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Zahlungsbilanzausgleichstheorie

1. Begriff: Kernbereich der monetären Außenwirtschaftstheorie, in dem die Zusammenhänge zwischen dem Güterhandel, dem internationalen Kapitalverkehr und dem Devisenmarkt untersucht werden. Das Ziel ist die Erfassung jener Mechanismen, die unter verschiedenen Voraussetzungen (fixer Wechselkurs, flexibler Wechselkurs, verschiedene Grade der internationalen Kapitalmobilität) die Erreichung des außenwirtschaftlichen Gleichgewichts gewährleisten können. - Im Unterschied zur realen Außenwirtschaftstheorie untersucht die monetäre Außenwirtschaftstheorie die internationalen Wirtschaftsbeziehungen unter expliziter Berücksichtigung der Existenz unterschiedlicher Währungen. Damit rückt ein besonderer Markt in das Zentrum des Blickfelds, der in der realen Theorie gar nicht betrachtet wird, und der für das außenwirtschaftliche Gleichgewicht von zentraler Bedeutung ist: der Devisenmarkt, auf dem verschiedene Währungen bzw. in unterschiedlichen Währungen denominierte Finanzaktiva getauscht werden. Devisenangebot und -nachfrage resultieren nicht nur aus dem internationalen Güterhandel, sondern auch aus internationalem Kapitalverkehr, welchem die monetäre Theorie besondere Aufmerksamkeit widmet. Sie analysiert zunächst unabhängig voneinander die Bestimmungsgründe für die Leistungsbilanz und den internationalen Kapitalverkehr (Kapitalverkehrsbilanz), führt dann diese beiden Bereiche in der Betrachtung des Devisenmarktes zusammen, und identifiziert das außenwirtschaftliche Gleichgewicht als Devisenmarktgleichgewicht. Die Betrachtung kann stromgrößen-, oder bestandsgrößenorientiert erfolgen. - 2. Stromgrößenorientierte Betrachtung des Devisenmarktes: Die traditionelle, stromgrößenorientierte Betrachtung identifiziert das Devisenmarktgleichgewicht als
Dabei ist B ( · ) der Leistungsbilanzüberschuß (bestimmt durch verschiedene unten näher thematisierte Umstände, die hier einfach mit · angedeutet werden), während K ( · ) die Nettokapitalimporte im Sinne der Kapitalverkehrsbilanz im engeren Sinne (wieder bestimmt durch diverse mit · angedeutete Größen) darstellt. Alle Größen sind dabei in einheitlicher Währung (z. B. DM) angegeben. a) Fälle: Wenn B + K > 0, dann herrscht eine Überschußnachfrage nach heimischer Währung (Überschußangebot an ausländischer Währung). Bei flexiblem Wechselkurs würde eine Verteuerung (Aufwertung) der heimischen Währung erfolgen, und zwar - Stabilität des Devisenmarktes vorausgesetzt - solange, bis B + K = 0. Dies impliziert, daß der Wechselkurs auf die eine oder andere Weise mit zu den durch · angedeuteten Bestimmungsgründen von B und K gehört. Bei fixem Wechselkurs erfolgt das Devisenmarktgleichgewicht bei B+K0 durch sog. Devisenmarktinterventionen, das sind Devisenverkäufe seitens der Zentralbank im Ausmaß von – (B+K). In der obigen Gleichung steht also D für die Veränderung der Devisenreserven der Zentralbank (Devisenbilanz). D > 0 bedeutet eine Zunahme der Devisenreserven. - b) Zur Erklärung der Leistungsbilanz B werden zwei Wege beschritten. (1) Der sog. Elastizitätsansatz besagt, daß die internationalen Handelsströme unter ansonsten gleichen Bedingungen von den Preisen für die handelbaren Güter bestimmt werden. Eine Verteuerung der importierten Güter bzw. Verbilligung der Exportgüter (z. B. als Resultat einer Abwertung der heimischen Währung), läßt bei konstanten Export- und