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Nationalsozialismus (1933-1945)

1. Rahmenbedingungen: Das Wirtschaftssystem in Deutschland befand sich bei der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 in einer Phase, in der die grundsätzliche marktwirtschaftliche Ausrichtung bereits von zahlreichen obrigkeitlichen Eingriffen in die Preis- und Lohnbildung überlagert war (staatlich angeordnete Senkung von Preisen, Löhnen, Mieten und Zinsen, Einsetzung eines Reichskommissars für Preisüberwachung). Die politischen Zielsetzungen der Nationalsozialisten, die nur durch die instrumentelle Einbindung der Wirtschaft realisiert werden konnten, machten die Etablierung umfassender und immer detaillierter werdender Eingriffe in das Wirtschaftsgeschehen erforderlich, die in ihrer Gesamtheit Züge merkantilistischer Wirtschaftspolitik aufwiesen. Wo der Marktmechanismus nicht im Sinne des nationalsozialistischen Regimes eingesetzt werden konnte, wurde er durch Systeme direkter Weisungen und Zuteilungen ersetzt. Die mittelfristigen wirtschaftspolitischen Zielvorstellungen wurden durch zwei Vierjahrespläne (1933 bis 1936, 1936 bis 1939) in branchenspezifische Teilziele umgesetzt, die mit Unterstützung und Druck seitens des totalitären Staats im wesentlichen durch die private Wirtschaft erreicht werden sollten. - Obwohl das Privateigentum an Produktionsmitteln auch während der nationalsozialistischen Herrschaft im wesentlichen unangetastet blieb - in einzelnen Bereichen ergänzt durch staatliche Unternehmen wie die Hermann-Göring-Werke in Salzgitter zur Ausbeutung relativ armer Erze - , intensivierte und verbreiterte der Staat seinen Einfluß schon in den Jahren vor Kriegsausbruch derart, daß die Nutzungs- und Verfügungsrechte der Eigentümer über die Produktionsmittel stark eingeschränkt waren. - Zum Zeitpunkt der nationalsozialistischen Machtübernahme steckte die Wirtschaft in Deutschland in einer tiefen Rezession, wenn auch erste Anzeichen auf eine Erholung hinwiesen: Im August 1932 hatten u. a. die saisonbereinigten Indexziffern von Produktions- und Verbrauchsgütererzeugung ihre Tiefpunkte durchschritten, und auch die Zahl der Arbeitnehmer stieg seitdem mäßig, aber kontinuierlich an. Die ideologischen Ziele der Nationalsozialisten ließen von Anbeginn an den Willen erkennen, zu ihrer Erreichung erforderlichenfalls Krieg zu führen. Die NS-Wirtschaftspolitik war deshalb davon bestimmt, Deutschland in die Lage zu versetzen, Krieg führen zu können. Die aus der aktuellen Situation heraus notwendigen Maßnahmen zur Arbeitsbeschaffung eigneten sich hervorragend als erster Schritt zur Aufrüstung Deutschlands und zugleich zur Erhöhung der Akzeptanz des Regimes bei der deutschen Bevölkerung. Neben der Aufrüstung erforderte die erwünschte Kriegsfähigkeit, ohne oder mit stark eingeschränktem Außenhandel auskommen zu müssen, weshalb ein weiteres wichtiges Zwischenziel nationalsozialistischer Wirtschaftspolitik die Erreichung eines möglichst hohen Grades an Autarkie war. - 2. Arbeitslosigkeit: Das hohe Maß an Arbeitslosigkeit konnte schon im Laufe des Jahres 1933 zurückgedrängt werden (Winter 1933/1934: 3,8 Mill. Arbeitslose). Dazu hatten nicht unwesentlich die Ansätze aktiver Wirtschaftspolitik der beiden letzten Weimarer Regierungen beigetragen, deren psychologische und insbes. materielle Wirkung erst mit Verzögerung eintrat. Diese grundsätzlich erfolgreichen Maßnahmen wurden 1933 und 1934 durch die