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Bilanzpolitik

I. Begriff: Bilanzpolitik als Teil der Unternehmenspolitik ist der gezielte Einsatz von Bilanzierungs-, Bewertungs- und Darstellungsspielräumen in der Bilanz, um Outsidern ein bestimmtes von der Unternehmensleitung gewünschtes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens zu vermitteln. Sie dient der im "Unternehmerinteresse" liegenden Beeinflussung der Einstellung und/oder Entscheidungen von Outsidern gegenüber dem Unternehmen. Die Gruppe der "Outsider" umfaßt all jene Personenkreise in und außerhalb des Unternehmens, deren wesentliche offizielle Informationsquelle über das Unternehmensgeschehen die externe Bilanzanalyse, d. h. die Auswertung des publizierten Zahlen- und sonstigen Datenmaterials der Jahresabschlüsse ist. - Für die Gruppe der "Insider" (wie Unternehmensführung, Aufsichtsrat, Großaktionäre und -gläubiger, Betriebsräte bei mitbestimmten Unternehmen, Finanzbehörden etc.) sind dagegen die vorgelegten Bilanzen oder die vorgelegten Jahresabschlüsse als Instrument zur Gewinnung von Entscheidungsinformationen von untergeordneter Bedeutung. Insider haben entweder aufgrund von Rechtsnormen bzw. aufgrund faktischer Machtpositionen die Möglichkeit, sich umfassend anhand des innerbetrieblichen Zahlenmaterials über den Unternehmensablauf sowie die betriebliche Planung zu informieren. Da Outsider von anderen Informationsmöglichkeiten abgeschnitten sind, hat die Unternehmensführung die Möglichkeit, durch eine gezielte Feinsteuerung der Bilanzen und Jahresabschlüsse Outsider im gewünschten Sinne zu motivieren und zu beeinflussen, womit sie in der Regel gleichzeitig gesetzlichen Informationspflichten nachkommt.
II. Gegenstand: Gegenstand der Bilanzpolitik im engeren Sinne ist lediglich die Bilanz als Teil des handelsrechtlichen Jahresabschlusses. - Gegenstand der Bilanzpolitik im weiteren Sinne, wie sie hier verstanden wird, sind (u. a. wegen der sachlichen Zusammenhänge) der gesamte handelsrechtliche Jahresabschluß, der bei Kapitalgesellschaften neben Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) zusätzlich noch den Anhang enthält, sowie der Lagebericht. Objekt der Bilanzpolitik ist also nicht nur die Vermögensrechnung und der Gewinnausweis durch Vergleich des Vermögens des Unternehmens am Anfang des Jahres mit dem Vermögen am Ende des Wirtschaftsjahres, sondern der gesamte handelsrechtliche Jahresabschluß und ergänzend dazu der Lagebericht. - (Handels-) Bilanzpolitik ist im gewissen Sinne auch verknüpft mit der Steuerbilanz. Die Steuerbilanz ist zwar eine aus der Handelsbilanz abgeleitete Bilanz. Sehr häufig ist jedoch der Ansatz in der Handelsbilanz "zwangsläufiges" Ergebnis steuerbilanzpolitischer Überlegungen, die sich an der zielgerichteten Beeinflussung der Steuerzahlungslast durch eine quantitative Einregulierung der Bemessungsgrundlage (= Steuern einsparen) und/oder zeitlichen Regulierung der Bemessungsgrundlage (= Steueraufschub) orientieren. Die "zwangsläufige Verknüpfung" von (Handels-)Bilanzpolitik und Steuerbilanzpolitik ist bedingt durch das Prinzip der Maßgeblichkeit und dessen Umkehrung (die sog. umgekehrte Maßgeblichkeit) (Steuerbilanz I 4). Dieses Prinzip verlangt für einen bestimmten Wertansatz in der Steuerbilanz, daß dieser bestimmte "steuerliche" Wertansatz auch in der Handelsbilanz gewählt wird. (Bilanzpolitik im hier verstandenen Sinne umfaßt nicht die Gestaltung von Sonderbilanzen (wie z. Bilanzpolitik Gründungs- oder Umwandlungsbilanzen).)
