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Verfügungsrechte

Property Rights. 1. Begriff: a) Ursprung und Definition von ökonomischen V.: (1) Allgemein: Solange er als einziges menschliches Individuum auf seiner Insel lebt, muß sich Robinson Crusoe allein auf seine Kenntnisse und Einfälle, seine Fähigkeiten und physischen Kräfte verlassen, um die Auseinandersetzung mit den Knappheiten der Natur zu bestehen und die selbstgesteckten Ziele zu verwirklichen. Mit dem Eintritt von Friday in Robinsons Lebensraum stellt sich beiden unvermeidlich die Frage nach den Handlungsmöglichkeiten (synonym: Entscheidungsspielräumen), die sie gegeneinander behaupten können. Eine Antwort kann ein von (der Drohung mit) physischer Aggression und ihrer Abwehr geprägter Hobbesscher Zustand des (latenten) Krieges, Versklavung oder gar Tötung eines der Kontrahenten sein. Eine andere Antwort geht im Lockeschen Geist von den Menschenrechten auf Freiheit, Leben und körperliche Integrität, dem "natürlichen" Recht auf die Aneignung des zuerst Gefundenen und Erarbeiteten sowie der moralischen Pflicht aus, zwangs- und betrugsfrei gegebene Versprechen einzuhalten. Auf diesem Fundament für Kooperation können beide dem Prinzip des komparativen Vorteils und ihrer "natürlichen Neigung zum Tausch" (A. Smith) folgend durch Vereinbarung einander wechselseitig Rechte zugestehen, in bestimmter Weise über Personen- und Sachleistungen zu verfügen, um auf friedliche Art ihre Handlungsspielräume zu erweitern. In einer auf Frieden gerichteten Ordnung gehören individuelle "V." und "Kontrakt" aufs engste zusammen. (2) Aus ökonomischer Sicht soll Verfügungsrechte die einem bestimmten Individuum zugeordnete Fähigkeit (property right) im Sinne der Chance heißen, eine bestimmte Entscheidung, im besonderen ein bestimmtes Handeln oder Unterlassen bzgl. eines bestimmten (knappen) Gutes betreffend, im Rahmen einer anerkannten sozialen Beziehung durchsetzen zu können. Einfache Beispiele sind der Eigentümer E, der gegenüber beliebigen Dritten eine bestimmte Verfügung x über den Eigentumsgegenstand durchsetzen kann; oder der Arbeitnehmer A, der im Rahmen des mit B abgeschlossenen Arbeitsvertrages von jenem die Verrichtung v verlangen kann. Je höher die Wahrscheinlichkeit der Entscheidungsdurchsetzung ist, desto "stärker" ist das entsprechende individuelle Verfügungsrechte und desto "strenger" folglich die korrespondierende Beschränkung, die seine Geltung den Handlungsmöglichkeiten anderer Individuen auferlegt. - Der Begriff Gut umfaßt sowohl materielle Güter (Personen- und Sachleistungen) als auch immaterielle Güter, nämlich Rechte (z. B. Forderungen, Urheber- und Patentrechte) und Verhältnisse (z. B. den Kundenstamm eines Unternehmens). - "Anerkannt" verweist auf die Legitimation des Handelns oder Unterlassens als ein nach den für die betreffende soziale Interaktion gültigen Normen "erlaubtes" Verhalten. Man denkt zunächst an die staatlich autorisierten (Rechts-) Normen und die auf ihrer Grundlage privatautonom gestalteten Rechtsbeziehungen, vor allem Verträge; Verletzungen dieser Art von Normen können letztendlich mittels hoheitlich-legitimer Anwendung physischen Zwangs sanktioniert werden. Aber ebenso wie der ökonomische Begriff eines Verfügungsrechte die juristische Begriffsbildung transzendiert, beinhaltet der hier verwendete Normbegriff gleichermaßen informelle Normen sozialer Kontrolle, namentlich gruppenspezifische Konventionen, die in Erwartung von Reziprozität befolgt werden, daß die anderen Gruppenmitglieder ihr Verhalten gleichermaßen an ihnen ausrichten (De Jasay 1991, Kap. 5). - Viele Autoren sprechen im übrigen dann nicht von Verfügungsrechten, wenn Handlungsmöglichkeiten unerlaubt durchgesetzt werden. Bei der Umsetzung