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Keynessche Lehre

I. Einleitung: 1936 erschien die "Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes" von J. M. Keynes, in der er die damals herrschende Wirtschaftstheorie grundlegend angriff. Die traditionelle gleichgewichtsorientierte Vollbeschäftigungstheorie wird ersetzt durch die Ableitung der Möglichkeit von "Unterbeschäftigungsgleichgewichten". Die Zurückweisung der klassischen Gleichgewichtstheorie durch Keynes betrifft sämtliche Grundannahmen: (1) Die Markträumungsannahme (Saysches Theorem, Stabilität, Preisflexibilität) wird ersetzt durch Mengenungleichgewichte und Instabilitätstendenzen (kumulative Prozesse, Krisen). (2) Die Annahme über das Maximierungsverhalten wird z. T. und insbes. bei Vorliegen von Unsicherheit ergänzt um andere Verhaltensweisen. (3) An die Stelle der Annahme vollständiger Konkurrenz tritt unvollkommener Wettbewerb, insbes. auf dem Arbeitsmarkt. (4) Die Annahme der vollständigen Voraussicht wird ersetzt durch die Hypothese, daß in vielen Fällen Unsicherheit vorherrscht. - Insofern weist Keynes die herrschende allgemeine Gleichgewichtstheorie zur Erklärung der Realität zurück. Die klassische Hoffnung auf Selbststabilisierung des Systems wird abgelöst durch die Keynessche Botschaft der Steuerungsnotwendigkeit und Steuerungsmöglichkeit. Dabei ist die wirtschaftspolitische Therapie der bekannteste Teil geworden: Intervention des Staates über Beeinflussung der Gesamtnachfrage (Globalsteuerung) und Stabilisierung des Investorenverhaltens bei Vorliegen von Unsicherheit (Investitionssteuerung). - Die Bausteine seines theoretischen Systems gem. der "Allgemeinen Theorie" sind: Konsumfunktion und Multiplikator, Unterbeschäftigungsgleichgewicht, Erwartungen und Unsicherheit, Konjunktur- und Investitionstheorie, Instabilitätstendenz und Steuerungsnotwendigkeit - die im folgenden kurz vorgestellt werden.
II. Konsumfunktion und Multiplikatorprinzip: Die gesamtwirtschaftliche Konsumnachfrage (C) hängt nach Keynes im wesentlichen von der Höhe des Einkommens (Y) ab: C = C (Y), nicht, wie in der klassischen Lehre postuliert, vom Zinssatz. Dabei nimmt er an, daß die Konsumneigung
positiv und kleiner als eins ist. Vereinfacht wird die Konsumfunktion häufig in linearer Form dargestellt: ; = autonomer Konsum < 0, 0 < c = konst. < 1. Für eine geschlossene Wirtschaft ohne staatliche Aktivität gilt für die gesamtwirtschaftliche Nachfrage (Z): Z = C + I0; I0 = autonom gegebene Investitionsausgaben. Damit folgt:
die einkommensabhängige Nachfrage (vgl. Abbildung 1). Für die Annahme eines Kreislaufgleichgewichts (Y = Z) folgt:
bzw. das Gleichgewichtseinkommen (Y0) als:

Das Kreislaufgleichgewicht liegt im Schnittpunkt zwischen Nachfragefunktion und 45´´-Linie, die alle Punkte abbildet, in denen Kreislaufgleichgewicht gilt. Steigen nun die autonomen Investitionen um I auf I1 folgt ein neues Gleichgewicht in P1 (vgl. Abbildung 1) und damit ein neues Gleichgewichtseinkommen:
Die Einkommensänderung Y=Y1 – Y0 ergibt sich aus:
Dabei stellt den Investitionsmultiplikator dar, der um so größer ist, je größer die Konsumquote ist.
