Wirtschaftslexikon - Enzyklopädie der Wirtschaft
lexikon betriebswirtschaft Wirtschaftslexikon lexikon wirtschaft Wirtschaftslexikon Suche im Wirtschaftslexikon
A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z
 
 
 

Unfallversicherung

I. Gesetzliche U.: Besonderer Zweig der Sozialversicherung. - 1. Entwicklung: Durch die gesetzliche Unfallversicherung wurde 1884 die zivilrechtliche Entschädigungspflicht des einzelnen Unternehmers für Betriebsunfälle in eine auf öffentlich-rechtlichem Zwang beruhende Gesamthaftung aller Unternehmer umgewandelt, zunächst auf einzelne gefährdete Zweige der Industrie beschränkt, später ausgedehnt auf Transport- und Verladungsbetriebe (1885), land- und forstwirtschaftliche Betriebe (1886) und Bau- und Seefahrtsunternehmen (1887). Mit der im Jahre 1942 vollzogenen Umwandlung der bisherigen Betriebsversicherung in eine Personenversicherung sind Entschädigungsansprüche der verletzten Versicherten geregelt und begrenzt. - 2. Gesetzliche Grundlage: Reichsversicherungsordnung (RVO) und Berufskrankheiten-VO; ab 1. 1. 1997 §§ 2, 3 SGB VII. - 3. Aufgaben: Unfallverhütung und Erste Hilfe; Durchführung von Heilverfahren; Berufshilfe und Gewährung einer Unfallentschädigung durch Geldleistungen (vgl. 6). - 4. Arten: allgemeine Unfallversicherung (§§ 643-773 RVO); landwirtschaftliche Unfallversicherung (§§ 776-834 RVO); See-Unfallversicherung (§§ 835-895 RVO). - 5. Kreis der Versicherten: Die allgemeine Unfallversicherung umfaßt alle Unternehmen und die in ihnen Tätigen gegen Arbeitsunfall Versicherten, soweit sie nicht der landwirtschaftlichen Unfallversicherung oder See-Unfallversicherung unterliegen. a) Pflichtversicherte (§ 539 RVO): (1) die aufgrund eines Arbeits-, Dienst- oder Ausbildungsverhältnisses Beschäftigten; (2) Heimarbeiter, Zwischenmeister, Hausgewerbetreibende und ihre im Unternehmen tätigen Ehegatten sowie die sonstigen mitarbeitenden Personen; (3) Personen, die zur Schaustellung oder Vorführung künstlerischer oder artistischer Leistungen vertraglich verpflichtet sind; (4) Personen, die als Arbeitslose oder im Vollzug des Bundessozialhilfegesetzes der Meldepflicht unterliegen; (5) die im Gesundheits- oder Veterinärwesen oder in der Wohlfahrtspflege Tätigen sowie die Teilnehmer an Ausbildungsveranstaltungen dieser Unternehmen einschließlich der Lehrenden; (6) Personen, die bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus gegenwärtiger Lebensgefahr (z. B. Ertrinken) oder erheblicher gegenwärtiger Gefahr für Körper und Gesundheit (z. B. Mißhandlungen) zu retten unternehmen; (7) Personen, die einem öffentlichen Bediensteten, der sie zur Unterstützung einer Diensthandlung heranzieht, Hilfe leisten; (8) Personen, die sich bei Verfolgung oder Festnahme einer Person, die einer strafbaren Handlung verdächtig ist, oder zum Schutz eines widerrechtlich Angegriffenen persönlich einsetzen; (9) Blutspender und Spender körpereigener Gewebe; (10) Personen, die Luftschutzdienst leisten, freiwillige Helfer des Bundesluftschutzverbandes sowie Teilnehmer an den Ausbildungsveranstaltungen des Bundesamtes für zivilen Bevölkerungsschutz; (11) die für den Bund, ein Land, eine Gemeinde, einen Gemeindeverband oder eine andere Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts ehrenamtlich Tätigen; (12) Kinder während des Besuchs von Kindergärten; (13) Schüler während des Besuchs allgemeinbildender Schulen; (14) Lernende während der beruflichen Aus- und Fortbildung und ehrenamtlich Lehrende in Betriebsstätten, Lehrwerkstätten, berufsbildenden Schulen, Schulungskursen und ähnlichen Einrichtungen; (15) Studierende während der Aus- und Fortbildung an Hochschulen; (16) Personen während der Durchführung berufsfördernder Maßnahmen und Maßnahmen zur Rehabilitation; (17) Pflegepersonen im Sinne der Pflegeversicherung bei der Pflege von Pflegebedürftigen. b) Versicherung kraft Satzung (§§ 543, 544 RVO; ab 1. 1. 1997 § 3 SGB VII): Unternehmer, die nicht schon kraft Gesetzes versichert sind; Personen, die nicht im Unternehmen beschäftigt sind, aber die Stätte des Unternehmens besuchen oder auf ihr verkehren; Mitglieder der Organe und Ausschüsse der Versicherungsträger. c) Freiwillige Versicherung (§ 545 RVO; ab 1. 