Importmengen den Wert der Leistungsbilanz sinken. Allerdings ist zu erwarten, daß diese Mengen sich mit den Preisen ebenfalls verändern, und zwar im Falle der Exporte nach oben, und im Falle der Importe nach unten. Wenn die Mengenreaktion hinreichend groß ist, wird der Preiseffekt überkompensiert, und es entsteht eine Verbesserung der Leistungsbilanz. Die Veränderung der Leistungsbilanz ist also auf entscheidende Weise durch die Preiselastizitäten der Export- und Importmengen bestimmt, deswegen der Name Elastizitätsansatz. Die sog. Marshall-Lerner-Bedingung gibt an, wie diese Elastizitäten genau beschaffen sein müssen, damit eine Abwertung der heimischen Währung zu einer Verbesserung der Leistungsbilanz führt. (2) Der Absorptionsansatz betont, daß die Leistungsbilanz eines Landes die Differenz zwischen seiner Produktion (bzw. Einkommen) und seinem Güterverbrauch (Absorption) reflektiert. Die Kernaussage des Absorptionsansatzes kann kurz wie folgt formuliert werden
wobei B der Leistungsbilanzüberschuß, Ys das Bruttosozialprodukt, und A die heimische Absorption von Gütern ist. Ys und A werden dabei zu Weltmarktpreisen bewertet, und es wird von internationalen Transfers abstrahiert. Nachdem die Leistungsbilanz ja auch grenzüberschreitende Faktoreinkommen beinhaltet (Dienstleistungsbilanz), muß auf der rechten Seite der Gleichung das Bruttosozialprodukt, und nicht das Bruttoinlandsprodukt verwendet werden. Der Absorptionsansatz besagt also, daß die Leistungsbilanz eines Landes sich nur in dem Maße verbessern kann, wie sein Sozialprodukt stärker steigt, als seine Absorption. Der Elastizitätsansatz steht nicht grundsätzlich im Widerspruch zum Absorptionsansatz, denn eine Veränderung der Preise kann ihrerseits ja auch das Einkommen Ys und die Absorption A so verändern, daß die Differenz Ys – A zunimmt. - c) An dieser Stelle kann noch einmal der entscheidende Unterschied zwischen der realen und der monetären Außenwirtschaftstheorie verdeutlicht werden. Die reale Theorie will die hinter B stehenden Handelsmengen und die Preise für die handelbaren Güter erklären, und sie postuliert dabei (abgesehen vom intertemporalen Handel) stets von vornherein A = Ys (und mithin B = 0). Die monetäre Theorie konzentriert sich hingegen weitgehend auf die aggregierten Größen Ys und A, und sie versucht, unausgeglichene Leistungsbilanzen dadurch zu erklären, daß sie dabei typischerweise nicht von vornherein Ys = A unterstellt. Sie postuliert statt dessen unter Bezugnahme auf die makroökonomische Theorie keynesianischer Prägung, daß die Güterabsorption vom Einkommen (Konsumfunktion), vom Zinssatz (Investitionsfunktion), und von diversen fiskalpolitischen Variablen (Steuern, Güterverbrauch des Staates) abhängt. Dies wird ergänzt um eine Theorie des Güterangebots und der Einkommensbestimmung (Ys), und die Leistungsbilanz ergibt sich dann gem. der obigen Gleichung endogen. Dabei muß a priori natürlich auch eine unausgeglichene Leistungsbilanz zugelassen werden, und eine der Kernaufgaben der monetären Außenwirtschaftstheorie ist es, die Implikationen unausgeglichener Leistungsbilanzen für den Devisenmarkt und das außenwirtschaftliche Gleichgewicht zu erforschen. - Man muß hier allerdings ergänzend erwähnen, daß neuere Entwicklungen von der eben skizzierten keynesianischen Makroökonomik abgerückt sind, und das Konsumverhalten einer intertemporalen Optimierung, und damit auch einer intertemporalen Budgetrestriktion