgabenwahrnehmung ist diese Steuerungsart wenig geeignet. (2) Bei der finalen Steuerung soll durch eine systematische Planung das Handeln auf vorgegebene Zwecke hin rationalisiert werden. Im Mittelpunkt steht hier im Gegensatz zur konditionalen Steuerung die Planung. Es geht darum, Mittel und Maßnahmen so einzusetzen, daß ein i. d. R. in den zugrunde zu legenden Rechtsvorschriften sehr vage vorgegebener Zweck möglichst gut erreicht wird. Die Schwierigkeiten und Grenzen der finalen Steuerung resultieren aus nur unzulänglich zu berücksichtigenden Interdependenzen der einzelnen Teilbereiche. Praktisch agiert jede Verwaltungseinheit in einer selektiven Problemwahrnehmung als Sachverwalter spezifischer Interessen. Die dabei auftretenden Folgewirkungen der Einzelaktivitäten für die übrigen Teilbereiche finden keine oder nur unzulängliche Berücksichtigung. (3) Bei der reflexiven (organisatorischen) Steuerung ziehen sich Gesetze und Verwaltungsvorschriften auf eine indirekte Einwirkung auf den Aufgabenträger zurück. Es werden lediglich die organisatorischen und prozeduralen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen festgelegt. Die reflexive Steuerung ist unmittelbar verknüpft mit der erwähnten Dezentralisierung und ermöglicht eine Zuordnung von Kosten und Leistungen. Hier liegt der Schwerpunkt auf zukünftigen Entwicklungen, wobei das Problem darin besteht, Folgewirkungen und Interdependenzen der Aktivitäten dezentraler Aufgabenträger in einen Gesamtzusammenhang zu integrieren. Unterschiedliche Steuerungsarten erfordern auch unterschiedliche betriebswirtschaftliche Instrumente und Verfahren zur Ausgestaltung des Managementprozesses. Mit Hilfe des hier skizzierten Bezugsrahmen des PM wird es möglich, die Wirkungen der institutionellen Rahmenbedingungen auf der Grundlage neuerer theoretischer Ansätze zu analysieren und zu beurteilen. Hierzu zählen insbes. die Theorie der Verfügungsrechte (Property Rights-Theorie), die Transaktionskostentheorie (Transaktionskostenökonomik) und das Prinzipal-Agent-Modell. Die aktuelle Fachdiskussion ist nicht nur durch die erwähnten theoretischen Aspekte geprägt, sondern weist auch praktische Schwerpunkte auf. Diese konzentrieren sich zur Zeit v. a. auf die vergleichende Analyse des (externen) öffentlichen Rechnungswesens, auf die Entwicklung dezentraler Strukturen kommunaler Verwaltungen sowie auf die Entwicklung eines Verwaltungscontrolling (Controlling). Die Diskussion um ein Verwaltungscontrolling versucht der Tatsache Rechnung zu tragen, daß die Dezentralisierung bisheriger Organisationsstrukturen einer Integration und Koordination bedürfen und entsprechend mit einem geänderten entscheidungsorientierten Rechnungswesen ausgestattet werden müssen. In diesem Zusammenhang zeigt sich auch immer deutlicher, daß das bisherige Rechnungswesen wesentlich erweitert und modifiziert werden muß. Orientierungshilfe für die Entwicklung im Rahmen des NPM bzw. PM ist die Entwicklung und Diskussion im Ausland.
Literatur: Bräunig, D., Pretiale Steuerung von Kommunalverwaltungen, Neues Management für Städte, Baden-Baden 1994; Brede, H./Buschor, E. (Hrsg.), Das neue öffentliche Rechnungswesen, Baden-Baden 1993; Budäus, D., Public Management, 3. Aufl, Berlin 1995; Budäus, D./Engelhardt, G. (Hrsg.), Großstädtische Aufgabenerfüllung im Wandel, Baden-Baden 1996; Buschor, E./Schedler, K. (Hrsg.), Perspectives on Performance Measurement in Public Sector Accounting, Bern/Stuttgart/Wien 1994; Hill, H./Klages, A. (Hrsg.), Wege in die neue Steuerung, Stuttgart u. a. 1996; Lüder, K., Triumph des Marktes im öffentlichen Sektor? Einige Anmerkungen zur aktuellen Verwaltungsreformdiskussion, in: DÖV 1996, H. 3, S. 93-100; McKevitt, D./Lawton, A. (Hrsg.), Public Sector Management, London 1994; Naschold, F., Ergebnissteuerung, Wettbewerb, Qualitätspolitik, Entwicklungspfade des öffentlichen Sektors, Berlin 1995; Naschold, F./Budäus, D., Jann, W. u. a., Leistungstiefe im öffentlichen Sektor, Erfahrungen, Konzepte, Methoden, Berlin 1996; OECD, Public Management Developments, Survey 1993, Paris 1993; Naschold, F./Pröhl, M. (Hrsg.), Produktivität öffentlicher Dienstleistungen, Gütersloh 1994; KGSt, Das Neue Steuerungsmodell - Begründung, Konturen, Umsetzung, Bericht Nr. 5/1993, Köln 1993; Reichhard, C., Umdenken im Rathaus - Neue Steuerungsmodelle in der Kommunalverwaltung, Berlin 1994; Schedler, K., Ansätze einer wirkungsorientierten Verwaltungsführung, 2. Aufl., Bern/Stuttgart/Wien 1996.

 

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