1. 1997 § 6 SGB VII): Unternehmer und ihre im Unternehmen tätigen Ehegatten, soweit nicht bereits kraft Gesetzes versichert. d) Versicherungsfrei (§§ 541, 542 RVO; ab 1. 1. 1997 § 4 SGB VII) sind u. a.: (1) Personen, für die beamtenrechtliche Unfallfürsorgevorschriften oder entsprechende Grundsätze gelten, ausgenommen Ehrenbeamte und ehrenamtliche Richter; (2) Personen hinsichtlich der Arbeitsunfälle, für die Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) gewährt wird; (3) Mitglieder geistlicher Genossenschaften, Diakonissen, Schwestern vom Deutschen Roten Kreuz und Angehörige ähnlicher Gemeinschaften, die sich aus überwiegend religiösen oder sittlichen Beweggründen mit Krankenpflege, Unterricht oder anderen gemeinnützigen Tätigkeiten beschäftigen, wenn ihnen lebenslange Versorgung gewährleistet ist; (4) Ärzte, Heilpraktiker, Zahnärzte, Dentisten, Apotheker, soweit sie eine selbständige Tätigkeit ausüben; (5) Eltern, Kinder und Geschwister des Haushaltsvorstandes oder seines Ehegatten bei unentgeltlicher Beschäftigung im Haushalt. - 6. Leistungen: Abfindung (§§ 603 ff. RVO), Berufshilfe (§ 567 RVO), Heilbehandlung (§ 557 RVO), Hinterbliebenenrente (§§ 590 ff. RVO), Sterbegeld (§ 589 RVO), Unfallverhütung (§ 546 RVO), Übergangsgeld (§ 568 RVO), Verletztengeld (§§ 560 ff. RVO), Verletztenrente (§§ 580 ff. RVO). In den ab 1. 1. 1997 in Kraft tretenden SGB VII finden sich die Leistungen in den §§ 26 - 80. - 7. Träger (§§ 646 ff. RVO; ab 1. 1. 1997 §§ 114 ff. SGB VII): Berufsgenossenschaften, Bund, Länder und Gemeinden mit über 500 000 Einwohnern (Eigenunfallversicherung), Bundesanstalt für Arbeit (BA) sowie Gemeindeunfallversicherungsverbände. - 8. Aufbringung der Mittel: Die Beiträge der Berufsgenossenschaften werden allein von den Unternehmern aufgebracht. Sie werden so bemessen, daß sie den Gesamtaufwand des letzten Jahres decken. Für die Beitragshöhe des einzelnen Unternehmens sind neben dem Umlagebedarf der Berufsgenossenschaft die Größe des Unternehmens und seine Gefährlichkeit ausschlaggebend. - 9. Haftungsausschluß: a) Der Unternehmer ist dem in seinem Unternehmen tätigen Versicherten, deren Angehörigen und Hinterbliebenen nach anderen gesetzlichen Vorschriften zum Ersatz des Personenschadens, den ein Arbeitsunfall verursacht hat, nur dann verpflichtet, wenn er den Arbeitsunfall vorsätzlich herbeigeführt hat oder wenn der Arbeitsunfall bei der Teilnahme am allgemeinen Verkehr eingetreten ist. Auf den Schadensersatzanspruch sind stets die Leistungen eines Trägers der Sozialversicherung infolge des Arbeitsunfalls anzurechnen. Das gleiche gilt für Ersatzansprüche Versicherter, die Beschäftigte eines weiteren Unternehmers sind, sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen gegen diese Unternehmer. b) Mitbeschäftigter: Der für Unternehmer geltende Haftungsausschluß gilt entsprechend für die Ersatzansprüche eines Versicherten, dessen Angehörigen und Hinterbliebenen gegen einen in demselben Betrieb tätigen Betriebsangehörigen, wenn dieser den Arbeitsunfall durch eine betriebliche Tätigkeit verursacht.
II. Private U.: 1. Begriff: Versicherung zum Ausgleich wirtschaftlicher Nachteile bei Unfällen. Leistungen sollen insbes. dazu dienen, die Kosten im Zusammenhang mit dem Verlust der Arbeitsfähigkeit für Heilverfahren sicherzustellen und im Todesfall Renten- oder Kapitalzahlungen an Hinterbliebene zu gewährleisten. I. d. R. Versicherung für berufliche und außerberufliche Unfälle (24- Stundendeckung) mit Weltgeltung. Versicherbar sind grundsätzlich Personen jeden Alters. - 2. Leistungsarten: Leistungen im Todes- oder Invaliditätsfall (dauernde Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit, Invalidität und Berufsunfähigkeit); Tagegeld; Krankenhaustagegeld; Genesungsgeld; Übergangsentschädigung (bei mindestens sechs Monate anhaltender dauernder Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit); Heilkosten; Bergungskosten. - 3. Formen: a) Einzel-U.: Normaler Umfang des Versicherungsschutzes, i. d. R. Staffelung der Prämien