nationalsozialistische Regierung (Reinhardt-Programm) intensiviert und ergänzt durch Arbeitsbeschaffungsaktionen (insbes. Darlehen für öffentliche Infrastrukturmaßnahmen, Kleinsiedlungen und landwirtschaftliche Siedlungen) und Steuersenkungen (insbes. Kfz-Steuer und Grundsteuer) im Umfang von insgesamt rund 2 Mrd. RM. Hinzu kamen Sonderprogramme für den Bau von Straßen und zur Modernisierung der Reichsbahn, für die 1933 1,2 Mrd. RM ausgegeben wurden. Schon 1934 erreichten die Ausgaben für die Wehrmacht die Hälfte aller öffentlichen Investitionen, so daß die Maßnahmen mit dem Ziel der Arbeitsbeschaffung nahtlos in Aufträge für die Aufrüstung übergingen. Die Arbeitslosenzahlen sanken weiter: 1933: 4,8 Mill.; 1934: 2,7 Mill.; 1935: 2,2 Mill.; 1936: 1,6 Mill.; 1937: 0,9 Mill.; 1938: 0,6 Mill. - 3. Kriegsvorbereitung: Die Maßnahmen zur Erreichung von Autarkie und zur Aufrüstung wurden von einer Vielzahl reglementierender Eingriffe in nahezu alle Bereiche des wirtschaftlichen Geschehens begleitet, um die Lenkung der volkswirtschaftlichen Entstehung, Verwendung und Verteilung im Sinne der nationalsozialistischen Ziele, insbes. der Kriegsvorbereitung realisieren zu können. - a) Autarkie: Die Außenwirtschaftspolitik der nationalsozialistischen Regierungen stand unter dem Primat der Autarkie, d. h. Deutschland sollte hinsichtlich der Versorgung mit Nahrungsmitteln und Wirtschaftsgütern möglichst unabhängig vom Ausland werden. Ergänzend zur daraus resultierenden Minimierung von Importen wurde die Substituierung der entsprechenden Produkte durch die heimische Wirtschaft gefördert (z. B. künstliche Gummi anstelle von eingeführtem Kautschuk). Exportiert wurde ausschließlich, um die nicht substituierbaren Importe finanzieren zu können. Obwohl die Gold- und Devisenreserven der Reichsbank gering waren, unterließen auch die Nationalsozialisten die Abwertung der Reichsmark, wahrscheinlich vor allem, um die damit verbundene Aufwertung der Auslandsschulden zu vermeiden. Bereits seit Sommer 1933 waren alle Auslandsverbindlichkeiten in der Konversionskasse für deutsche Auslandsschulden zusammengefaßt worden, an die die inländischen Schuldner mit befreiender Wirkung in Reichsmark bezahlen konnten und die ihrerseits gegenüber den ausländischen Gläubigern als zentraler Schuldner auftreten konnte (Auslandskredite Februar 1933: 19,0 Mrd. RM; Februar 1934: 13,9 Mrd. RM). Die im Sommer 1931 erlassenen Maßnahmen zur Devisenbewirtschaftung und gegen Kapital- und Steuerflucht wurden 1934 durch den sogenannten "Neuen Plan" abgelöst. Zur außenwirtschaftlichen Absicherung der binnenwirtschaftlichen Maßnahmen zur Aufrüstung wurde ein umfassendes, staatlich gelenktes Außenhandelssystem aufgebaut, das nur die Einfuhr von "volkswirtschaftlich notwendigen" Gütern zuließ und den dazu erforderlichen Export gezielt durch Kompensationsgeschäfte und insbes. durch am Auslandspreis orientierte Preissubventionierung förderte. Dazu wurden die außenwirtschaftlichen Beziehungen mit möglichst vielen Ländern nach dem Grundsatz "Kaufe bei deinem Kunden" und durch zweiseitige Verrechnungsabkommen bilateralisiert. Die Konvertierbarkeit der Reichsmark wurde durch die Umstellung auf fünf unterschiedliche Verrechnungseinheiten für den Kapital- und Güterverkehr vollends aufgegeben. So erfolgte bis 1938 eine Umorientierung des deutschen Außenhandels zu Lasten der traditionellen Handelspartner Westeuropa und USA hin zu südosteuropäischen, nordeuropäischen