unterwerfen. In dem Maße, wie die monetäre Außenwirtschaftstheorie diese Sichtweise übernimmt, werden unausgeglichene Leistungsbilanzen im Sinne der realen Außenwirtschaftstheorie als Spiegelbild eines ausgeglichenen intertemporalen Handels aufgefaßt. - 3. Bestandsgrößenorientierte Sicht des Devisenmarktes: Diese alternative Sichtweise des Devisenmarktgeschehens resultiert aus einer genaueren Betrachtung der Bestimmungsgründe des internationalen Kapitalverkehrs. Internationaler Kapitalverkehr resultiert aus Umschichtungen in den Währungszusammensetzungen der Portefeuilles international operierender Anleger. Eine Grundannahme der Außenwirtschaftstheorie ist, daß die Portefeuille-Entscheidungen dieser Anleger renditeorientiert erfolgen. In der Realität haben die Anleger eine beträchtliche Anzahl verschiedener Veranlagungsformen zur Auswahl. Der Einfachheit halber unterstellt man in der Theorie meistens neben dem zinslosen Geld innerhalb eines jeden Landes nur eine einzige Veranlagungsform für Finanzvermögen, nämlich ein festverzinsliches Wertpapier. Die bestandsgrößenorientierte Betrachtung des Devisenmarktes versucht, jene Relationen zwischen Zinssätzen und Wechselkursen zu identifizieren, bei denen renditeorientierte Anleger gegebene Bestände an verschiedenen Finanzaktiva zu halten bereit sind. Man spricht dann von einem Bestandsgleichgewicht oder Portfoliogleichgewicht. Bei Abwesenheit von internationalen Kapitalverkehrskontrollen kann sich ein Anleger Zinsdifferenzen zwischen dem In- und Ausland durch geeignete Währungszusammensetzung seines Vermögensportefeuilles zunutze machen. Wenn ein Devisenterminmarkt existiert, dann kann er dies sogar ohne jedes Risiko tun, indem er z. B. ein höherverzinstes ausländisches Wertpapier erwirbt, und zugleich ausländische Währung per Termin verkauft. Ist der momentane Wechselkurs gleich w, und beträgt der Terminkurs für den z. B. in drei Monaten zu erfolgenden Verkauf der ausländischen Währung wt, dann beträgt die sichere Rendite des ausländischen Titels
wobei r* den relevanten ausländischen Zinssatz andeuten soll. Diese Aussage stimmt streng genommen nur approximativ, die effektive Rendite ist eigentlich
Mit einer Vernachlässigung des zweiten Terms wird aber nur ein sehr kleiner Fehler in Kauf genommen. (wt – w)/w wird Swapsatz genannt. Renditebewußte Anleger werden also die zu einem bestimmten Zeitpunkt gegebenen Bestände an Finanzaktiva nur dann auch halten wollen, wenn
Dies ist die gedeckte Zinsparität, und sie ist bei Abwesenheit von internationalen Kapitalverkehrskontrollen eine Bedingung für das Devisenmarktgleichgewicht. Risikoneutrale Anleger würden die gegebenen Bestände nur dann halten wollen, wenn we = wt, wobei we der aus momentaner Sicht gegebene Erwartungswert des künftigen Kassakurses ist. (Dabei müssen wiederum die für r* und we unterstellten Zeitspannen übereinstimmen.) Abwesenheit von internationalen Kapitalverkehrskontrollen verbunden mit Risikoneutralität ergibt perfekte Kapitalmobilität, und in diesem Falle ist die ungedeckte Zinsparität
