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Vergleichsverfahren

I. Begriff: Gerichtliches Verfahren zur Abwendung eines Konkurses (Vergleich) unverschuldet in Not geratener würdiger Schuldner, wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse die Erfüllung einer Mindestquote und die Erhaltung des Unternehmens erwarten lassen. Möglich als Stundungsvergleich, Erlaßvergleich oder Liquidationsvergleich. - Rechtsgrundlage: Vergleichsordnung (VerglO) vom 26. 2. 1935 (RGBl I 321) m. spät. Änd. - Das Vergleichsverfahren wird ab 1. 1. 1999 durch das einheitliche Insolvenzverfahren nach der Insolvenzordnung abgelöst. - Anders: außergerichtlicher Vergleich.
II. Einleitung: 1. Voraussetzungen: Vergleichsantrag des Vergleichsschuldners und Vorliegen eines Konkursgrundes. - 2. Nach Eingang des Antrages bestellt das Vergleichsgericht einen vorläufigen Verwalter und prüft anhand der eingereichten Unterlagen, eines Berichtes des Verwalters und eines Gutachtens der zuständigen Berufsvertretung (für Kaufleute die Industrie- und Handelskammer), ob das Vergleichsverfahren eröffnet werden kann. Zwingende Ablehnungsgründe enthalten §§ 17, 18 VerglO. Dem Schuldner können Verfügungsbeschränkungen auferlegt werden; Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, die innerhalb der letzten 30 Tage vor Antragstellung vorgenommen wurden, können auf Antrag eingestellt werden.
III. Vergleichseröffnung: Erfolgt durch gerichtlichen Beschluß, der u. a. die Stunde der Eröffnung, Bestimmung des Vergleichsverwalters und die Anberaumung eines Vergleichstermins enthält. Die Eröffnung des Vergleichsverfahren ist von Amts wegen in das Handelsregister einzutragen, auf die mangelnde Eintragung kann sich niemand berufen; § 15 HGB ist unanwendbar. - Ein Firmenzusatz "im V." oder ähnlich ist unnötig. Andere als Vergleichsgläubiger werden durch das Vergleichsverfahren nicht berührt. - Den Vergleichsgläubigern ist es unbenommen, gegen den Schuldner zu klagen, die Vollstreckung ist jedoch unzulässig; über einen Konkursantrag kann nicht entschieden werden (§§ 46, 47 VerglO).
IVergleichsverfahren Ablehnung des Vergleichsantrages: Durch das Vergleichsgericht zwingend: 1. Wenn die allgemeinen Voraussetzungen nicht gegeben sind (z. B. örtliche Unzuständigkeit, mangelnde Vergleichsfähigkeit des Schuldners, Fehlen eines Konkursgrundes). - 2. Wenn gesetzliche Ablehnungsgründe vorliegen (§§ 17, 18 VerglO; bei einer Personengesellschaft genügt das Vorliegen eines Ablehnungsgrundes in der Person eines persönlich haftenden Gesellschafters), z. B. wenn: a) der Vergleichsantrag den Erfordernissen der §§ 3-7 VerglO nicht entspricht (einzureichende Unterlagen und abzugebende Erklärungen) und der Mangel, falls er entschuldbar ist, nicht innerhalb der vom Gericht gesetzten Nachfrist beseitigt wird; b) der Schuldner flüchtig ist, wenn er des Bankrotts verdächtigt oder deshalb verurteilt ist; c) innerhalb der letzten fünf Jahre ein Vergleichs- oder Konkursverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet oder mangels Masse abgelehnt ist; d) der Schuldner innerhalb dieser Frist im Zwangsvollstreckungsverfahren die eidesstattliche Versicherung abgegeben oder grundlos verweigert hat oder seiner Auskunftspflicht nicht nachkommt; e) die geschäftlichen Aufzeichnungen einen hinreichenden Überblick über die Vermögenslage nicht ermöglichen; f) der Vermögensverfall auf Unredlichkeit, Preisschleuderei oder Leichtsinn des Schuldners zurückzuführen ist; g) die Antragstellung schuldhaft verzögert ist, der Vergleichsvorschlag der Vermögenslage des Schuldners nicht entspricht, indem er eine zu hohe oder zu geringe Quote bietet; h) im Falle der Fortführung des Unternehmens seine Erhaltung durch den Vergleich offenbar nicht zu erwarten ist. - 3. Folge: Bei Ablehnung der Vergleichsverfahren hat das Gericht von Amts wegen über die Eröffnung des Anschlußkonkurses zu entscheiden (§ 19 VerglO).