und lateinamerikanischen Ländern. Während der mengenmäßige Austausch von Rohstoffen und Halbfabrikaten annähernd konstant blieb, ging der Außenhandel mit Agrargütern und Fertigwaren bis zur Hälfte zurück. Bei Mineralöl, Spezialmetallen und Speisefetten ("Fettlücke") gelang es nicht, die traditionellen Engpässe mittelfristig zu überwinden. - Zur Erreichung der gewünschten Autarkie bei der Nahrungsmittelversorgung und in Verfolgung seiner rassisch-ideologischen Ziele betrieb das nationalsozialistische Regime eine intensive Agrarpolitik. Dabei konnte es weitgehend an die bereits seit 1931 ausgeprägt protektionistische Politik anknüpften, die u. a. durch Richtpreise, Prohibitivzölle und die Errichtung staatlicher landwirtschaftlicher Handelsgesellschaften und -monopole dem Verfall von Agrarpreisen und -einkommen, durch Entschuldungshilfen der hohen Belastung der deutschen Bauern entgegenwirken sollte. Die Nationalsozialisten etablierten ein preis- und mengensteuerndes Reglementierungssystem. Die Menschen wurden jedoch nicht nur mittelbar von derartigen wirtschaftlichen Reglementierungen berührt, vielmehr wurde ihre Selbstbestimmung zusätzlich auch schon vor der Einführung der Kriegswirtschaft durch staatliche Erlasse unmittelbar beeinträchtigt. - Ab Herbst 1933 wurde der sog. Reichsnährstand aufgebaut, eine berufsständische Selbstverwaltungskörperschaft, in der alle landwirtschaftlichen Erzeuger, Be- und Verarbeiter sowie Händler Zwangsmitglieder waren. Unter der Leitung des dem Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft unterstellten Reichsbauernführers wurden Produktion, Verarbeitung und Absatz von immer mehr landwirtschaftlichen Produkten (Getreide, Milch, Zucker, Fleisch, Kartoffeln etc.) durch Marktordnungen geregelt. Die Vermarktung dieser Produkte wurde vom Reichsnährstand kontrolliert und organisiert, sie waren der Ablieferungspflicht sowie staatlicher Preiskontrolle unterworfen. Die angeordneten "volkswirtschaftlich gerechtfertigten" Preise sollten einerseits den Kriterien Kostendeckung und Sicherung des angemessenen Lebensunterhalts genügen, andererseits als Anreiz zur Erzeugung der erwünschten Produkte dienen. - Seit 1934 konnten im Rahmen der "landwirtschaftlichen Erzeugungsschlacht" die Produktion tatsächlich erhöht und zugleich durch sparsamen Einsatz der Verbrauch niedrig gehalten werden. Der Produktionssteigerung diente die Erhöhung des Düngemitteleinsatzes und der Arbeitsintensität, außerdem die Melioration bislang nicht oder nicht intensiv genutzter Flächen. So konnte der Index der landwirtschaftlichen Gesamtproduktion je Flächeneinheit zwischen 1925/29 und 1935/37 um fast 20% gesteigert werden, der Selbstversorgungsgrad bei wichtigen Nahrungsmitteln (Brotgetreide, Hülsenfrüchten, Kartoffeln, Gemüse, Zucker, Fleisch, Eiern, Fett) von durchschnittlich 68% im Zeitraum 1927/28 über 80% in 1933/34 auf 83% in 1938/39. - Die Sicherung des Bauernstandes diente neben der Sicherung der Ernährung der deutschen Bevölkerung auch rassistischen Zielen. Zu diesem Zweck wurden die aufgezeigten Maßnahmen durch das Reichserbhofgesetz ergänzt, das auf den Erhalt und die Förderung des bäuerlichen Mittelstandes gerichtet war. Die schon unter Weimarer Regierungen eingeleitete Entschuldung landwirtschaftlicher Betriebe wurde fortgesetzt, ergänzt durch Zwangsvollstreckungsschutz und Maßnahmen zur Vermeidung künftiger hypothekarischer Belastung und der Hofzersplitterung durch