eine weitere Bedingung für Devisenmarktgleichgewicht. Bei risikoscheuen Anlegern (Risikoaversion) entsteht imperfekte Kapitalmobilität, und die ungedeckte Zinzsparität bzw. we = wt ist im allgemeinen nicht mehr mit einem Devisenmarktgleichgewicht vereinbar. Wohl aber die gedeckte Zinsparität. Diese impliziert, daß die inländischen Halter von ausländischen Wertpapieren ausländische Währung per Termin verkaufen, und die ausländischen Halter der inländischen Wertpapiere ausländische Währung per Termin kaufen können. Wenn diese beiden Arten von Tauschwünschen im Gesamtvolumen exakt übereinstimmen, dann hätte kein Anleger eine offene Position, und es wäre auch bei Risikoaversion durchaus vorstellbar, daß we = wt. In allen anderen Fällen aber würde die gedeckte Zinsparität erfordern, daß z. B. auch jemand bereit ist, ausländische Währung per Termin zu kaufen, der nicht jetzt im Besitz eines heimischen Wertpapiers ist, und dieses nach Ablauf des Termins in ausländische Währung umtauschen will. Die per Termin gekaufte ausländische Währung soll also danach sofort wieder in heimische Währung getauscht werden. - Eine offene Position dieser Art birgt ein Risiko: Wenn der sich später einstellende Kassakurs über dem Terminkurs liegt, so wird sich ein Gewinn einstellen, andernfalls ein Verlust. Bei Risikoaversion wird dieses Wirtschaftssubjekt sich für die Übernahme des Risikos durch eine Risikoprämie entlohnen lassen. Diese entsteht in Form einer Differenz zwischen dem erwarteten Kassakurs und dem Terminkurs. Die erwartete Rendite des ausländischen Wertpapiers ist r*+(we–w)/w. Die Risikoprämie wird aus der Warte des heimischen Anlegers definiert als Differenz zwischen dieser erwarteten Rendite des ausländischen Wertpapiers und der (sicheren) Rendite des heimischen Papiers (r). - Devisenmarktgleichgewicht, verstanden als Bestandsgleichgewicht, erfordert also neben der ungedeckten Zinsparität immer auch einen ganz bestimmten Wert der Risikoprämie. Bei perfekter Kapitalmobilität ist dieser Wert null, bei imperfekter Kapitalmobilität ist eine positive Risikoprämie erforderlich. Wie hoch diese sein muß, hängt von den jeweils gegebenen Beständen an heimischen bzw. ausländischen Wertpapieren ab. - Veränderungen dieser Bestände erfordern eine Veränderung der Risikoprämie. Eine Erhöhung des Angebots an ausländischen Finanzaktiva (Überschuß in der Leistungsbilanz) erfordert eine Zunahme der Risikoprämie. Dies wird in der monetären Außenwirtschaftstheorie gelegentlich formuliert als
mit K' > 0. Dies ist zwar einerseits plausibel, birgt aber andererseits aus bestandsgrößenorientierter Sicht die Gefahr eines Mißverständnisses, denn K ist eine Stromgröße (Kapitalimporte). Es ist insbes. nicht zu erwarten, daß z. B. eine Erhöhung der Risikoprämie (aus der Sicht des ausländischen Anlegers) nachhaltig (d. h. Periode für Periode) zu einer Erhöhung der Kapitalimporte führt, sondern lediglich zu einer einmaligen Portfolioanpassung. - 4. Außenwirtschaftliches Gleichgewicht: Die beiden eben skizzierten Sichtweisen des Devisenmarktes sind Kernbestandteile der Theorie des Zahlungsbilanzausgleichs, bzw. des außenwirtschaftlichen Gleichgewichts. a) Kurzfristig gesehen ist mit außenwirtschaftlichem Gleichtgewicht das Devisenmarktgleichgewicht gemeint, und zwar sowohl im Sinne der bestandsgrößenorienterten, als auch im Sinne der stromgrößenorientierten Betrachtung. Man spricht auch vom temporären oder momentanen Gleichgewicht. - b) Langfristig herrscht ein außenwirtschaftliches Gleichgewicht dann vor, wenn das momentane Gleichgewicht zu keiner Veränderung im Nettobestand an Auslandsverbindlichkeiten bzw. -forderungen mehr führt. - c) Dabei ist jeweils auf der einen Seite das Ausmaß an internationaler Kapitalmobilität zu beachten, und auf der anderen Seite der Grad der Wechselkursflexibilität. Wir