Vergleichsverfahren Vergleichstermin: Nach Feststellung des Stimmrechts und Erörterung des Vergleichsvorschlages wird über dessen Annahme abgestimmt. Der Vergleich bedarf zu seiner Wirksamkeit der Bestätigung des Gerichts durch zu verkündenden unanfechtbaren Beschluß. Vgl. im einzelnen Vergleichstermin.
VI. Rechtsfolgen: 1. Der wirksam gewordene Vergleich verändert die Forderungen der Vergleichsgläubiger, auch derjenigen, die sich am Vergleichsverfahren nicht beteiligt haben, entsprechend dem Vergleichsvorschlag. - Mit Rechtskraft der Bestätigung des Vergleichs wird der Vergleichsvorschlag des Schuldners für und gegen alle Vergleichsgläubiger verbindlich, unabhängig davon, ob sie sich am Vergleichsverfahren beteiligt und für oder gegen den Vergleichsvorschlag gestimmt haben (§§ 82-89 VerglO). - Bei Erlaßvergleich besteht für den erlassenen Forderungsteil eine zwar noch erfüllbare, aber nicht mehr erzwingbare Verbindlichkeit fort. Die Rechte der Gläubiger gegen Mitschuldner und Bürgen und etwaige Sicherheiten bleiben uneingeschränkt bestehen. - Bei dem Gesellschaftsvergleich einer OHG, KG und KGaA wird auch der Umfang der persönlichen Haftung der Gesellschafter entsprechend begrenzt (§ 109 Ziff. 3 VerglO). - 2. Das Vergleichsverfahren wird mit Bestätigung aufgehoben, wenn die Schuldsumme 20 000 DM nicht übersteigt oder der Schuldner sich im Vergleich der Überwachung durch einen oder mehrere Sachverwalter unterworfen hat (§§ 91 ff. VerglO). Andernfalls wird das Verfahren zwecks Überwachung der Vergleichserfüllung fortgeführt (sog. Nachverfahren). Das Vergleichsverfahren wird aufgehoben, wenn der Vergleichsverwalter die Erfüllung anzeigt oder der Schuldner sie glaubhaft macht. Zeigt der Vergleichsverwalter an, daß der Vergleich nicht erfüllt werden kann, wird über die Eröffnung des Anschlußkonkurses entschieden. - 3. Aus dem bestätigten Vergleich in Verbindung mit einem Auszug aus dem Gläubigerverzeichnis kann der Gläubiger gegen den Schuldner in gleicher Weise wie aus einem vollstreckbaren Titel vollstrecken, sofern weder der Vergleichsverwalter noch der Schuldner die Forderung im Vergleichstermin bestritten haben. Die Vollstreckungsklausel wird vom Vergleichsgericht auf Antrag erteilt. Im Falle des Verzuges des Schuldners kann der Gläubiger - wenn er Mahnung und Ablauf der Nachfrist glaubhaft macht - eine erweiterte Vollstreckungsklausel in Höhe des ursprünglichen Forderungsbetrages erhalten und daraus vollstrecken (§ 85 VerglO). - 4. Der Vergleich wird hinfällig: a) für denjenigen Gläubiger, demgegenüber der Schuldner trotz Setzung einer Nachfrist mit der Erfüllung in Verzug gerät (§ 9 VerglO: Wiederauflebensklausel); b) wenn der Vergleich angefochten wird, weil er durch arglistige Täuschung zustande gekommen ist und der Gläubiger außerstande war, den Anfechtungsgrund früher geltend zu machen (§ 89 VerglO); möglich auch noch nach vollständiger Erfüllung des Vergleichs; c) gegenüber allen Gläubigern, wenn der Schuldner wegen betrügerischen Bankrotts oder deshalb verurteilt wird, weil er im Zusammenhang mit dem Vergleichsverfahren vorsätzlich eine falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben hat oder wenn vor vollständiger Erfüllung Konkurs oder Anschlußkonkurs eröffnet wird. - 5. Bei der Eröffnung des Anschlußkonkurses bleiben verschiedene Rechtswirkungen des Vergleichsverfahren im Interesse der Gläubiger bestehen (§§ 102 ff. VerglO).
VII. Bekanntmachung: Über die wichtigsten gerichtlichen Entscheidungen erfolgt im Bundesanzeiger und dem Amtsblatt (Staatsanzeiger) öffentliche Bekanntmachung, die als Zustellung an alle Beteiligten gilt.
VIII. Rechtsmittel: Gegen die Entscheidung des Vergleichsgerichts nur insoweit gegeben, wie es in der VerglO besonders zugelassen ist (§ 121 VerglO), z. B. bei Ablehnung des Vergleichsantrages, Einstellung oder Aufhebung des Konkurs- und Vergleichsverfahrens, Eröffnung des Anschlußkonkurses. Die Beschwerdefrist beträgt eine Woche nach Verkündung oder Zustellung der Entscheidung.

 

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