rechtlich zweifelhafter Vertragsgestaltungen und erst recht den illegalen Erscheinungsformen der Schattenwirtschaft würde man dann von bloßer Verfügungsmacht reden. - b) Exklusive V., speziell Privateigentum, Mitgliedschaftsrechte, Gemeineigentum: Ein Individuum besitzt ein exklusives V., wenn es die betreffende Handlungsmöglichkeit praktisch sicher durchsetzen kann. Als Prototyp eines komplexen Bündels exklusiver ökonomischer Verfügungsrechte kann das dingliche Vollrecht des Eigentümers einer Sache gelten, der "mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen" kann (§ 903 BGB). Dieses Eigentumsrecht ist umfassend und beinhaltet das Recht: (1) die Sache zu benützen, auch sie zu zerstören; (2) aus der Sache Früchte zu ziehen, z. B. Einkommen durch Vermietung oder Verpachtung zu erzielen; (3) Besitz und Eigentum an der Sache zu übertragen, insbes. sich ihren Marktwert im Wege der Veräußerung anzueignen. Das ursprünglich vom römischen Recht geprägte Vollrecht des Privateigentums gibt seinem Inhaber die ungeteilte Verfügungsautorität über den Gegenstand des Eigentums, das ausschließliche Recht, sich die Erträge (Vorteile) seiner Verfügungen über das Eigentumsobjekt anzueignen, und beinhaltet die Pflicht, für die Kosten dieser Verfügungen allein einzustehen (Haftung). Wie beispielsweise die Sicherungsübereignung (§§ 930, 868 BGB) zeigt, können zu ein und derselben Sache verschiedene exklusive Teilverfügungsrechte begründet sein. Ungleich dem Einzeleigentümer kann der einzelne Gesellschafter einer BGB-Gesellschaft, OHG oder KG über die einzelnen Gegenstände des der Personengesellschaft zweckbestimmt gewidmeten Sondervermögens nicht exklusiv verfügen, denn dieses Vermögen gehört allen Gesellschaftern gemeinschaftlich "zur gesamten Hand" (vgl. §§ 718, 719 BGB). Während sich damit einerseits der gegenständliche Bereich der Verfügungsrechte des einzelnen Gesellschafters erweitert, kann er sie andererseits nurmehr geteilt ("fragmentiert") ausüben, nämlich vermöge seines Mitgliedschaftsrechts und gegebenenfalls einer ihm durch den Organisationsvertrag zugewiesenen Rolle als Agent der Mitgesellschafter. Diese Transformation von Teilhaberechten an Vermögensgütern in gleichförmige Mitgliedschaftsrechte sowie in funktionsspezifische V., also Handlungsmöglichkeiten des Managements von Agenten im Auftrag der Prinzipale einer Organisation (Prinzipal-Agent-Theorie), ist kennzeichnend für juristische Personen des privaten wie des öffentlichen Rechts; denn derartige Personen können zwar juristisch, aber nicht faktisch handeln wie Individuen, sondern eben nur durch Individuen. Die das exklusive oder Privateigentum kennzeichnenden Befugnisse sind bei sog. Gemeineigentum, das beispielsweise an lokalen Gemeingütern (Allmenderessourcen) wie der Dorfweide oder an Nationalgütern wie einer Staatseisenbahn oder Common-Pool-Ressourcen wie Ölfeldern, Fischbeständen u. ä. besteht. Der Privateigentümer einer solchen Ressource wird ihre Nutzung (nur) bis zu dem Punkt ausdehnen, an dem das (Wert-) Grenzprodukt auf die Höhe der Grenzkosten der Nutzung gesunken ist: Da bei Gültigkeit des Ertragsgesetzes das Durchschnitts- über dem Grenzprodukt liegt, maximiert der Privateigentümer an diesem Punkt die jener Ressource zuzurechnende Knappheitsrente, die er sich kraft seines exklusiven Verfügungsrechte auch aneignen kann. Dagegen schließt Gemeineigentum exklusive Aneigenbarkeit der Knappheitsrente aus, die sich vielmehr infolge der Konkurrenz der Nutzer "verflüchtigt", weil nunmehr die Nutzung bis zu dem Punkt getrieben wird, an dem das Durchschnittsprodukt auf die Höhe der Grenzkosten gesunken ist: Die Grenzkosten sind dann höher als das Grenzprodukt (das eventuell bereits negativ ist) und diese Differenz zeigt