unterscheiden hier nur zwischen den Extremen eines fixen und flexiblen Wechselkurses. Ferner unterscheiden wir zwischen Situationen ohne jegliche internationale Kapitalmobilität, solchen mit imperfekter Kapitalmobilität und solchen mit perfekter Kapitalmobilität. Die verschiedenen Situationen lassen sich in einer Übersicht schematisch darstellen, wobei man sich zweckmäßigerweise nur auf die aus der Sicht der monetären Außenwirtschaftstheorie wichtigsten Facetten konzentriert (vgl. Übersicht "Mechanismen zur Erreichung des außenwirtschaftlichen Gleichgewichts"). Von entscheidender Bedeutung ist dabei, daß die Bestände der drei relevanten Finanzaktiva (heimisches Geld, heimische Wertpapiere, und ausländische Wertpapiere) zu jedem Zeitpunkt durch die in der Vergangenheit durchlaufene Geschichte (Nettoemmission heimischer Schuldverschreibungen, Leistungsbilanzsalden) und durch die Geldpolitik bestimmt sind. Weiter ist streng zu unterscheiden zwischen den jeweiligen Gesamtbeständen und den im privaten Sektor (außerhalb der Zentralbank befindlichen) Beständen. - d) Außenwirtschaftliches Gleichgewicht bei flexiblem Wechselkurs: Bei flexiblem Wechselkurs enthält sich die Zentralbank jeder Devisenmarktintervention (D = 0). (1) Bei perfekter Kapitalmobilität bestimmen die zu jedem Zeitpunkt gegebenen Bestände ein Portfoliogleichgewicht mit einem Zinssatz und einem Wechselkurs . Dabei spielen die Wechselkurserwartungen eine große Rolle, diese werden hier vorerst als exogen gegeben betrachtet, und etwas weiter unten noch einmal thematisiert. l (r, · ) ist der vom Zinssatz und einigen weiteren, hier durch · angedeuteten Größen bestimmte Anteil des Gesamtfinanzvermögens V, das die Wirtschaftssubjekte in barer Kasse zu halten wünschen. Diese sonstigen Bestimmungsgründe der Geldnachfrage umfassen insbes. das Realeinkommen und das Preisniveau (Transaktionsmotiv zur Kassenhaltung). Sofern die Bedingung der Zinsparität erfüllt ist, sind die Wirtschaftssubjekte indifferent bzgl. der verschiedenen Zinstitel, und wenn die Geldnachfrage der Geldmenge L entspricht, impliziert die Vermögensrestriktion, daß auch der Markt für Zinstitel im Gleichgewicht ist. (Es wird hier vereinfachend die Zentralbankgeldmenge mit der Geldmenge gleichgesetzt.) Die so entstehenden Werte (,) bestimmen, zusammen mit einer Reihe weiterer Einflußgrößen (wieder durch ein · angedeutet) ein Stromgleichgewicht mit einer bestimmten Leistungsbilanz B. Die Details dieses Stromgleichgewichts hängen von einer ganzen Reihe von Umständen ab, die hier der Kürze halber nur angedeutet werden können. Der Wechselkurs bestimmt die Preise der gehandelten Güter, und somit unter sonst gleichen Bedingungen die Importnachfrage (und im Falle eines großen Landes auch die Exportnachfrage), und mitunter auch die Güterproduktion und das Einkommen. Der Zinssatz beeinflußt über die Investitionsnachfrage die gesamte Güterabsorption, und das private Finanzvermögen bestimmt die private Konsumnachfrage. Die Differenz zwischen Einkommen und Absorption (siehe oben) ergibt die Leistungsbilanz B, und damit zugleich auch die Veränderung im Nettobestand an ausländischen Zinstiteln Z*. Dies ist zugleich eine Gesamtvermögensveränderung, wenn man der Einfachheit halber unterstellt, daß die heimischen Zinstitel insgesamt bei gegeben sind. Dieser Bestand kann sich z. B. aufgrund eines öffentlichen Budgetdefizits verändern, das mit Wertpapieremissionen