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Finanzausgleich

I. Begriff, Arten, Ziel: 1. Begriff: Entscheidet sich ein Staat für einen gegliederten Staatsaufbau (Föderalismus), so hat er den einzelnen Ebenen die für sie geeigneten Aufgaben zuzuordnen und ihnen die Möglichkeit entsprechender Einnahmebeschaffung zu eröffnen. Alle hierfür erforderlichen Regelungen werden unter dem Begriff Finanzausgleich zusammengefaßt. Die englische Bezeichnung "intergovernmental fiscal relations" umschreibt den Bereich exakter. - 2. Teilbereiche/Arten: Das Regelwerk Finanzausgleich läßt sich in verschiedene Teilbereiche gliedern, die zugleich eine logische, aber nicht empirische Abfolge der zu lösenden Probleme darstellen. a) Passiver F.: In einem ersten Schritt werden die öffentlichen Aufgaben von den privaten Aufgaben abgegrenzt und auf die verschiedenen öffentlichen Aufgabenträger verteilt. - b) Der sich im zweiten Schritt anschließende aktive Finanzausgleich regelt die Einnahmeverteilung. Dabei kann zwischen einem originären und einem ergänzenden aktiven Finanzausgleich unterschieden werden: (1) Beim originären Finanzausgleich geht es um die Verteilung originärer Einnahmequellen zwischen öffentlichen Aufgabenträgern gleicher Ebene (horizontaler F.) oder verschiedener Ebenen (vertikaler F.). Erhalten die einzelnen Aufgabenträger jeweils eigene Einnahmequellen, so liegt ein Trennsystem vor; bei einem Zuweisungssystem fließen alle originären Einnahmen einer einzigen Ebene zu, die ihrerseits Überweisungen an die übrigen Ebenen vornimmt; sind an verschiedenen Gebietskörperschaften gemeinsam erhobene Einnahmen beteiligt, so ist ein Mischsystem (Verbundsystem) verwirklicht. (2) Da nach der Verteilung der originären Einnahmen i. d. R. ein Ausgleichsbedarf verbleibt, schließt sich der ergänzende aktive Finanzausgleich an (Finanzausgleich im engsten Sinne; vgl. V). Er umfaßt die Überweisung bereits einzelnen öffentlichen Aufgabenträgern zugeflossener Einnahmen an andere Aufgabenträger und kann ebenfalls in horizontaler und vertikaler Richtung vorgenommen werden. Innerhalb dieses ergänzenden aktiven Finanzausgleich werden Zuweisungen verschiedener Art gezahlt: Die Ausgleichszuweisungen verfolgen das Ziel, Ungleichgewichte zwischen Finanzbedarf und Deckung zu beseitigen oder zu mildern; sie sind in der Regel als Zuweisungen ohne Verwendungsauflagen gestaltet. Demgegenüber sollen Lenkungszuweisungen (Zweckzuweisungen) das Verhalten der Zuweisungsempfänger verändern; es handelt sich daher um Zuweisungen mit Verwendungsauflagen. - 3. Ziel: Durch die Erfüllung der oben genannten Teilaufgaben bezweckt der Finanzausgleich insgesamt die bestmögliche Erfüllung der öffentlichen Aufgaben im föderativen Staat.