III. Bilanzpolitisches Instrumentarium: 1. Prinzipielle Ansatzpunkte: Der Gestaltungsspielraum der Unternehmensführung zur Formung der Bilanz läßt sich grundsätzlich in zwei große Bereiche unterteilen: a) Konstitutiv für die materielle Bilanzpolitik sind die Entscheidungen, wie die Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechte bei den einzelnen Bilanzpositionen auszuüben sind, damit die Höhe des von der Unternehmensführung gewünschten Jahresergebnisses bzw. die gewünschte Vermögensstruktur erreicht wird. b) Im Rahmen der formellen Bilanzpolitik dagegen wird das äußere "Bilanzbild" geformt. Die Gliederung, die Art und Höhe des Ausweises sowie die Erläuterungen der Abschlußposten samt Gestaltung des Anhangs und des Lageberichts sind Gegenstand bilanzpolitischer Gestaltungsmaßnahmen. - Die "formellen" bilanzpolitischen Mittel sind als Instrumente der informationspolitischen Einflußnahme insofern nicht zu unterschätzen, da durch diese für die Unternehmensführung aufgrund der Kenntnis der (möglichen bzw. paktizierten) Methoden der externen Bilanzanalyse in Verbindung mit der materiellen Bilanzpolitik eine gezielte Außendarstellung der Vermögens- und Kapitalstruktur des Unternehmens durch eine entsprechende formale Strukturierung der Bilanz möglich ist. Werden diese Möglichkeiten genutzt, dann zeigen extern durchgeführte Bilanzanalysen die von der Unternehmensführung gewünschten Werte hinsichtlich horizontaler und/oder vertikaler Bilanzstrukturregeln, Liquiditätskennziffern etc. Die "formelle B." ändert nichts an den Wertansätzen in der Bilanz. Sie befaßt sich nur mit deren adäquaten Außendarstellung. Die Gestaltung des Jahresergebnisses (in seiner materiellen Struktur) ist Gegenstand der Instrumente der materiellen Bilanzpolitik - Was den zeitlichen Einsatz (Zeitraum) der Bilanzpolitik angeht, so läßt sich grob zwischen einer Bilanzpolitik vor und einer Bilanzpolitik nach dem Bilanzstichtag unterscheiden. Bei der Bilanzpolitik vor dem Bilanzstichtag spricht man von einer "Bilanzpolitik durch Sachverhaltsgestaltung". Die Unternehmensführung achtet bei bestimmten Geschäften und deren Abwicklung und rechtlichem Hintergrund auf die bilanziellen Auswirkungen bzw. sie läßt bestimmte Geschäfte abwickeln, um eine entsprechende Bilanzgestaltung zu erreichen. Die Bilanzpolitik nach dem Bilanzstichtag dreht sich vor allem um die Art der Ausübung von Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechten, die der Gesetzgeber bzw. die Rechtsprechung der Unternehmensführung bei der Gestaltung des Jahresabschlusses einräumt. - 2. Mittel zur Gestaltung der Bilanzoptik: Die Instrumente der Gestaltung der Bilanzoptik zählen zum Bereich der formellen Bilanzpolitik Es soll durch die Art und Weise der Gliederung der Bilanz und der Gliederung der Gewinn- und Verlustrechnung der Ausweis einer von der Unternehmensführung gewünschten Vermögens- und Kapitalstruktur gesichert werden. Bei Kapitalgesellschaften erstreckt sich die formelle Bilanzpolitik auch auf die Art und Weise der Berichterstattung im Anhang und im Lagebericht. Durch die Mittel der formellen Bilanzpolitik wird vor allem die optische Darstellung der von der Unternehmensführung zur Weitergabe erwünschten Informationen für Bilanzadressaten geregelt, um diesen Personenkreis (sowie anderen interessierten Personen) einen bestimmten Eindruck von der Lage und Entwicklung des Unternehmens zu vermitteln. Um dieses Ziel zu erreichen, kann die Unternehmensführung für die strategische Orientierung der Bilanzpolitik als Teil ihrer Publizitätspolitik zwei grundsätzliche Strategien verfolgen. Die eine ist die Strategie der Offenheit. Das Unternehmen versucht, dem Bilanzadressaten oder Bilanzinteressenten das Gefühl