Ressourcenverschwendung durch Übernutzung der Allmenderessource an. Ursächlich für diese Ineffizienz ist die Institution des Gemeineigentums, nicht das an diese Institution optimal angepaßte, d. h. den Eigennutz maximierende, individuelle Verhalten der Nutzer. Kräfte, welche traditionelle Bindungen der Nutzung von Allmenderessourcen sprengen, wirken zugleich für eine institutionelle Veränderung, namentlich in Richtung von Privateigentum, sobald die erwarteten Vorteile die Kosten der Begründung exklusiver V., insbes. auch die Kosten der Bewältigung von Verteilungskonflikten, zu überwiegen tendieren. - c) Verfügungsrechte und Haftung: Die einem Individuum zuerkannten exklusiven Verfügungsrechte gewähren ihm einerseits Freiheitsspielräume i. S. der Autonomie, frei zwischen Alternativen wählen und sich derart als (sittliche) Person entfalten zu können, und bürden ihm andererseits moralisch die Verantwortung für jede von ihm getroffene Entscheidung auf. Dieser Verantwortung entspricht ökonomisch-instrumental das Prinzip unbeschränkter individueller Haftung: "Wer den Nutzen hat, muß auch den Schaden tragen" (W. Eucken). Doch gibt es einige gute Gründe für beschränkte Haftung, namentlich bei der Einstandspflicht für Gesellschaftsschulden, wenn sich die unternehmerische Funktion in der Aufbringung von Eigen-, also von Haftungskapital i. S. eines vom Privatvermögen streng getrennten unternehmerischen Sondervermögens beschränkt. Der Haftungsanspruch, den eine Schadenhaftungsregel dem Geschädigten zubilligt, findet abgesehen von allen Schwierigkeiten konsensfähiger Schadensermittlung seine Grenze jedenfalls in der Zahlungsfähigkeit des Schädigers bzw. der für ihn haftbar zu machenden Person(en) oder Organisation: eine Grenze, die im Fall von katastrophalen Entscheidungen schnell erreicht werden kann. Nach dem tendenziell innovationsfreundlichen Prinzip der erlaubten Gefährdung bei (in der Regel) umfangmäßig begrenzter Haftung (liability rule) dürfen legale Aktivitäten die Verfügungsrechte Dritter mit der Maßgabe verletzen, daß der zurechenbar verursachte Schaden vom Verursacher den Geschädigten in Geld ausgeglichen werden muß. Dagegen kann nach dem Prinzip des strikten Erlaubnisvorbehalts eine fremde Verfügungsrechte potentiell beeinträchtigende Aktivität legal erst aufgenommen werden, nachdem die potentiell Gefährdeten zugestimmt haben. Bei Ausgestaltung dieses Erlaubnisvorbehalts als streng privates Verfügungsrecht (property rule) werden die Inhaber einen dem Vermögenseffekt ihres Rechtstitels und dem Grad ihrer Risikoaversion entsprechend hohen Verzichtspreis verlangen, was tendenziell innovationshemmend wirkt. Im Gegensatz zu einer Zunftordnung ist es für eine Wettbewerbsordnung (Wettbewerb) kennzeichnend, daß keine Haftung für Vermögenseinbußen Dritter besteht, die auf eine nach der "Kampfordnung" (F. Böhm) des Wettbewerbs unbedenkliche Konkurrentenhandlung zurückzuführen sind. ln einer wettbewerbsfähigen Martkwirtschaft schützen exklusive Verfügungsrechte individuelle Entscheidungsbefugnisse, nicht jedoch historisch einmal erreichte Einkommens-, Gewinn- und Vermögenspositionen. Denn es liegt im Wesen dynamischen Wettbewerbs, daß sowohl die innovatorische Erschließung neuer marktverwertbarer Handlungsmöglichkeiten als auch nachstoßend imitierendes Konkurrentenhandeln bestehende Handlungsmöglichkeiten entwertet, genauer: die diesen Handlungsmöglichkeiten spezifisch gewidmeten Ressourcen, soweit die in ihnen versenkten Kosten auf den entsprechenden Produktmärkten nicht mehr zurückgewonnen werden können. Diese Wertvernichtung wird jedoch mehr als aufgewogen durch die zusätzlichen Gewinne des (der) erfolgreichen Konkurrenten und die zusätzlichen Vorteile der Kunden aus billigeren bzw. besseren