III. Keynessche Gleichgewichte bei Unterbeschäftigung: Vor allem zwei Einwände führt Keynes gegen die vollbeschäftigungsorientierte Arbeitsmarktanalyse ins Feld. Der erste Einwand ersetzt die Flexibilitätsannahme durch mögliche Starrheiten (Lohnstarrheit und Liquiditätstheorie). Der zweite (fundamentalere) Einwand richtet sich gegen die "klassische" Beschäftigungstheorie insgesamt. Die Lehrbuchdarstellungen greifen häufig nur den ersten Einwand auf. Starrheiten und Liquiditätstheorie: a) Dieser Aspekt der Keynessche Lehre L. wird traditionell mit Hilfe des IS-LM-Modells dargestellt und analysiert. Das IS-LM-Modell zeigt die simultane Bestimmung eines Gleichgewichts auf Geld- und Gütermarkt (vgl. Abbildung 2). In einer geschlossenen Volkswirtschaft gilt für ein Gütermarktgleichgewicht ohne staatliche Aktivität: monetäres Angebot (Y) = monetäre Nachfrage, die aus Konsumausgaben (C) und Investitionsausgaben (I) besteht. Mit C = C (Y) und I = I (i, r), wobei i = Zinssatz und r = Rentabilität (Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals) folgt
bzw. mit
Bei gegebenem r stellt die IS-Funktion alle i/Y-Kombinationen dar, für die ein Gütermarktgleichgewicht gilt. - Die LM-Funktion (Geldmarktgleichgewicht) kann folgendermaßen zusammengefaßt werden:
k = Kassenhaltungskoeffizient, k = konstant > 0. Dabei bedeuten: M = die durch die Zentralbank vorgegebene reale Geldmenge, Ls (i) = zinsabhängige Spekulationsnachfrage, k · Y = Transaktionsnachfrage. Bei gegebener Geldmenge (M) und konstantem k stellt die LM-Funktion (vgl. Abbildung 2) alle i/Y-Kombinationen dar, für die ein Geldmarktgleichgewicht gilt. - Die IS-Kurve ist normalerweise negativ geneigt, da mit steigendem Einkommen ein geringerer Zinssatz erforderlich wird, um die höheren Ersparnisse durch Investitionsausgaben auszugleichen. Wegen der Annahme Ls (i) < 0 folgt eine positiv geneigte LM-Kurve. Im Schnittpunkt beider Kurven sind Geld- und Gütermarkt im Gleichgewicht. - b) Unterbeschäftigungsgleichgewichte: Dieses Systemgleichgewicht ist ohne weiteres mit Unterbeschäftigung vereinbar; z. B. Y00; R´´0, eine nominallohnabhängige Arbeitsangebotsfunktion mit Lohnstarrheit nach unten. - Die Konstellation der Abbildung 2 zeigt trotz Güter-, Geld- und Arbeitsmarktgleichgewicht dauerhafte Unterbeschäftigung in Höhe von A1 - A0, die nach Keynes durch Eingriffe der Wirtschaftspolitik (expansive Geldpolitik und/oder fiscal policy) zu beseitigen ist. - Fälle: (1) Expansive Geldpolitik: Expansive Geldpolitik (z. B. expansive Offenmarktpolitik) führt in Abbildung 2 (a) zu einer Rechtsverschiebung der LM-Kurve. Es gilt jetzt LM1, und das simultane Güter- und Geldmarktgleichgewicht verlagert sich von Punkt A nach Punkt B. Begründung: Das gestiegene Geldangebot führt von Punkt A ausgehend zu einem Ungleichgewicht am Geldmarkt. Die Wirtschaftssubjekte versuchen, die überschüssige Kasse durch den Ankauf von Wertpapieren abzubauen. Die vermehrte Wertpapiernachfrage bewirkt einen Kursanstieg bzw. einen Zinsrückgang. Der gesunkene Zinssatz stimuliert die Investitionsnachfrage. Damit steigen auch die Gesamtnachfrage, die Produktion und das Gesamteinkommen. Der Einkommensanstieg wird durch den Multiplikatoreffekt noch verstärkt. Dieser expansive Effekt hält solange an, bis das zusätzliche Geldangebot aufgrund des gesunkenen Zinssatzes und des gestiegenen Einkommens auch nachgefragt wird. In Punkt B sind Güter- und Geldmarkt wieder simultan im Gleichgewicht. Kommt es im Zuge des Expansionsprozesses zu einem Anstieg des Preisniveaus, dreht sich die Ursprungsgerade in Abbildung 2 (c) im Uhrzeigersinn. Der Anstieg des Nominaleinkommens von Y0 auf Y1 führt dann zu einem Anstieg des Realeinkommens von R0 auf R1. Auf dem in Abbildung 2 (b) dargestellten Arbeitsmarkt bewirkt der Preisanstieg (bei konstantem Nominallohnsatz) einen Rückgang des Reallohnsatzes, so daß die Unternehmen die Arbeitsnachfrage ausdehnen. Da die Arbeitnehmer ebenfalls bereit sind, zum herrschenden Nominallohnsatz l0 ihr Arbeitsangebot auszudehnen, wird in Punkt E Vollbeschäftigung auf dem Arbeitsmarkt erreicht. Zusammengefaßt kann durch den Einsatz expansiver Geldpolitik also ein simultanes Güter- und Geldmarktgleichgewicht bei Vollbeschäftigung auf dem Arbeitsmarkt erreicht werden. - (2) Expansive