nach Berufstätigkeit. b) Familien-U.: Versicherung von mindestens zwei Personen einer Familie, oft günstigere Prämie als bei Einzel-Unfallversicherung c) Kinder-U.: Kann i. d. R. für Kinder bis 14 Jahre neu abgeschlossen werden. Für Kinder günstigere Prämien als für Erwachsene. Mitversicherung von Vergiftungen infolge versehentlicher Einnahme von schädlichen Stoffen (außer Nahrungsmittel) bis zum 10. Lebensjahr. d) Gruppen-U.: Verträge, in denen durch einen Versicherungsnehmer und einen Versicherungsschein eine Mehrheit von Personen versichert wird. Abschluß erfolgt i. d. R. von Arbeitgebern zugunsten ihrer Mitarbeiter oder von Vereinen zugunsten ihrer Mitglieder. Evtl. Einschränkung des Versicherungsschutzes auf Berufs- oder Vereinstätigkeit. e) Sport-U.: Beschränkung des Versicherungsschutzes auf die i. w. S. mit der Sportausübung zusammenhängenden Unfallgefahren. Wird i. d. R. als Gruppen-Unfallversicherung von Sportvereinen für die Vereinsmitglieder abgeschlossen. f) Volks-U.: Veraltete Form einer Einzel- oder Familien-Unfallversicherung mit festen Summenkombinationen. g) Luftfahrtunfallversicherung. h) Insassen-Unfallversicherung Vgl. Kraftverkehrsversicherung. i) Strahlen-U.: Versicherung für Personen, die beruflich mit strahlenerzeugenden Stoffen oder Geräten in Berührung kommen. k) Unfallversicherung mit Prämienrückgewähr: Sonderform, bei der die eingezahlten Prämien nach vereinbarter Frist an den Versicherungsnehmer zurückgewährt werden, gleichgültig, ob und welche Schäden während des Bestehens der Versicherung vergütet werden mußten. Der Versicherer deckt das Risiko aus dem Zinsertrag. Die Prämie beträgt ein Vielfaches der Normalprämie. Der Versicherungsnehmer kann seinen Anspruch auf Prämienrückgewähr beleihen oder zurückkaufen, i. d. R. frühestens nach Zahlung der Prämie für mindestens drei Jahre. - 4. Versicherungsfall: a) Im Sinn der Unfallversicherung gelten als Unfälle: Plötzlich (unerwartet) von außen auf den Körper des Versicherten wirkende Ereignisse, die eine unfreiwillige Gesundheitsschädigung zur Folge haben, auch (1) durch plötzliche Kraftanstrengungen hervorgerufene Verrenkungen, Zerrungen und Zerreißungen sowie (2) Wundinfektionen (Blutvergiftungen), bei denen der Ansteckungsstoff durch eine Verletzung in den Körper gelangt (bei Angehörigen ärztlicher Berufe, Chemikern, Desinfektoren u. dgl. Erweiterung durch "Infektionsklausel"); dagegen nicht (1) Vergiftungen (durch feste oder flüssige Stoffe; Gasvergiftungen können u. Unfallversicherung unter die Unfallversicherung fallen), Berufs-, Gewerbe- und weitere Infektionskrankheiten (bei Desinfektoren können akute Infektionskrankheiten gegen Prämienzuschlag mitversichert werden); Erkrankung infolge psychischer Einwirkung; (2) Schäden durch Licht-, Temperatur- und Witterungseinflüsse (aber mitversichert, wenn der Versicherte diesen Einflüssen infolge eines Versicherungsfalles ausgesetzt war); (3) Schäden durch Röntgen-, Radium-, Höhensonnen- und ähnliche Strahlen. b) Ausgeschlossen sind Unfälle: (1) durch Kriegsereignisse; (2) bei Ausführung oder beim Versuch von Verbrechen oder Vergehen oder bei bürgerlichen Unruhen auf seiten der Unruhestifter; (3) bei Heilmaßnahmen und Eingriffen am Körper des Versicherten (soweit nicht durch einen Versicherungsfall bedingt); (4) infolge von Schlag-, Krampf-, Ohnmachts- und Schwindelanfällen, von Geistes- oder Bewußtseinsstörungen (soweit nicht durch einen Versicherungsfall hervorgerufen); (5) soweit sie Krampfadern und Unterschenkelgeschwüre herbeiführen oder verschlimmern. c) Für außergewöhnliche Gefahren sind besondere Vereinbarungen erforderlich; z. B. für die Beteiligung an Fahrtveranstaltungen mit Kraftfahrzeugen, bei denen es auf die Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten ankommt.

 

<< vorheriger Begriff
nächster Begriff>>
Unfallverhütungsvorschriften
unfertige Erzeugnisse

 

Diese Seite bookmarken :

 
   

 

  Weitere Begriffe : physikalische Produktion | Funktionsholding | Budgetprinzipien | Zurechnungszeit | Insolvenzrechtsreform
wiki wirtschaft

Thematische Gliederung | Unser Projekt | Impressum