zu vermitteln, ihnen ein Maximum an Information über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens zu gewähren. Die grundsätzlich anders geartete Informationsstrategie ist die der Informationsminimierung, mit der Bilanzadressaten und bilanzinteressierten Personen lediglich das gesetzliche Mindestmaß an Informationen gewährt wird. - B., planmäßig betrieben, setzt nicht erst nach dem Bilanzstichtag an. Zuvor ist bereits darauf zu achten, daß Geschäfte so abgewickelt werden, daß ein bestimmtes Bilanzbild erreicht wird. Daß sich dies meist auch auf den materiellen Bereich auswirkt, ist offensichtlich, jedoch nicht die Zielsetzung im Rahmen der formellen Bilanzpolitik Beispiele für die Bilanzpolitik vor dem Bilanzstichtag: Möchte man etwa eine Verbesserung der Kapitalstruktur erreichen, dann stehen als Optionen die Gewinnthesaurierung, die Beschaffung neuen Gesellschaftskapitals, die Beschaffung langfristigen Fremdkapitals etc. zur Verfügung. Soll eine "bessere Liquiditätslage" in der Bilanz ausgewiesen werden, könnte vor dem Bilanzstichtag betriebsnotwendiges Vermögen verkauft, Kredite aufgenommen werden, oder statt Wirtschaftsgüter zu kaufen, könnten diese gepachtet, geleast oder gemietet werden. Ist die Unternehmensführung daran interessiert, die Größenmerkmale des § 267 HGB bzw. § 1 PublG nicht zu überschreiten, könnte man auch vor dem Bilanzstichtag Kredite tilgen (sofern liquide Mittel vorhanden) oder mit der Realisierung von Geschäften bis auf das nächste Jahr warten, um bei den Umsatzerlösen die gesetzlichen Grenzen nicht zu überschreiten etc. - Der Schwerpunkt der formellen Bilanzpolitik liegt jedoch nach dem Bilanzstichtag. Es gilt, das Spektrum der informationspolitischen Möglichkeiten zu nutzen, um Outsidern das gewünschte Bild von der Lage des Unternehmens zu vermitteln. - Es gibt dabei zwei zentrale Gestaltungsbereiche, die die Unternehmensführung mit den beiden gegensätzlichen Strategien der Offenheit bzw. der Informationsminimierung (oder auch aus einem Mix von Anteilen der beiden Strategien zur "Informationsoptimierung") angehen kann: Gliederung der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung einerseits sowie Art und Ausgestaltung des Anhangs und des Lageberichts andererseits. - Was die Gliederung der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung angeht, so haben Einzelunternehmen und Personengesellschaften den größten Handlungsspielraum. Denn § 247 I HGB verlangt lediglich, daß in der Bilanz das Anlage- und Umlaufvermögen, das Eigenkapital und die Schulden sowie die Rechnungsabgrenzungsposten "hinreichend" aufzugliedern sind, wobei gem. § 246 II HGB ein Saldierungsverbot zwischen Aktiv- und Passivposten und Aufwendungen und Erträgen besteht. Der Jahresabschluß muß auch den GoB entsprechen und klar und übersichtlich sein. Diese Vorgaben bedeuten: Die Unternehmensführung kann jede Art der Gliederung wählen, sofern sie diesen (teils leerformelhaften) Vorschriften oder Grundsätzen entspricht. Hier bleibt für die Tiefe der Gliederung und die Bezeichnung der einzelnen Positionen ein sehr großer Spielraum. Lediglich für den Fall, daß Einzelunternehmen oder Personengesellschaften die Größenmerkmale des Publizitätsgesetzes überschreiten, sind gem. § 5 PublG, wie bei Kapitalgesellschaften nach §§ 266, 275 HGB, bestimmte Mindestgliederungsvorschriften für die Bilanz und GuV vorgegeben. Aber auch in diesem Fall bleiben noch Gestaltungswahlrechte. - Für kleinere Kapitalgesellschaften besteht die Möglichkeit für eine verkürzte Bilanz, andererseits können sie auch die "normale Gliederung" des § 266 HGB verwenden. Die in diesem Paragraphen vorgeschriebene Gliederung ist nur eine Mindestgliederung, die aber eine weitere