Fiskalpolitik: Expansive Fiskalpolitik (z. B. zusätzliche Güterkäufe des Staates) führt in Abbildung 2 (a) zu einer Rechtsverschiebung der IS-Kurve. Es gelten jetzt LM0 und IS1. Das simultane Güter- und Geldmarktgleichgewicht verlagert sich von Punkt A nach Punkt C. Begründung: Die gestiegene Güternachfrage des Staates führt von Punkt A ausgehend zu einem Ungleichgewicht am Gütermarkt. Die Unternehmen dehnen aufgrund der gestiegenen Gesamtnachfrage die Produktion aus. Damit steigen auch die Einkommen. Diese ursprüngliche Einkommenserhöhung wird durch den Multiplikatoreffekt noch verstärkt. Der Anstieg des Einkommens hat eine Zunahme der Geldnachfrage zur Folge. Bei gegebenem Geldangebot ist ein Gleichgewicht am Geldmarkt nur möglich, wenn der Zinssatz steigt. Diese Zinssteigerung bewirkt eine Dämpfung der zinsabhängigen Investitionsnachfrage (kontraktiver Sekundäreffekt). In Punkt C sind Güter- und Geldmarkt wieder simultan im Gleichgewicht. Preis- und Beschäftigungseffekte erfolgen analog dem Fall Geldpolitik.
Die Abbildung 3 zeigt die mögliche Impotenz der Geldpolitik bei Vorliegen der sogenannten Liquiditätsfalle bzw. bei zinsunelastischen Investitionen: Mit dem Begriff Liquiditätsfalle wird eine Situation bezeichnet, in der die Geldnachfrage äußerst zinselastisch reagiert. Die Geldpolitik ist dann unwirksam, weil das zusätzliche Geldangebot ohne nennenswerten Zinseffekt auch nachgefragt wird. Somit ist ein neues Geldmarktgleichgewicht bei ursprünglichen Zinssatz möglich (Zinsstarrheit nach unten). Wegen des fehlenden Zinseffektes verharrt die Investionsnachfrage auf ihrem alten Niveau. Demzufolge kommt es auch nicht zu einem Anstieg von Produktion, Einkommen und Beschäftigung. Bei zinsunelastischen Investitionen führt die expansive Geldpolitik zwar zu sinkenden Zinsen, die Investitionsnachfrage reagiert hierauf aber nicht. Daher kommt es auch in diesem Fall nicht zu einem Anstieg von Produktion, Einkommen und Beschäftigung. - Bedeutung: Unterbeschäftigungsgleichgewichte werden von Keynes im wesentlichen auf Starrheiten zurückgeführt. Die für Vollbeschäftigung notwendigen Reallohnsenkungen "müssen" danach über eine inflationäre Expansionspolitik erreicht werden. Für die praktische Wirtschaftspolitik ist dies sicher ein wichtiges Argument (Akzeptanzproblem), als Begründung einer allgemeinen Theorie aber nicht ausreichend. - 2. Effektive Nachfrage und Beschäftigung: Das Hauptanliegen der Allgemeinen Theorie besteht in dem Versuch nachzuweisen, daß die neoklassische Funktionsweise des Arbeitsmarktes unhaltbar ist. Keynes bezweifelt die umfassende Markträumungsannahme via Reallohnflexibilität. Er bestreitet die expansiven Wirkungen von Nominallohnsenkungen. Seine Begründung erfolgt in zwei Schritten: a) Nach Keynes wird die tatsächliche Beschäftigung nicht durch ein Arbeitsmarktgleichgewicht bestimmt, sondern durch die Höhe der "effektiven Nachfrage". Dabei ist die effektive Nachfrage festgelegt durch ein Gütermarktgleichgewicht (vgl. Abbildung 4). Das zugehörige Reallohnniveau
ist größer als das "Grenzleid der Arbeit", das bei A0 dem Reallohnniveau

entspricht. Es existiert unfreiwillige Arbeitslosigkeit in Höhe von . - b) Es wird untersucht, inwieweit Nominallohnsenkungen geeignet sind, die Unterbeschäftigung zu beseitigen. Dazu werden die Effekte von Lohnsenkungen auf die effektive Nachfrage untersucht: Eine Nominallohnsenkung bewirkt eine Umverteilung zu Lasten der Lohnempfänger. Ist die Konsumquote dieser Gruppe überdurchschnittlich hoch, sinkt die gesamtwirtschaftliche Konsumquote, und die Konsumnachfrage wird negativ beeinflußt. Andererseits können Lohnsenkungen im Inland die intentionale Wettbewerbsposition verbessern und damit die Investitionsneigung anregen. Auch wegen der gestiegenen Rentabilität wird sich die Investitionsneigung vergrößern. Werden für die Zukunft allerdings weitere Lohnsenkungen erwartet, könnte dies eine Aufschiebung von Investitionsplänen zur Folge haben. Sinkende Preise führen über den Anstieg des realen Geldangebots zu einem Zinsrückgang, der die Investitionen stimulieren könnte. Keynes kommt insgesamt zum Schluß, daß i. d. R., insbes. wenn weitere Lohnsenkungen erwartet werden, ein expansiver Effekt von Nominallohnsenkungen hinreichend schnell nicht zu erwarten ist.