Erbteilung. Dieser "Schutz" durch die Neuordnung des Bodenrechts ging allerdings mit dem Verlust der Verfügungsgewalt der "Erbhofbauern" über ihr Eigentum einher. - b) Aufrüstung: Die ausgewiesenen Staatsausgaben des Reiches für Rüstung zuzüglich der für Rüstungszwecke begebenen Mefo-Wechsel ergeben für den Zeitraum 1933 bis zum Kriegsbeginn eine Summe von rund 60 Mrd. RM. Der Anteil der Rüstungsausgaben am Volkseinkommen stieg in dieser Zeit von 1,5% auf 21% an, an den Reichsausgaben insgesamt von 11% auf 60%. Im Durchschnitt dieser Jahre wurde mehr als die Hälfte des Staatshaushalts für die Aufrüstung aufgewendet. Derart umfangreiche Ansprüche des Staates an das Sozialprodukt - die zwangsläufig zu Lasten der zivilen Produktionsmöglichkeiten gehen - konnten nur deshalb ohne Preisänderungen erfolgen, weil diese staatspolitisch gewollte Produktion durch entsprechende reale Zuteilungen bei allgemeinem Preisstopp ermöglicht wurde. Zu diesem Zweck wurde ein immer enger werdendes Geflecht von Reglementierungen eingeführt: (1) Die Beeinflussung des Produktionsfaktors Arbeit hinsichtlich Menge bzw. Einsatz und Preis bzw. Lohnhöhe setzte unmittelbar nach der Machtergreifung ein und wurde bis zur völligen Determinierung intensiviert. Im Mai 1933 wurde den von der Regierung eingesetzten Treuhändern der Arbeit die alleinige Befugnis zum Abschluß von arbeitsvertraglichen Regelungen übertragen, ab Juli 1933 wurden Arbeitgeber und Arbeitnehmer bzw. ihre Vertretungen in der Deutschen Arbeitsfront zwangsvereinigt, die auch das Vermögen der aufgelösten Gewerkschaften übernahm. Um die Akzeptanz der nationalsozialistischen Wirtschaftspolitik insbes. bei den Arbeitnehmern zu erhöhen sowie zur Regeneration der Arbeitskraft veranstaltete die Organisation "Kraft durch Freude" unter dem Motto "Urlaub für alle" Reisen und Wanderungen: 1934: 2 Mill.; 1935: 6 Mill.; 1936: 10 Mill. Teilnehmer. - Unter den den Weisungen der Reichsregierung unterliegenden Treuhändern sanken die Löhne bis 1934 weiter, ehe sie bei ersten Lohn- und Preisauftriebstendenzen im Zuge der sich erholenden konjunkturellen Lage einem allgemeinen Lohnstop unterworfen wurden. Der Index der realen effektiven Stundenlöhne sowie der prozentuale Anteil der Löhne am Volkseinkommen (Angaben in Klammern) entwickelten sich wie folgt: 1932: 100 (57,0%); 1933: 99 (56,0%); 1934: 99 (55,5%); 1935: 99 (54,6%); 1936: 100 (53,5%); 1937: 101 (52,7%); 1938: 104 (52,4%) 1939: 107 (51,8%). - Mit zunehmender Vollbeschäftigung wurden zur Realisierung der staatlich gewünschten regionalen und branchenmäßigen Verteilung der Arbeitskräfte die Eingriffe auf dem "Arbeitsmarkt" intensiviert: Seit 1935 mußte grundsätzlich jeder Arbeitnehmer ein Arbeitsbuch besitzen, das beim Arbeitgeber hinterlegt werden mußte. Änderungen des Arbeitsverhältnisses waren nur mit Zustimmung des zuständigen Arbeitsamtes möglich. Ab 1938 konnten Arbeitskräfte im Rahmen "staatspolitisch wichtiger" Projekte zwangsverpflichtet werden; so waren 1940 etwa 1,4 Mill. Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft dienstverpflichtet. - (2) Auch das Kapital wurde Reglementierungen unterworfen, um einerseits die Investitionen in den staatspolitisch erwünschten Wirtschaftsbereichen zu konzentrieren und andererseits den Kapitalmarkt in möglichst hohem Umfang dem Staat zu erschließen. Zu diesem Zweck wurde ein umfassendes System von Regelungen entwickelt: Mit der Zwangskartellierung bestimmter Wirtschaftszweige ging die Einführung der Genehmigungspflicht für Investitionen und damit eine direkte Investitionskontrolle für diese Bereiche einher. Erwünschte Investitionen wurden durch steuerliche Anreize begünstigt. Die Fremdfinanzierung von Investitionen wurde durch das Verbot der Begebung von privaten Anleihen - Emissionssperre - und durch die Meldepflicht für Kredite seitens der Finanzinstitute eingeschränkt. Die Verwendung von Unternehmensgewinnen wurde dadurch reglementiert, daß Aktiengesellschaften den eine 6%ige Dividende übersteigenden Gewinn in einen Anleihestock öffentlicher Anleihen einzubringen hatten. Die Höhe der Unternehmergewinne wurde ab 1936 durch ein umfassendes Regelwerk beeinflußt, die Leitsätze für die Preisermittlung aufgrund der Selbstkosten bei Leistungen für öffentliche Auftraggeber (LSÖ). Diese detaillierten Kalkulationsvorschriften mußten bei staatlichen Aufträgen angewendet werden. - Den wegen der Einschränkung von Investitionen und im Zusammenhang mit der Erholung der wirtschaftlichen Lage nach Anlagemöglichkeiten suchenden Geldern beschnitt der Staat systematisch alle Alternativen zu den Papieren der öffentlichen Hände. Zugleich wurde das hohe deutsche Zinsniveau mit der noch Ende 1933 bei 8% liegenden Durchschnittsrendite durch eine Reihe gezielter Konversionen von hoch in niedriger verzinsliche Papiere auf 4,5% 1935 gesenkt. - Schon 1931 war ein Reichskommissar für Preisüberwachung eingesetzt worden, dessen Aufgabe vor allem in der Kontrolle von Kartellpreisen lag. Aufgrund der deflationären Tendenzen während der Wirtschaftskrise waren die Jahre 1933 und 1934 von einer Preisstabilisierung auf niedrigem Niveau bestimmt. Mit der allmählichen Überwindung der Krise traten Knappheiten bei immer mehr Gütern auf, verstärkt durch den Ausfall der Auslandsmärkte, so daß die Preisüberwachung wieder stärkeres Gewicht bekam. Um Erinnerungen an die erst ein Decennium zurückliegende Inflation zu vermeiden und zugleich die Preise, zu denen auch der Staat seine Aufrüstung bezahlen mußte, niedrig zu halten, agierte ab Herbst 1936 ein Reichskommissar für Preisbildung, der im November 1936 einen allgemeinen Preisstop anordnete. Obwohl dieser Preisstop in Einzelfällen durchbrochen werden konnte, bedeutete er unter den gegebenen Bedingungen den Beginn einer zurückgestauten Inflation. - 4. Kriegswirtschaft: Die bereits vielfältig reglementierte und organisierte Wirtschaft in Deutschland, die militärischen Erfolge der ersten Kriegsjahre sowie die für wichtige Produkte angelegten Vorräte machten eine umfassende kriegswirtschaftliche Ausrichtung auch nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges nicht erforderlich. Obwohl der Anteil der Rüstungsproduktion i. e. S. an der gesamten industriellen Erzeugung von 12% im Jahre 1939 über 14% 1940 auf 19% 1941 anstieg, ging die Produktion an Konsumgütern in diesem Zeitraum nur um 5% zurück. Die Versorgungslage der Zivilbevölkerung blieb relativ stabil, während immer mehr Produkte in das Rationierungssystem einbezogen wurden. - Erst nach dem Kriegseintritt der USA und den militärischen Niederlagen in der Sowjetunion wurde Deutschland mit den Erfordernissen eines länger dauernden Krieges und den zunehmenden Rüstungsanstrengungen seiner Kriegsgegner konfrontiert. So wurde ab 1942 begonnen, die Kriegswirtschaft mit neuen Methoden industrieller Führung zu organisieren. Betriebe einer Produktionskette wurden unter Führung eines kompetenten