finanziert wird. Bestandsveränderungen bewirken im nächsten Zeitpunkt ein neues Bestandsgleichgewicht mit veränderten Werten für Wechselkurs und Zinssatz. Das Stromgleichgewicht verbindet also zwei aufeinanderfolgende Bestandsgleichgewichte. Dieser Prozeß wiederholt sich so lange, bis ein Wechselkurs und ein Zinssatz erreicht sein werden (und - nicht eigens eingetragen - ein Gesamtvermögenswert), bei denen das Stromgleichgewicht zu einer ausgeglichenen Leistungsbilanz führt. Dann erfolgt keine endogene Bestandsveränderung mehr, die Wirtschaft ist in einem stationären Zustand, dem langfristigen außenwirtschaftlichen Gleichgewicht. - Hierbei ist zu beachten, daß die Zinszahlungen auf das Nettoauslandsvermögen Z*+D Bestandteil der Leistungsbilanz sind. Wenn die Ökonomie z. B. zu Beginn in einem Zustand ausgeglichener Leistungsbilanz ist und durch einen exogenen Schock in ein Leistungsbilanzdefizit gerät, so impliziert diese Anpassung eine Aufeinanderfolge von temporären Gleichgewichten, an deren Ende die Ökonomie einen Handelsbilanzüberschuß aufweisen muß, der genau zur Finanzierung der Zinsen auf die Auslandsschuld ausreicht. In diesem Sinne inkorporiert diese Betrachtung auch die intertemporale Budgetrestriktion eines Landes. Die Konvergenz des Anpassungsprozesses auf einen solchen stationären Zustand ist allerdings nicht trivialerweise garantiert, sie kann jedoch hier aus Platzgründen nicht näher erörtert werden. (2) Bei imperfekter Kapitalmobilität ergibt sich nur eine relativ geringfügige Modifikation. Es tritt an die Stelle der ungedeckten Zinsparität eine Gleichgewichtsbedingung für heimische Zinstitel. Wieder impliziert die Vermögensrestriktion, daß der Markt für das dritte Asset (ausländische Zinstitel) im Gleichgewicht ist, wenn die beiden anderen Assetmärkte im Gleichgewicht sind. Eine explizite Betrachtung des dritten Assets kann also entfallen. Ansonsten enspricht der hier entstehende Anpassungsprozeß im Prinzip dem eben skizzierten Fall der perfekten Kapitalmobilität. (3) Ist allerdings Kapital international völlig immobil, so entsteht insofern eine grundsätzlich andere Situation, als der Unterschied zwischen dem kurz- und dem langfristigen Gleichgewicht verschwindet. Die Anlieger halten keine ausländischen Zinstitel, die Zinsparität hat keine Bedeutung mehr, und das Bestandsgleichgewicht bestimmt dann nur noch den von r* völlig entkoppelten heimischen Zinssatz. Dieser erweist sich auch als der langfristige Gleichgewichtszinssatz , denn nun muß die Leistungsbilanz mangels internationaler Kapitalmobilität und mangels Devisenmarktintervention der Zentralbank sofort zum Ausgleich kommen, und zwar über einen entsprechenden Wechselkurs . Der Wechselkurs wird hier ausschließlich über das Stromgleichgewicht bestimmt. - Ein wichtiger Unterschied zum Fall des fixen Wechselkurses besteht darin, daß der heimische Zinssatz auch bei perfekter Kapitalmobilität nicht gleich dem ausländischen Zinssatz sein muß; eine Diskrepanz kann ja durch eine Auf- bzw. Abwertungserwartung kompensiert werden, die bei glaubwürdig fixiertem Wechselkurs nicht entstehen kann. Entscheidend ist ferner, daß bei Kapitalmobilität jedes einzelne Portfoliogleichgewicht auf entscheidende Weise durch die hier vereinfachend als exogen betrachtete Wechselkurserwartung we bestimmt wird. Dies ist die vielleicht wichtigste Konsequenz der bestandsgrößenorientierten Betrachtung des kurzfristigen Devisenmarktgleichgewichts