IV. Erwartungen und Unsicherheit: Keynes unterscheidet, wie Knight, zwischen den Fällen Risiko und Unsicherheit. Der Fall Unsicherheit liegt dann vor, wenn Wahrscheinlichkeitsverteilungen nicht bekannt sind. Es gibt keine wissenschaftliche Methode, relevante Wahrscheinlichkeiten festzustellen. Insofern gelingt die Reduktion auf den Fall bekannter Wahrscheinlichkeiten nicht. "We simply do not know" (Keynes, 1937, S. 214). Bei Vorliegen von Unsicherheit im Keynes-Knight-Sinn existieren weder subjektive noch objektive Wahrscheinlichkeitsverteilungen, da erstens die relevante, zeitinvariante Theorie nicht zur Verfügung steht und zweitens die Wirtschaftssubjekte nur wenige Beobachtungen verwenden; sie können also statistische Verteilungen nicht bilden. Jede wahrscheinlichkeitstheoretische Formulierung der Entscheidungen bei Unsicherheit muß als inadäquate Beschreibung der Realität erscheinen. Eine andere Sicht ergibt sich, wenn man, wie in Modellen mit rationalen Erwartungen oft üblich, die Gleichgewichtstheorie als hinreichend gute Beschreibung der Realität akzeptiert. Wegen dieser Unsicherheit sind nach Keynes gerade Investitionsentscheidungen in einer Marktwirtschaft häufig höchst willkürlich, und zwar nicht weil die Investoren irrational entscheiden und handeln, sondern weil - obwohl die Wirtschaftssubjekte alle erhältlichen Informationen verarbeiten - das System ungewünschte, erratische und unvorhersehbare Ergebnisse liefert. Unsicherheit umfaßt nicht alle Bereiche der Ökonomie, führt nicht notwendig zu chaotischen Verhaltensweisen und verhindert nicht jede Markteffizienz, aber Unsicherheit ist eine entscheidende Ursache für ökonomische Probleme, wie Instabilitäten und dauerhafte Unterbeschäftigung. Die Annahme Unsicherheit stellt auch den Realitätsbezug und damit die Relevanz der Gleichgewichtstheorie in Frage.
V. Konjunktur- und Investitionstheorie, der dynamische Charakter der Keynessche Lehre L.: Keynes wollte die Basis für die Erklärung tatsächlicher, sozial relevanter Entwicklungsprozesse in einer komplexen und sich ständig ändernden Welt erarbeiten. Diese Zielsetzung läßt sich nur im Rahmen einer dynamischen, historischen Theorie erreichen. Dabei liegt nach Keynes die Hauptbegründung für die inhärenten Instabilitäten dezentralisiert organisierter Marktwirtschaften in der Unberechenbarkeit des Investorenverhaltens bei Unsicherheit begründet. Für Investitionsentscheidungen ist nach Keynes die Kalkulation einer internen Verzinsung (Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals, marginal efficiency of capital) erforderlich, die wiederum bestimmt wird durch die Erwartungen über zukünftige Erlöse und Kosten. Bei Vorliegen von Zukunftsunsicherheit ist die Investitionsfunktion hochgradig unstabil und hängt von den langfristigen Erwartungen der Investoren ab. Dabei ist auch mit der Möglichkeit von Spekulationseffekten und psychologischen Wellen (Optimismus, Pessimismus) zu rechnen. "The theory can be summed up by saying that given the psychology of the public, the level of output and employment as a whole depends on the amount of investment ... that factor which is most prone to sudden and wide fluctuations" (Keynes, 1937, S. 121). Durch die Trennung von Sparen und Investieren (SI) tritt die Rolle des autonomen Investorenverhaltens in den Vordergrund der Keynesschen Konjunkturerklärung. Konsequenterweise setzt nach Keynes Stabilisierung ebenfalls bei den Investitionen an.