II. Probleme des originären passiven und aktiven F.: 1. Die Zuteilung von Aufgaben auf die einzelnen staatlichen Ebenen kann sich in gewissem Maße an rationalen Kriterien orientieren, wie sie von der ökonomischen Theorie des Föderalismus entwickelt worden sind. Dabei geht es darum, den Bereich öffentlicher Wohlfahrtswirkung mit dem Gebiet des jeweiligen Aufgabenträgers in Übereinstimmung zu bringen. So werden z. B. gesamtstaatliche Aufgaben wie Konjunkturpolitik und Landesverteidigung auf der obersten staatlichen Ebene anzusiedeln sein; Aufgaben mit geringer räumlicher Ausdehnung sind hingegen das Tätigkeitsfeld der Gemeinden. Auch die unterschiedlichen Kosten der Informationsbeschaffung und -verarbeitung sind zu berücksichtigen. - Da derartige Überlegungen jedoch i. d. R. nur grobe Anhaltspunkte liefern, geben vielfach rational nicht exakt begründbare Kalküle den Ausschlag bei der Aufgabenzuweisung. Bekanntes Beispiel für dieses Dilemma sind die Bildungsausgaben, bei denen sich überzeugende Argumente für zentrale wie für dezentrale Lösungen finden lassen. - Als Teilkompetenzen der Aufgabenhoheit sind die Gesetzgebungshoheit (Gesetzgebungskompetenz), Verwaltungshoheit und Finanzierungshoheit zu unterscheiden, die - dem Konnexitätsprinzip folgend - i. d. R. dem gleichen Aufgabenträger zugeordnet sind, bei bestimmten Aufgaben aber auch unterschiedlichen Aufgabenträgern zustehen oder zwischen mehreren Aufgabenträgern aufgeteilt sein können (Gemeinschaftsaufgaben). - 2. Auch die Verteilung originärer Einnahmequellen kann sich in gewissem Maße auf rationale Kriterien stützen. Grundsätzlich gilt dabei, daß die zugewiesenen Einnahmequellen in konjunktureller, verteilungspolitischer und allokationspolitischer Hinsicht auf die zugewiesenen Aufgaben abgestimmt sind und diese bestmöglich zu erfüllen erlauben. So sollten Zölle dem Zentralstaat zufallen, desgleichen Steuern, deren Erhebung am Produktionsort erfolgt (Beispiel: Tabaksteuer), weil ansonsten - d. h. bei örtlicher Steuerhoheit - eine zu große Ungleichheit des Steueraufkommens die Folge wäre. Konjunkturpolitische Überlegungen legen ebenfalls eine Konzentration derjenigen Steuern beim Zentralstaat nahe, die zur Konjunktursteuerung besonders geeignet sind (progressive Einkommensteuer, Konjunkturpolitik). Andererseits empfiehlt es sich, solche Steuern der örtlichen Ebene zuzuweisen, deren Bemessungsgrundlagen am leichtesten in der Gemeinde selbst ermittelt und von ihr beeinflußt werden können (Grundsatz der örtlichen Radizierbarkeit). Dies gilt insbes. für die Grundsteuer. Daneben erklärt sich die Verteilung bei vielen Steuern aber auch aus historischen Gegebenheiten oder aus machtpolitischen Entscheidungen. Auch beim aktiven Finanzausgleich unterscheidet man mehrere Teilkompetenzen: Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und Steuerertragshoheit; wie im passiven Finanzausgleich können auch hier alle Teilkompetenzen einer Aufgabe einem einzigen Aufgabenträger zugeordnet, die (ungeteilten) Teilkompetenzen unterschiedlichen Aufgabenträgern zugewiesen oder auch die Teilkompetenzen selbst auf mehrere Aufgabenträger(ebenen) verteilt sein (Mischsystem, Gemeinschaftsteuern).
III. Der originäre Finanzausgleich in der Bundesrep. D.: Der originäre passive Finanzausgleich ist in Art. 70 ff. GG im einzelnen geregelt (Finanzverfassung). Die Verteilung der einzelnen Steuern auf die unterschiedlichen Aufgabenträger regelt Art. 106 GG. Danach gilt in der Bundesrep. D. ein (gebundenes) Trennsystem und ein Mischsystem, d. h. man unterscheidet zwischen Steuern, die nur einer Ebene zustehen, und solchen, die mehreren Ebenen zustehen (Gemeinschaftsteuern im sog. Steuerverbund). 1. Steuern, die einer Gebietskörperschaft zufließen: a) Bund: Einnahmen aus Finanzmonopolen, Verbrauchssteuern (ohne Biersteuer), Kapitalverkehrssteuern, Vermögensabgaben, evtl. Ergänzungsabgabe zur Einkommen- und Körperschaftsteuer; b) Länder: Erbschaftsteuer, Kfz-Steuer, Verkehrsteuern, Biersteuer, Spielbankenabgabe; c) Gemeinden und Gemeindeverbände: Realsteuern (Grundsteuer), örtliche Verbrauch- und Aufwandsteuern (z. B. Hundesteuer, Jagdsteuer, Vergnügungssteuer); d) Europäische Gemeinschaften bzw. EU: Zölle, Abschöpfungen, Anteil der Mehrwertsteuereinnahmen. - 2. Gemeinschaftsteuern (Steuerverbund): a) Lohnsteuer und veranlagte Einkommensteuer: Bund und Länder je 42,5%, Gemeinden 15% des Aufkommens; - b) Körperschaftsteuer und Kapitalertragsteuer: Bund und Länder je 50%; - c) Umsatzsteuer (Mehrwertsteuer): Bund 56%, Länder 44% (Stand 1995); - d) Gewerbesteuer: Bund und Länder je ca. 3,5%, Gemeinden ca. 93%.