Produkten. In diesem Sinn verteilt Wettbewerb Verfügungsrechte im Ergebnis dorthin um, wo von ihnen der jeweils "wertvollste" Gebrauch gemacht wird ein Bewegungsvorgang, den Hayek als Such- und Entdeckungsprozeß und Schumpeter einmal als "schöpferische Zerstörung" bezeichnet hat. - d) Staatliche Beschränkung privater V.: Daß über den Erlaubnisvorbehalt privat verfügt werden kann, ist freilich die Ausnahme gegenüber der säkular im Vordringen begriffenen Praxis staatlicher Genehmigungsvorbehalte, welche private durch politische Verfügungsrechte verdrängt, die in Repräsentativorganen und vor allem in bürokratischen Gremien ausgeübt werden. Auf diesem Wege hat man angeleitet durch den Verfassungsgrundsatz, daß "Eigentum verpflichtet" und sein Gebrauch "zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen" soll (Art. 14 II GG) das private Vollrecht des Eigentümers je nach seinem Gegenstand mehr oder weniger zahlreichen, regelmäßig mit einem bestimmten öffentlichen Interesse begründeten Beschränkungen und Eingriffen, also hoheitlicher Regulierung, unterworfen. So darf der Eigentümer eines Pkw denselben im öffentlichen Verkehr nur benutzen, wenn der Fahrer durch einen gültigen Führerschein qualifiziert und der Pkw den technischen Sicherheits- sowie den Abgasvorschriften genügt; auch muß der Fahrer die Regeln der Straßenverkehrsordnung einhalten, die man als eine durchschnittlich für alle Verkehrsteilnehmer verkehrspolitisch nützliche Koordinationsvorleistung des Staates betrachten kann. Wenn aber etwa mit einem umweltpolitisch begründeten Verbot bzw. Gebot in die Verfügungsrechte eines Eigentümers von Produktionsmitteln eingegriffen wird, dann sieht der durch den zwangsbewehrten Eingriffsakt Belastete bestimmte Verfügungsrechte jedenfalls als teilweise entwertet ("verdünnt") an, mögen auch Ökonomen und Politiker zu dem niemals zweifelsfrei begründbaren Ergebnis gekommen sein, der staatliche Eingriff habe einen negativen externen Effekt wohlfahrtssteigernd korrigiert. Abgesehen von den enormen Schwierigkeiten, den behaupteten Effizienzgewinn durch eine empirisch verläßliche Kosten-Nutzen-Analyse zu belegen, sollte die Redeweise vom öffentlichen Interesse oder dem Wohl der Allgemeinheit nicht den Blick auf den stets gegenwärtigen Verteilungsaspekt verstellen, daß ex post immer Interessen und Wohlstand bestimmter Individuen in spezifischer Weise positiv oder negativ betroffen worden sind und dadurch wenigstens implizit politisch eine bestimmte Gewichtung erfahren haben. - e) Verfügungsrechte als Institutionen: (1) Allgemein: Ein bestimmtes Arrangement individueller V., dem die auf Dauer angelegte Funktion zugeschrieben wird, in regelhafter Weise bestimmte Probleme der Koordination und Motivation individueller Handlungen zu lösen, soll Institution genannt werden (Neue Institutionenökonomik). Die nachhaltige Regelhaftigkeit, mit der eine Institution individuelles Handeln anleitet, erzeugt normative Erwartungen verläßlichen Verhaltens bei denjenigen, deren individuelle Handlungsmuster vom Vertrauen in diese Institution geprägt sind. Ein Beispiel soll verdeutlichen, daß dieser von Ökonomen bevorzugte Institutionenbegriff viel weiter gefaßt ist als der des alltäglichen Sprachgebrauchs: Angenommen, Produzent A will einen Produzenten B als Zulieferer dazu verpflichten, eine hochspezifische, ganz auf ihn (A) zugeschnittene Investition ausschließlich zu dem Zweck vorzunehmen, ihn (A) dauerhaft mit einem bestimmten Produkt(teil) zu beliefern. B befürchtet zu Recht - Eigennutz des A als dominantes Motiv unterstellend -, daß nach Fertigstellung der Investition und Versenkung entsprechend hoher Kosten, A ihn "erpressen" könnte, einen niedrigeren (als den für die Zulieferteile in Aussicht