VI. Das wirtschaftspolitische Programm von J. M. Keynes: Nach Keynes ist die dezentral organisierte Marktwirtschaft nicht in der Lage, die Instabilitätstendenzen des Systems endogen auszugleichen, insbes. weil Lohnsenkungen i. d. R. keinen Weg zur Wiedergewinnung von Vollbeschäftigung darstellen. Außerdem zeigt er, daß die neoklassische Vorstellung des automatischen Ausgleichs von Ersparnis und Investitionen nicht in jedem Fall zutrifft. 1. Geld- und/oder Fiskalpolitik: Wegen der fehlenden endogenen Stabilisierungsmechanismen besteht nach Keynes eine Steuerungsnotwendigkeit. Wegen der Grenzen der Geldpolitik müssen nach Keynes auch die Staatsausgaben und -einnahmen konjunkturpolitisch eingesetzt werden, um Einkommen und Beschäftigung zu steuern (fiscal policy). - 2. Investitionssteuerung: Wegen des destabilisierenden Investorenverhaltens bei Unsicherheit als Ursache für die Instabilitäten setzt Keynessche Stabilisierung bei den Investitionen an. Keynes sieht in diesem Zusammenhang die Möglichkeit eines direkten staatlichen Engagements bei der Investitionsplanung (vgl. Keynes, 1936, S. 164 und 378 und Keynes, 1937 a, S. 368 ff.). Einer solchen Politik räumt Keynes größere Erfolgschancen ein als einer Investitionsstimulierung via Zinspolitik. Dieser unter dem Schlagwort "Sozialisierung der Investitionstätigkeit" bekannte Vorschlag impliziert aber keinesfalls eine vollständige Verdrängung von Privatinitiativen. Vielmehr soll durch staatliche Einflußnahme ein für die Vollauslastung der Kapazitäten notwendiges Investitionsvolumen angestrebt werden. Dieser Eingriff ist zuletzt auch deshalb nötig, weil nicht von einem automatischen Erreichen des "optimalen Investitionsvolumens" ausgegangen werden kann. - Für eine konkrete Ausgestaltung sieht Keynes folgende Ansatzpunkte: Risikobeteiligung bei Bauinvestitionen, öffentliche Investitionen, Investitionsmeldestellen. Insgesamt strebt er eine staatliche Mitverantwortung für das Gesamtvolumen der Investitionen an. Durch notwendige Reformen soll der dezentral organisierte Kapitalismus erhalten werden. Die Nachfragesteuerung soll global sein und mit indirekten Mitteln erfolgen, um die Effizienzvorteile der marktlichen Mikrosteuerung zu bewahren. Durch die staatliche Makropolitik soll die Tendenz zur chronischen Arbeitslosigkeit unterbunden werden. Hinzu kommt die Forderung nach Umverteilung zugunsten der Bezieher niedriger Einkommen mit hoher Konsumquote und nach Zinssenkungen. Eine bloße Dämpfung der Fluktuation ist in keinem Fall ausreichend.
VII. Beurteilung: Die Bedeutung der Keynessche Lehre L. für Wirtschaftstheorie und -politik ist kaum zu überschätzen. Auf theoretischem Gebiet wird seit 1936 an Weiterentwicklungen der Keynesschen Sicht gearbeitet (keynesianische Positionen, Neue Keynesianische Makroökonomik, Postkeynesianismus). Auch die Wirtschaftspolitik ist von Keynes nachhaltig beeinflußt worden. - Vgl. auch keynesianische Positionen, fiscal policy, Stabilisierungspolitik, Konjunkturpolitik.


Literatur: Hicks, J. R., Mr. Keynes and the classics, Econometrica, Vol. 5 (1937), S. 147-159; Keynes, J. M., A treatise on probability, 1921, in: Collected writings of J. M. Keynes, VIII, London, Basingstoke 1973; ders., A treatise on money, 1930, in: ebd., V und VI, London, Basingstoke 1971; ders., The General Theory of Employment, QJE Februar 1937, in: Collected writings of J. M. Keynes, XIV, London, Basingstoke 1973, S. 109-123; ders., How to avoid a slump, The Times 12. - 14. Januar 1937, 1937 a, in: Collected Writings of J. M. Keynes, XXI, London, Basingstoke 1982, S. 384-396; Kromphardt, J., Konzeptionen und Analysen des Kapitalismus, Göttingen 1980; Leijonhufvud, A., On Keynesian Economics and the Economics of Keynes, New York 1968.

 

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