bei Kapitalmobilität: Der zu jedem Zeitpunkt realisierte Wechselkurs hängt auch von dem für den nächsten Zeitpunkt erwarteten Wechselkurs ab. Von dieser Erkenntnis ausgehend kann man nun versuchen, Hypothesen über die Bildung von Erwartungen zu formulieren, und so den Erklärungsanspruch der monetären Außenwirtschaftstheorie noch etwas auszudehnen. Dies ist in der Tat auch ein wichtiges Element der jüngeren Entwicklung der monetären Außenwirtschaftstheorie. - Vgl. auch Wechselkurstheorie. - e) Außenwirtschaftliches Gleichgewicht bei fixem Wechselkurs: Ist die Wechselkursfixierung glaubwürdig, so resultieren stationäre Wechselkurserwartungen (we = w). (1) Bei perfekter Kapitalmobilität impliziert dann die Zinsparität r = r*. Das kurzfristige Portfoliogleichgewicht entsteht dadurch, daß sich die Wirtschaftssubjekte in Ungleichgewichtssituationen ihrer überschüssigen Liquidität bzw. der überschüssigen Zinstitel im Wege von Kapitalexporten bzw. Kapitalimporten entledigen. Dies impliziert allerdings, daß die Anleger ausländische Zinstitel in beliebigen Mengen verkaufen bzw. kaufen können, ohne deren Kurs und damit den Zinssatz r* zu verändern. Um solche Zinseffekte abbilden zu können, müßte man ausländische Portfolioentscheidungen im Modell mitberücksichtigen. Letztlich erfolgt hierbei ein Tausch von L (bzw. D) gegen Z*, oder umgekehrt. Auf diese Weise ist die heimische Geldmenge durch das Portfoliogleichgewicht letztlich endogen bestimmt (). Der gegebene Zinssatz r*, und der Anfangsbestand an Gesamtvermögen bestimmen - wiederum zusammen mit anderen, durch · angedeuteten Größen (z. B. dem Wechselkurs) - die Leistungsbilanz. Im Ausmaß der Leistungsbilanz erfolgt eine Veränderung des Gesamtbestandes an Nettoauslandsvermögen. In welchem Maße dies in Form von veränderten Devisenreserven erfolgt, wird durch das Stromgleichgewicht auf dem Devisenmarkt bestimmt. Die Vermögensveränderung bewirkt im nächsten Zeitpunkt ein neues Bestandsgleichgewicht, und die Ökonomie konvergiert bei Stabilität wieder zum langfristigen Gleichgewicht mit B = 0. (2) Die Situation mit imperfekter Kapitalmobilität ist im Grunde analog zu sehen. Erwähnenswert ist jedoch, daß die Zentralbank hier durch Offenmarktpolitik (Kauf bzw. Verkauf von heimischen Zinstiteln: Z = – Zn) den heimischen Zinssatz beeinflussen kann. Endogen, d. h. durch die Zentralbank nicht beeinflußbar, ist aber auch in diesem Falle die Geldmenge. (3) Bei Kapitalimmobilität bestimmt das Bestandsgleichgewicht nur den inländischen Zinssatz, und die inländische Geldmenge ist durch die Zentralbank steuerbar. Die resultierende Leistungsbilanz entspricht der Veränderung in den Devisenreserven (Stromgleichgewicht) und damit der Veränderung der Geldmenge (und der Veränderung des gesamten Finanzvermögens). Dies bewirkt in der nächsten Periode ein neues Portfoliogleichgewicht mit neuem Zinssatz, und es entsteht wieder ein Anpassungsprozeß, an dessen Ende - Konvergenz vorausgesetzt - das langfristige Gleichgewicht steht. Im Unterschied zum Fall des flexiblen Wechselkurses ist hier nicht mit sofortigem Leistungsbilanzausgleich zu rechnen. Die Details dieser Anpassungsprozesse hängen - wie schon beim Fall des flexiblen Wechselkurses - von den genauen Bedingungen auf den Güter- und Faktormärkten ab, die hier aus Platzgründen nicht erörtert werden können. - f) Der bei fixem Wechselkurs entstehende Anpassungsprozeß steht im Zentrum des monetären Ansatzes