genommenen) Preis zu akzeptieren oder mit anderen für A vorteilhaften Zugeständnissen nachzubessern, ohne daß B glaubhaft die Einstellung der Zulieferungen androhen könnte. Soll nun dieses Motivationsproblem, nämlich die Unsicherheit wegen der in Frage stehenden Glaubwürdigkeit von Versprechen bzw. Drohungen der Vertragsgegner, nicht die an sich für beide vorteilhafte Transaktion vereiteln, dann müssen sie es durch ein geeignetes institutionelles Arrangement, beispielsweise (vertikale Integration) unter einem Unternehmensdach, entschärfen. Institutionen werden häufig ausschließlich als menschliche Artefakte i. S. v. geplanten Ergebnissen menschlicher Erfindung begriffen, d. h. als Kunstwerke im wörtlichen Sinn, mit denen Menschen bewußt bestimmte Ziele und Zwecke erreichen wollen. Dabei wird an Organisationen wie den Staat als Inbegriff politischer Institutionen, um Staatszwecke wie namentlich Friedenssicherung zu verfolgen, gedacht oder an Unternehmen, die bestimmte Unternehmensziele anstreben. F. A. v. Hayek spricht hier von der Teleokratie einer Taxis im Sinne einer bewußt geplanten Ordnung. Aber schon David Hume hob Institutionen hervor, die zwar "Ergebnis menschlichen Handelns, aber nicht menschlichen Entwurfs", also nicht-intendierte gesellschaftliche Folgen von auf individuelle Ziele gerichteten Verhaltensweisen seien wie der Gebrauch von Geld und Märkten. Hayek nennt solche Institutionen Kosmos und spricht im Hinblick auf Märkte von der spontanen Ordnung einer Katallaxie (Ordnungsökonomik). (2) Unterscheidung in äußere und innere Institutionen: Marktwirtschaft bedarf, um zu funktionieren, zum einen äußerer Institutionen (L. Lachmann), nämlich eines staatlich erlassenen und von den Gerichten interpretierten Regelwerks, das insbes. die zwingenden Gesetze der Eigentumsordnung, ferner die überwiegend zur Disposition der Parteien gestellten Vorschriften des Vertragsrechts und Normen der Haftungsverteilung bereitstellt. Diese Privatrechtsordnung (F. Böhm) umfaßt im wesentlichen allgemeine und abstrakte, also für alle in gleicher Weise sowie für unbestimmte Zwecke geltende Regeln (Hayek nennt sie "rules of just conduct") zur freiheitssichernden Gewährleistung der "konstituierenden Prinzipien" (W. Eucken) einer Marktwirtschaft als Wettbewerbsordnung, namentlich Eigentum, Vertragsfreiheit und Haftung. Im Schatten der äußeren Institutionen bilden die Teilnehmer an funktionstüchtigen Märkten zum anderen in der Praxis ihrer Geschäftsbeziehungen innere Institutionen (L. Lachmann) heraus. Dabei handelt es sich insbes. um Regeln, welche gute Sitten, Fairneß und Loyalität im Geschäftsverhalten festlegen. Wer sie einhält, gewinnt Reputation und Vertrauen, ihre Verletzung wird jenseits staatlicher Sanktionsformen je nach dem mit reziprok angemessener Vergeltung (R. Axelrod: "tit for tat"), Widerspruch oder Abwanderung (A. O. Hirschman) beantwortet. Zum Beispiel stellt die Reputation eine annehmbare (wenn auch nicht unbedingt die höchste) Qualität, verläßlich anzubieten, bzw. eine wertvolle Information für die Kunden bei sog. Erfahrungsgütern dar, die technisch genügend komplex sind, so daß sich ihre Qualität nicht schon durch Augenschein, sondern erst in nachhaltigem Gebrauch erschließt. Glaubhafte Zusicherungen von Garantie-, Umtausch- und Rücknahmeverpflichtungen signalisieren die Fähigkeit und Bereitschaft des Produzenten, sich über das von Rechts wegen Gebotene hinaus gegenüber dem Benutzer zu binden, sofern dieser sich vertraglich zu sachgemäßem Gebrauch verpflichtet. Indem diese Konfiguration von Verfügungsrechte die Qualitätskontrolle der Partei zuweist, die dafür einen komparativen Vorteil besitzt, maximiert sie tendenziell den Marktwert des Produkts (Coase-Theorem). Es ist die freiwillige