Untergliederung der Positionen nicht ausschließt. So steht es der Unternehmensführung offen, die Bilanz in einer verkürzten Form aufzustellen und die entsprechenden Unterposten im Anhang "unterzubringen" und zu publizieren. Sie hat weiter die Möglichkeit, die Bilanz unter Berücksichtigung der vollständigen oder der teilweisen Ergebnisverwendung aufzustellen. Die Bilanzsumme läßt sich manipulieren (erhöhen bzw. vermindern) in all den Fällen, in denen Einlagen ausstehen und nicht eingefordert sind. Denn der Betrag kann auf der Aktivseite gesondert ausgewiesen oder offen vom gezeichneten Kapital abgesetzt werden. Im ersten Fall ist die Bilanzsumme um diesen Betrag höher als im zweiten. Die Bilanzsumme läßt sich weiter mittels Saldierung einzelner Posten manipulieren. § 246 II HGB enthält nur ein grundsätzliches Saldierungsverbot, d. h. es gibt davon Ausnahmen. Debitorische und kreditorische Salden eines Geschäftspartners können miteinander verrechnet werden, sofern sie nach § 376 BGB aufrechenbar sind. Weiter können erhaltene Anzahlungen offen von den Forderungen abgesetzt oder gesondert als Verbindlichkeiten ausgewiesen werden. Was die Gestaltung der Vermögensstruktur angeht, so können in bestimmten Fällen Wertpapiere entweder im Anlage- oder im Umlaufvermögen ausgewiesen werden. Diese wahlweise Zuordnung besteht auch bei anderen Vermögensgegenständen, bei denen der Unternehmensführung "nicht klar ist", ob sie dazu bestimmt sind, dauernd dem Geschäftsbetrieb zu dienen (Bilanzierung im Anlagevermögen) oder nicht (Bilanzierung im Umlaufvermögen). - Für die Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) hat die Unternehmensführung die Wahl zwischen zwei Gestaltungsvarianten: Gesamtkostenverfahren oder Umsatzkostenverfahren (vgl. auch jeweils dort). Das ausgewiesene Jahresergebnis ist bei beiden Alternativen identisch, nur die Gliederung und die dem Bilanzleser "gewährten Informationen" unterscheiden sich wesentlich. Das Gesamtkostenverfahren gewährt Outsidern einen "relativ guten" Einblick in die Kostenstruktur, den das Umsatzkostenverfahren vermeidet, das andererseits aber nur mit einem größeren Aufwand zu handhaben ist. Manipulationsmöglichkeiten bzgl. der Höhe der Umsatzerlöse bieten die Ausnahmen vom Saldierungsverbot, das auch für die GuV gilt. So dürfen Erhöhungen des Bestandes an fertigen und unfertigen Erzeugnissen mit den entsprechenden Bestandsminderungen beim Gesamtkostenverfahren verrechnet werden. Weiter dürfen kleine und mittelgroße Gesellschaften bestimmte Positionen zu einem Posten "Rohergebnis" zusammenfassen. Ein weiterer Gestaltungsspielraum besteht hinsichtlich der Abgrenzung der ordentlichen von außerordentlichen Erträgen und Aufwendungen, da hier in bestimmten Fällen eine klare Zuordnung nicht möglich bzw. der Entscheidung der Unternehmensführung überlassen ist. - Einen im Verhältnis zu den Gliederungsmöglichkeiten der Bilanz und GuV weit größeren Gestaltungsspielraum hat die Unternehmensführung hinsichtlich des Anhangs und des Lageberichts, für die aber nur bei Kapitalgesellschaften eine Pflicht zur Aufstellung und Publikation besteht. Für den Anhang ist gesetzlich ein bestimmter Mindestumfang vorgeschrieben. Es steht im Belieben der Unternehmensführung, den Anhang über den gesetzlichen Mindestumfang hinaus um freiwillige Angaben zu erweitern. Die Forderung, daß der Anhang klar und übersichtlich sein muß, setzt der freien Berichterstattung nur scheinbar Grenzen, da diese Forderung eine Leerformel darstellt. Auch das Faktum, daß der Anhang gleichwertiger Bestandteil des Jahresabschlusses neben Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung ist und deshalb demselben Normenrahmen unterliegt, d. h. er ebenso wie