Fachmanns zwangsweise gemeinsam in sogenannten Ausschüssen und Ringen organisiert, um den wachsenden Rüstungsbedarf der deutschen Wehrmacht möglichst effizient zu befriedigen. Die gesamte Industrieproduktion erreichte 1943 ihren Höchststand, der um 12% über demjenigen von 1938 lag. Der zunehmende Rückgriff auf Kapazitäten und Einsatzstoffe der zivilen Fertigung drängte den Anteil der Verbauchsgüterproduktion von 1942 bis 1944 um 30% zurück. Durch die neue Organisationsform und den Einsatz aller Ressourcen gelang es, die Rüstungsproduktion sowohl absolut als auch relativ erheblich zu steigern: Der Anteil der Rüstungsproduktion an der gesamten industriellen Produktion nahm von 26% im Jahre 1942 über 37% 1943 auf 48% 1944 zu, die Produktion an Flugzeugen von 10 250 Maschinen im Jahre 1940 auf 14 700 1942, dann auf 25 220 1943 und auf 37 950 1944. Allerdings übertraf allein die rüstungswirtschaftliche Kapazität der USA diejenige von Deutschland um etwa das Doppelte. Und die enormen Steigerungen konnten nicht längerfristig erbracht werden, da die Vorräte aufgebraucht wurden, Nachschubquellen versiegten und der Produktionsstock nicht gesichert werden konnte. Die Investitionstätigkeit lag 1942 noch bei 56%, 1943 bei 48% und 1944 nur noch bei 40% des im Jahre 1938 erreichten Wertes. - 5. Kriegsfinanzierung: Noch in der Weimarer Republik war die Finanzierung von Staatsaufträgen mittels der Ausgabe von Steuergutscheinen und durch die ÖffA-Wechsel eingeführt worden, die der (i. d. R. öffentliche) Auftraggeber auf die Gesellschaft für öffentliche Arbeit (ÖffA) zog. Durch die Gegenzeichung seitens bestimmter Kreditinstitute wurden diese Wechsel rediskontfähig. Diese Dreimonatswechsel waren bis zu fünf Jahren prolongierbar. Beide Finanzierungsinstrumente wurden von den Nationalsozialisten übernommen und zur Deckung der steigenden Aufrüstungskosten ab 1934 ersetzt durch entsprechend gestaltete Wechsel der Metallurgischen Forschungsanstalt GmbH (Mefo-Wechsel), ab 1938 ergänzt durch Lieferschatzanweisungen, mit denen viele Unternehmen bezahlt wurden und die ihrerseits weitergegeben werden konnten. Diese Instrumente zur Begleichung von Forderungen wurden seit 1936 ergänzt durch das Verfahren der geräuschlosen oder rollenden Staatsfinanzierung. Die Kreditinstitute waren gehalten, die bei ihnen angelegten Spargelder, für die es ohnehin kaum alternative Anlagemöglichkeiten gab, in jederzeit liquidierbaren Titeln des Reiches anzulegen (Liquiditätsanleihen). So verschaffte sich das Reich in den Jahren 1939 bis 1945 Finanzmittel im Umfang von 66,5 Mrd. RM, ohne seine Papiere öffentlichkeitswirksam unter das Publikum bringen zu müssen. Das 1933 novellierte Bankgesetz erlaubte der Reichsbank, u. a. Reichsschatzwechsel und Reichsschatzanweisungen für ihre neu eingeführte Offenmarktpolitik einzusetzen und in die Notendeckung einzubeziehen. 1939 wurde die Reichsbankverfassung den Finanzierungsbedürfnissen des Krieges angepaßt, indem die Art der Notendeckung in ihr Ermessen gestellt wurde. Die Ausgaben des Reiches werden für die Jahre 1934 bis 1945 auf 685 Mrd. RM geschätzt, von denen 510 Mrd. für Rüstungszwecke eingesetzt wurden. Zur Aufbringung dieser Mittel verschuldete sich das Reich mit 380 Mrd. RM, davon bereits bis Ende 1939 mit 30 Mrd. RM. Lediglich 260 Mrd. RM konnten durch Steuern und Zölle, 40 Mrd. RM durch sonstige Einnahmen erbracht werden.

 

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