Vereinbarung der Verdünnung von V., die einen Entwertungseffekt nicht entstehen läßt. Ein anderes Beispiel liefert die produktivitätsfördernde Wirkung freiwilliger Beteiligung von Arbeitnehmern an Entscheidungen über ihr Arbeitsfeld im Rahmen des Arbeitsvertrages durch den Arbeitgeber. Staatlich erzwungene Mitbestimmung mag diese Wirkung nicht unbedingt haben. (3) Regulierende Staatseingriffe in die marktwirtschaftliche Ordnung, die häufig eine (Über-) Reaktion auf gewisse Mißstände sind, ziehen, wie das Beispiel einer Höchstpreisvorschrift unten zeigen wird, häufig den inneren Institutionen zuzurechnende Verhaltensweisen der Betroffenen nach sich, welche den Regulierungszielen zuwiderlaufen. Findige Wirtschaftssubjekte entwickeln "Arbitragen gegen Regulierung" (D. Schneider), um zum einen zu Lasten des Regulierenden Arbitragegewinne abzuschöpfen (Beispiel: legale Gestaltungsspielräume ausnutzende Steuerausweichhandlungen) sowie zum anderen Risiken und Einkommensansprüche entsprechend den Präferenzen und Restriktionen der Vertragspartner neu zu verteilen. - f) Verfügungsrechte und Transaktionskosten: Innere und äußere Institutionen konstituieren eine Handelnsordnung (Hayek) der Marktteilnehmer, indem sie Handlungsmöglichkeiten und Interessen der Beteiligten ex ante abgrenzen und ex post verteilen. Sie entlasten ferner von andernfalls aufzuwendenden Transaktionskosten: Häufig weisen Verträge Lücken auf und es ist dann hilfreich, wenn vertraglich zur Disposition stehende Rechtsvorschriften standardmäßig diese Lücken ausfüllen; oder: die Reputation eines Anbieters senkt die Informationskosten der Nachfrageseite. Allgemein kann man unter Transaktionskosten solche Kosten verstehen, welche die an einer ökonomischen Transaktion beteiligten Individuen aufwenden, um die transaktionsspezifischen Verfügungsrechte zu definieren, auszuüben, zu übertragen und zu schützen. Auf eine bestimmte Institution bezogen sind Transaktionskosten diejenigen Kosten, die aufgewandt werden (müssen), damit diese Institution im Sinne der ihr zugedachten Koordinations- und Motivationsaufgaben befriedigend funktioniert (s. Transaktionskostenökonomik). Würden etwa potentielle Marktteilnehmer "alles" über marktverwertbare Güter, über Qualitäts- und Preisvorstellungen potentieller Produzenten und Abnehmer, über einsetzbare Verfahrens-, Organisations- und Führungstechniken und über die Verläßlichkeit der Kontrahenten wissen, dann gäbe es weder Koordinations- noch Kontrollprobleme. - 2. Theoretische Einordnung: (1) Im walrasianischen Modell des allgemeinen ökonomischen Konkurrenzgleichgewichts bei vollständig flexiblen Preisen treffen automatenhaft-rational entscheidende Produktions- und Konsumakteure ihre Entscheidungen bei vollständiger Information über die Preisverhältnisse und in Kenntnis sowohl aller werthaltigen Attribute und Tauschbedingungen für Ressourcen und Güter auf heutigen wie auf Zukunftsmärkten, als auch sämtlicher verfügbarer Produktionsverfahren. Die relativen Marktpreise sind dann ein hinreichendes Instrument, um eine (pareto-)effiziente Allokation bei vollständiger Dezentralisierung sämtlicher ökonomischer Entscheidungen zu gewährleisten. Die überwältigende Vielfalt der in der Wirklichkeit anzutreffenden ökonomischen Institutionen und Organisationen, namentlich die Existenz von Unternehmen (Theorie der Firma) ist in dieser Modellwelt weder von Belang noch in ihr erklärbar. In ihr genügt es, wenn die individuellen Verfügungsrechte klar definiert, exklusiv zugeordnet und ohne Transaktionskosten übertragbar sind. Die Ausgangsverteilung von Rechtstiteln ist dann nach der Aussage des Coase-Theorems für die Allokationseffizienz, von allfälligen Vermögenseffekten abgesehen, folgenlos. Im besonderen werden