IV. Methodische Fragen des ergänzenden aktiven F.: Es ist zu unterscheiden zwischen Ausgleichszuweisungen, die zur Beseitigung bzw. Verringerung von Unterschieden in den Deckungsrelationen vergeben werden und Lenkungszuweisungen, mit denen ein Zuweisungsgeber das Verhalten von Zuweisungsnehmern zu beeinflussen versucht. - 1. Nach der Zuordnung originärer Finanzquellen stimmen vielfach Finanzkraft und Finanzbedarf des einzelnen Aufgabenträgers nicht überein; Ausgleichszuweisungen sollen diese Differenz verringern, wobei das Ausmaß der Verringerung von der verfügbaren Finanzmasse und von politischen Zielen abhängt. Probleme ergeben sich vornehmlich bei der Messung des Finanzbedarfs und der originären Finanzkraft. a) Finanzbedarf ist die Summe der Finanzmittel, die ein öffentlicher Aufgabenträger bei wirtschaftlichem Finanzgebaren zur Erfüllung seiner Aufgaben benötigt. Zur Quantifizierung dieser Summe ist sowohl die exakte Festlegung des Aufgabenkatalogs als auch die Definition des jeweils ordnungsgemäßen Finanzgebarens erforderlich. Es ist leicht ersichtlich, daß dieses Vorhaben in der Realität scheitern muß. Daher behilft sich die finanzpolitische Praxis mit der Konstruktion von Indikatoren, die den relativen Finanzbedarf der einzelnen Aufgabenträger widerspiegeln sollen. Am häufigsten dient hierzu der Einwohner, dem ein "normierter Finanzbedarf" zugeordnet wird. - b) Bei der Messung der originären Finanzkraft ist zunächst zu entscheiden, welche Einnahmearten einbezogen werden sollen. Dabei sind solche Einnahmen auszuschließen, denen Leistungsabgaben in gleicher Höhe auf der Ausgabenseite gegenüberstehen (Gebühren und Beiträge), oder die keine endgültige Einnahmen darstellen (Kredite). Praktisch beschränkt man sich meist auf die Erfassung der Steuern. Gemessen wird daher prinzipiell nicht die Finanz-, sondern die Steuerkraft. Das wird allerdings problematisch, wenn die sonstigen Einnahmen nicht mehr vernachlässigbar klein sind, so daß beispielsweise inzwischen die Förderabgabe einbezogen werden muß. - Eine Frage ist weiterhin, welcher Ausschöpfungsgrad der Steuer einer Finanzkraftmessung zugrunde gelegt werden soll. I. d. R. werden Durchschnittswerte gewählt, um Verfälschungen infolge unterschiedlicher Anspannung der Steuerquellen zu vermeiden (Steueranspannung). - Schließlich ist zu entscheiden, ob als notwendig angesehene Ausgleichszahlungen zwischen Aufgabenträgern der gleichen Ebene oder verschiedener Ebenen erfolgen sollen. Da ein rein horizontaler Ausgleich i. d. R. an politischen Widerständen scheitert, werden vielfach vertikale Ausgleichsvorgänge so ausgestaltet, daß der horizontale Ausgleichszweck gleichzeitig erreicht wird. Man spricht dann vom vertikalen Finanzausgleich mit horizontalem Effekt. - 2. Lenkungszuweisungen werden gewährt, um das Verhalten der Zuweisungsempfänger zu beeinflussen. Im Gegensatz zu den Ausgleichszuweisungen sind sie daher mit Verhaltens- bzw. Verwendungsauflagen verbunden. Begründet wird dies mit der Notwendigkeit zur Internalisierung von externen Effekten, die von der Aufgabenerfüllung des Zuweisungsempfängers ausgehen, mit höherer Entscheidungskompetenz des (i. d. R. übergeordneten) Zuweisungsgebers oder mit dessen Meritorisierungsbestreben.