zur Zahlungsbilanztheorie, und er entspricht im Grunde jenem des Goldstandards. Er kann durch Versuche der Sterilisierung mitunter erheblich beeinflußt werden. Damit ist gemeint, daß die Zentralbank die Geldmengenwirkung einer im Zuge von Devisenmarktinterventionen entstehenden Zu- oder Abnahme der Devisenreserven durch eine kompensierende Offenmarktpolitik ganz oder teilweise kompensiert. Bei Kapitalimmobilität kann dies kurzfristig sehr wohl geschehen, es würde dann der oben skizzierte Anpassungsprozeß gewissermaßen "angehalten", und das Leistungsbilanzungleichgewicht würde zunächst perpetuiert. Einer solchen Politik der Sterilisierung sind jedoch Grenzen gesetzt, die spätestens dann erreicht werden, wenn die Zentralbank entweder am Ende ihrer Devisenreserven angelangt ist, bzw. (sollte der Prozeß in die gegenteilige Richtung laufen) wenn sie über keine heimischen Zinstitel mehr verfügt. Im ersteren Fall wäre eine diskretionäre Veränderung des nominellen Wechselkurses oder gar eine Freigabe des Wechselkurses notwendig. Die Grenzen der Sterilisierung sind noch enger gesteckt, wenn wir internationale Kapitalmobilität haben, denn dann ist die Geldmenge ja über das Portfoliogleichgewicht zu einer endogenen Größe geworden. Jeder Versuch der Notenbank, eine andere als die gleichgewichtige Geldmenge zu erreichen, würde zu Kapitalexporten bzw. -importen führen, die sofort wieder zu führen. Dies gilt sowohl für perfekte, wie auch für imperfekte Kapitalmobilität. Gleichwohl ergibt sich ein im Hinblick auf Sterilisierung wichtiger Unterschied zwischen diesen beiden Situationen. Während bei perfekter Kapitalmobilität die Geldmenge bei r = r* endogen bestimmt wird, hat die Zentralbank bei imperfekter Kapitalmobilität die Möglichkeit, den Inlandszins durch Offenmarktpolitik (Bestimmung von Z bzw. Zn) zu beeinflussen. Der Zinssatz aber bestimmt auf entscheidende Weise die Absorption und die Leistungsbilanz, und somit auch den Anpassungsprozeß. Dies ist ja auch die Krux der Sterilisierung im Fall der Kapitalimmobilität, nur benötigt die Zentralbank für einen bestimmten gewünschten Zinseffekt um so größere Bewegungen in Z, je höher die internationale Kapitalmobilität ist. Neutralisierung ist also bei perfekter Kapitalmobiliät nicht einmal kurzfristig möglich, wohingegen bei imperfekter Kapitalmobilität eine gewisse Möglichkeit der kurzfristigen Beeinflussung des Anpassungsprozesses durch die Zentralbank gegeben ist. - Vgl. auch Wechselkurstheorie, Zielzonen-System.


Literatur: Alexander, S. S., Effects of a Devaluation: A Simplified Synthesis of Elasticities and Absorption Approaches, in: American Economic Review, 44 (1959), S. 22-42; Dornbusch, R., Devaluation, Money, and Nontraded Goods, in: American Economic Review, 63 (1973), S. 871-880; Dornbusch, R., Open Economy Macroeconomics, New York 1980; Frenkel, J. A./Johnson, H. G. (Hrsg.), The Monetary Approach to the Balance of Payments, London 1976; Hahn, F. H., The Monetary Approach to the Balance of Payments, in: Journal of International Economics, 7 (1977), S. 231-250; Johnson, H. G., The Monetary Approach to the Balance-of-Payments Theory, in: Journal of Financial and Quantitative Analysis, 7 (1972), S. 1555-1571; Jones, R. W./Kenen, P. B. (Hrsg.), Handbook of International Economics, vol. 2, North-Holland, Amsterdam 1985; Meade, J. E., The Balance of Payments, London 1951.

 

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