externe Effekte, sobald sie von nutzen- bzw. vermögensmaximierenden Individuen wahrgenommen werden, sofort dadurch internalisiert, daß die Verfügungsrechte im Marktprozeß denjenigen übertragen werden, die von ihnen den "wertvollsten" Gebrauch machen. Der Staat ist auf die Definition und Durchsetzung von Rechtstiteln beschränkt; eine darüber hinausgehende staatliche Regulierung erscheint weder notwendig noch hilfreich. (2) Beurteilung: Bei allen Vorzügen dieses Modells für die theoretische Grundlegung neoklassischer ökonomischer Analyse hat eine jahrzehntelange Diskussion insbes. die folgenden Aspekte als für eine der Realität angemessene Betrachtung ökonomischen Verhaltens nicht vernachlässigbar erwiesen: Ökonomische Akteure kennzeichnet beschränkte Rationalität, sie stoßen an kognitive Grenzen ihrer Kapazität zur Informationsbeschaffung und -verarbeitung. Transaktionskosten treten auf, weil Informationen nicht kostenlos zur Verfügung stehen; es kann niemals vollständige Information, also auch keine allen Eventualitäten Rechnung tragende Vertragsgestaltung geben, und nicht selten sind Informationen zwischen Marktparteien asymmetrisch verteilt. Ungeachtet moralischer Präferenzen ist im allgemeinen mit einer Neigung zu rechnen, Informationsvorsprünge und darauf gründende Handlungsmöglichkeiten opportunistisch i. S. v. eigennützig gepaart mit einem "Schuß" Arglist zu nutzen. Entscheidungsspezifische Unsicherheit ist häufig nicht vernachlässigbar, kann aber möglicherweise durch geeignete institutionelle Arrangements (siehe das Beispiel unter 1 e) vermindert werden. - Die als Theorie der Verfügungsrechte bekannte Betrachtungsweise wurde von angelsächsischen Ökonomen wie A. Alchian, R. Coase, H. Demsetz, D. North und O. Williamson im Bemühen entwickelt, wenigstens einige der angeführten Aspekte ernsthaft in die neoklassische Modellanalytik des unter Restriktionen nutzen- bzw. vermögensmaximierenden homo oeconomicus und der postulierten Tendenz zu Gleichgewichtsallokationen einzubeziehen. Befruchtend hat sich diese Betrachtungsweise insbes. für die ökonomische Theorie der Firma, die Theorie staatlicher Regulierung und die Theorie wirtschaftlicher Entwicklung zugewirkt. Man hatte auf diese Weise zur klassischen Einsicht eines Adam Smith in die zentrale Bedeutung der Gestaltung von Institutionen für den Wohlstand einer großen Gesellschaft, in der sich die Menschen dominant selbstsüchtig verhalten, zurückgefunden.


Literatur: Barzel, Y., A Theory of Rationing by Waiting, in: Journal of Law and Economics 17 (1974), S. 73-95; Cheung, St. N. S., A Theory of Price Control, in: Journal of Law and Economics 13 (1974), S. 48-70; Coase, R. H., The Firm the Market and the Law, Chicago 1988; De Jasay, A., Choice, Contract, Consent: A Restatement of Liberalism, London 1991; Demsetz, H., Towards a Theory of Property Rights, in: American Economic Review, Papers and Proceedings, 57 (1967), S. 347-359; Eggertsson, T., Economic behavior and institutions, Cambridge U.K. 1990; Hayek, Fr. A. v., Law, Legislation and Liberty, vol. 1: Rules and Order, London 1977; Libecap, G. D., Contracting for Property Rights, Cambridge U.K. 1989; Milgrom P., Roberts J., Economics, Organization and Management, Englewood Cliffs N. J. 1992; Ostrom, E., Governing the Commons, Cambridge 1990; Richter, R./Furubotn, E., Neue Institutionenökonomik, Tübingen 1996; Schneider, D., Investition, Finanzierung und Besteuerung, 7. Aufl., Wiesbaden 1992; Schüller, A. (Hrsg.), Property Rights und ökonomische Theorie, München 1983; Wegehenkel, L., Gleichgewicht, Transaktionskosten und Evolution, Tübingen 1981; Williamson, O. E., The Economic Institutions of Capitalism, New York 1985.

 

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