V. Der ergänzende aktive Finanzausgleich in der Bundesrep. D.: Entsprechend dem föderalistischen Staatsaufbau sind zu unterscheiden: vertikaler Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, horizontaler Finanzausgleich zwischen den Ländern, vertikaler Finanzausgleich zwischen Land und Gemeindeebene, horizontaler Finanzausgleich zwischen den Gemeinden (bzw. Gemeindeverbänden). - 1. Vertikaler Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern: Die Aufgaben von Bund und Ländern sind im Grundgesetz lediglich allgemein und unvollständig aufgeführt (Finanzverfassung). Auch ist jede Ebene haushaltswirtschaftlich selbständig. Daher kann ein Vergleich des Finanzbedarfs beider Ebenen nicht quantitativ exakt erfolgen. Dasselbe gilt für einen Vergleich der Finanzkraft. Derartige Überlegungen finden Eingang in den originären Finanzausgleich beim Aushandeln der Umsatzsteueranteile zwischen Bund und Ländern. Ein ergänzender aktiver Finanzausgleich zwischen beiden Ebenen findet nach Art. 106 IV GG dann statt, wenn der Bund den Ländern durch Bundesgesetz zusätzliche Ausgaben auferlegt. Außerdem kann der Bund nach Art. 107 II Satz 3 GG leistungsschwachen Ländern Zuweisungen zur ergänzenden Deckung ihres allgemeinen Finanzbedarfs (Ergänzungszuweisungen) gewähren. Die absoluten Beträge sind im Zeitablauf kontinuierlich gewachsen (1995 ca. 33 Mrd. DM; 1996 ca. 25 Mrd. DM). Der "ergänzende" Charakter der Ergänzungszuweisungen wird deshalb mittlerweile in Frage gestellt, überdies werden die für die Verteilung berücksichtigten Merkmale kritisiert. Aufgrund der veränderten föderativen Struktur und der erheblich gestiegenen Unterschiede der horizontalen und vertikalen Deckungsrelationen, die die Vereinigung Deutschlands mit sich gebracht hat, sind beim vertikalen Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern generell beträchtliche materielle Änderungen eingetreten. In der seit dem 1. 1. 1995 erfolgten Neuordnung des Finanzausgleich ist das Gewicht der Bundesergänzungszuweisungen weiter gewachsen. Gleichzeitig hat die Unsystematik weiter zugenommen; mittlerweile erhalten elf von 16 Ländern Bundesergänzungszuweisungen mit einem Volumen, das deutlich über dem des horizontalen Länderfinanzausgleichs liegt und damit dem Konzept des Grundgesetzes widerspricht. - 2. Horizontaler Finanzausgleich zwischen den Ländern: a) Die Finanzkraft der einzelnen Bundesländer differiert infolge der verschiedenartigen Wirtschaftsstrukturen erheblich; das gleiche gilt für den Finanzbedarf, der z. B. in Ballungsgebieten und in ländlichen Räumen verschieden groß ist. Finanzierungsausgleichsmaßnahmen waren daher bereits zwischen den alten Bundesländern erforderlich. Mit der Vereinigung Deutschlands sind sie noch dringlicher geworden, da die originäre Finanzkraft der neuen Bundesländer weit hinter derjenigen der alten Länder zurückbleibt, ihr Finanzbedarf hingegen in vielen Bereichen (z. B. Umweltlasten, Infrastruktur, Sozialausgaben, Wohnungsbau) überdurchschnittlich ist. - b) Maßnahmen des Finanzausgleich erfolgen in mehreren Stufen: (1) Ein erster Ausgleich wird durch den Verteilungsmodus des Länderanteils an der Umsatzsteuer erreicht, die zu 75% nach der Einwohnerzahl, zu 25% nach der mangelnden Steuerkraft verteilt. (2) In einer zweiten Stufe erfolgt der eigentliche (horizontale) Länder-Finanzausgleich Er beginnt mit der Ermittlung der Ausgleichsmeßzahl, die den Finanzbedarf eines jeden Landes ausdrückt. Sie ergibt sich aus der Zahl der Landeseinwohner, multipliziert mit den bundesdurchschnittlichen Landessteuereinnahmen je Einwohner, zuzüglich der Summe der (veredelten, d. h. nach Gemeindegrößenklassen gewichteten) Gemeindeeinwohner des Landes, multipliziert mit den bundesdurchschnittlichen Gemeindesteuereinnahmen je Einwohner. Der so ermittelten Ausgleichsmeßzahl wird die Steuerkraftmeßzahl als Maßstab der originären Finanzkraft gegenübergestellt. Sie ergibt sich aus der Summe der Steuereinnahmen des einzelnen Landes zuzüglich der Steuereinnahmen seiner Gemeinden. Das Verhältnis zwischen Ausgleichsmeßzahl und Steuerkraftmeßzahl eines Landes ergibt seine Deckungsrelation. - c) Das Länderfinanzausgleichsgesetz setzt fest, in welchem Ausmaß Abweichungen von einem bestimmten Mittelwert ausgeglichen werden sollen. Dabei steht die Gruppe der traditionellen Nehmerländer der der Geberländer gegenüber. Ausgleichsberechtigte Länder (Nehmerländer) sind zur Zeit (1995) Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, das Saarland, Bremen, Nordrhein-Westfalen sowie alle neuen Bundesländer; ausgleichspflichtige Länder (Geberländer) sind Baden-Württemberg, Bayern und Hessen. In den letzten Jahren haben sich allerdings größere Verschiebungen ergeben. So wurde z. B. das bis Mitte der siebziger Jahre größte Geberland Nordrhein-Westfalen Mitte der achtziger Jahre zum Nehmerland; umgekehrt ist Bayern, bis 1986 stets ausgleichsberechtigt, seit 1989 ausgleichspflichtig. - Gravierende Konsequenzen für den Länderfinanzausgleich hätten sich nach der Vereinigung Deutschlands ergeben, wenn die neuen Bundesländer sofort in den horizontalen Länderfinanzausgleich einbezogen worden wären. Zur Beibehaltung der bestehenden Nivellierungsintensität hätte die bestehende Ausgleichsmasse von 4 Mrd. DM (1991) auf über 20 Mrd. DM erhöht werden müssen, wobei nahezu alle alten Bundesländer zu Geberländern und sämtliche neuen Bundesländer zu Nehmerländern geworden wären. Da dies die Finanzkraft - und wohl auch die bundesstaatliche Solidarität - der alten Länder überstiegen hätte, wurden die neuen Bundesländer bis zur Neuregelungs 1995 nicht am horizontalen Länderfinanzausgleich beteiligt. Die Umverteilung wurde statt dessen über einen Sonderfonds (Fonds Deutsche Einheit) und über den Bundeshaushalt (als vertikaler Finanzausgleich mit horizontalem Effekt) vorgenommen, z. B. im Rahmen des Art. 104a 4 GG (Investitionshilfen). Seit dem 1. 1. 1995 sind die neuen Bundesländer in den Länderfinanzausgleich einbezogen, finanziert durch eine Erhöhung des Länderanteils an der Umsatzsteuer. - 3. Vertikaler Finanzausgleich zwischen Land und Gemeinde: Auch zwischen einem Land und seinen Gemeinden ist ein exakter rechnerischer Ausgleich von Finanzbedarf und Finanzkraft nicht möglich. Der Ausgleich wird daher vom Grundgesetz lediglich pauschal geregelt. Art. 106 VII GG bestimmt: Von dem Länderanteil am Gesamtaufkommen der Gemeinschaftsteuern fließt den Gemeinden und Gemeindeverbänden insgesamt ein von der Landesgesetzgebung zu bestimmender Hundertsatz zu. Die Höhe dieser Beteiligungsquote (Steuerverbundquote) ist von Land zu Land unterschiedlich, weil auch die Aufgabenverteilung zwischen beiden Ebenen von Land zu Land variiert. In den neuen Bundesländern ist der vertikale kommunale Finanzausgleich noch im Aufbau begriffen. Die Grundstruktur wird dabei von den alten Ländern weitgehend übernommen. - 4. Horizontaler Finanzausgleich zwischen Gemeinden: Auch die Finanzausstattungen der einzelnen Gemeinden weisen große Unterschiede auf. Der deswegen notwendige Finanzausgleich erfolgt wiederum als vertikaler Ausgleich mit horizontalem Effekt; Ausgleichsmasse ist die o. a. Beteiligungsquote an den Ländersteuereinnahmen. Das F.-Verfahren beginnt wiederum mit der Ermittlung des Finanzbedarfs, ausgedrückt in der Bedarfsmeßzahl oder Ausgleichsmeßzahl. Diese basiert auf der (in vielen Bundesländern nach Größenklassen gewichteten) Einwohnerzahl der einzelnen Gemeinde (Hauptansatz) zuzüglich evtl. Ergänzungsansätze (z. B. Zahl der Schüler). Der so ermittelte Gesamtansatz wird mit dem Grundbetrag multipliziert, einer Geldgröße, die sich aus dem insgesamt zur Verfügung stehenden Zuweisungsvolumen ergibt. Bei der Berechnung der originären Finanzkraft der Gemeinden werden nur die wichtigsten Steuereinnahmen der Gemeinden berücksichtigt. Mit landeseinheitlichen Hebesätzen wird daraus eine fiktive Steuerkraftmeßzahl berechnet. Bedarfsmeßzahl und Steuerkraftmeßzahl werden gegenübergestellt. Die Differenzen werden durch Schlüsselzuweisungen (teilweise) ausgeglichen. Das Ausgleichsmaß ist von Land zu Land unterschiedlich. Neben diesen Ausgleichszuweisungen bestehen diskretionär vergebene Bedarfszuweisungen an die Ausgleichsstockgemeinden sowie vielfältige Lenkungszuweisungen, durch die die Länder das Ausgabengebaren der Gemeinden zu beeinflussen versuchen, mit denen z. T. aber auch eine weitere Verringerung der kommunalen Finanzkraftunterschiede angestrebt wird. Wie der vertikale ist auch der horizontale kommunale Finanzausgleich in den neuen Bundesländern noch im Aufbau begriffen. Die in den alten Ländern geltenden Regelungen wurden bisher weitgehend übernommen, die Notwendigkeit landesspezifischer Sonderregelungen (z. B. spezielle Ergänzungsansätze) wird derzeit (1995) erörtert.


Literatur: Arnold, R., Geske, O.-E. (Hrsg.): Öffentliche Finanzwirtschaft, München 1988, Kap. 1-2; Biehl, D., Die Entwicklung des Finanzausgleichs in ausgewählten Bundesstaaten, a) Bundesrep. D., in: Handbuch der Finanzwissenschaft, Bd. IV, 3. Aufl., Tübingen 1981, S. 69-122; Ehrlicher, W., Finanzausgleich III, Der Finanzausgleich in der Bundesrepublik Deutschland, in: Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaften, Bd. 2, Stuttgart/New York 1980, S. 662-689; Fischer-Menshausen, H., Finanzausgleich II: Grundzüge des Finanzausgleichsrechts, in: Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaften, Bd. 2, Stuttgart/New York 1980, S. 636-662; Peffekoven, R., Finanzausgleich I, Wirtschaftstheoretische Grundlagen, in: Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaften, Bd. 2, Stuttgart/New York 1980, S. 608-635; Zimmermann, H., Allgemeine Probleme und Methoden des Finanzausgleichs, in: Handbuch der Finanzwissenschaft, Bd. IV, 3. Aufl., Tübingen 1981, S. 3-52; Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen, Gutachten zum Länderfinanzausgleich in der Bundesrepublik Deutschland, Bonn 1992.

 

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