Bilanz und GuV ein den "tatsächlichen Verhältnissen" entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage zu vermitteln habe, ist im Prinzip keine Beschränkung für die Unternehmensführung im Hinblick auf die Art und Weise der Weitergabe von "freiwilligen Angaben". - Der größte Gestaltungsspielraum wird der Unternehmensführung vom HGB für die Art und Weise des (gesetzlich notwendigen oder freiwilligen) Lageberichts eingeräumt. Gem. § 289 I HGB ist im Lagebericht zumindest der Geschäftsverlauf und die Lage der Gesellschaft so darzustellen, daß ein den "tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild" vermittelt wird. Genaue Angaben über Form, Umfang und Art der Lageberichterstattung gibt das Gesetz nicht. Die Unternehmensführung hat im Extrem die Möglichkeit, den Lagebericht auf einen Satz zu beschränken, sie hat aber auch die Möglichkeit, den Lagebericht beliebig zu erweitern (z. Bilanzpolitik um Kapitalflußrechnung, Kapitalerhaltungsrechnung, Sozialbilanzen etc.). Der Erweiterung des Lageberichts sind im Grunde keine Grenzen gesetzt. Die freiwilligen Darstellungen werden durch das Publizitätsinteresse der Unternehmensführung bestimmt, um zusammen mit Bilanz, GuV und Anhang das gewünschte Bild über die Lage des Unternehmens bei Bilanzadressaten und Bilanzinteressenten zu erzeugen. Da der Lagebericht kein Bestandteil des Jahresabschlusses ist und er nur einen informationspolitischen Charakter besitzt, ist durch ihn eine materielle Beeinflussung des Jahresergebnisses nicht möglich. - 3. Instrumente der materiellen Ausgestaltung der Vermögens- und Ertragslage: Der Bereich der sog. "materiellen B.", die die materielle Gestaltung der Vermögens- und Ertragslage eines Unternehmens umfaßt, umfaßt die Ausnutzung der Gestaltungsspielräume vor und der nach dem Bilanzstichtag. a) Beeinflussungsmöglichkeiten der Vermögens- und Ertragslage vor dem Bilanzstichtag: Da eine Sachverhaltsgestaltung nach dem Bilanzstichtag i. d. R. nicht mehr möglich ist, ist eine notwendige Voraussetzung für eine planmäßige B., daß bereits während des Geschäftsjahres die bilanziellen Auswirkungen der Gestaltung bestimmter Geschäfte bzw. deren rechtlichen Konstruktionen zu beachten sind. Dies gilt z. Bilanzpolitik für Unternehmensakquisitionen, bei denen die rechtlichen Gestaltungsspielräume häufig relativ groß und die bilanziellen (damit auch die steuerlichen) Auswirkungen nicht unerheblich sind. Die materielle Bilanzpolitik vor dem Bilanzstichtag bezieht sich vor allem auf die Entscheidung, ob Geschäftsvorfälle vor oder nach dem Bilanzstichtag realisiert werden sollen. Beispiel dafür ist die Entscheidung, ob Reparaturen vorgezogen werden oder im nächsten Jahr erst bilanziell wirksam ausgeführt werden sollen. Wegen des Prinzips der Maßgeblichkeit kann es erforderlich sein, eine Anschaffung vorzuziehen, um in den Genuß der Vergünstigung des § 6 b EStG zu gelangen. Ähnliches gilt für Abschreibungsvergünstigungen, die evtl. im Folgejahr auslaufen. Neben Entscheidungen über zeitliche Vor- bzw. Nachverlagerungen von Geschäftsvorfällen gibt es noch Gestaltungsmöglichkeiten, die auf rein bilanzpolitischen Überlegungen beruhen. Dies betrifft z. Bilanzpolitik die Ausgliederung von Forschungsaktivitäten auf gesonderte Konzerngesellschaften, um auf diese Weise das Aktivierungsverbot für selbst erstellte immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens zu umgehen, oder das Einbringen von Beteiligungen in "Vorschaltgesellschaften", um stille Reserven realisieren zu können. In die gleiche Richtung zielt das "sale-lease-back", bei dem Anlagegüter mit der Absicht der Gewinnrealisierung an Leasinggesellschaften verkauft werden und dann anschließend wieder zurückgeleast werden. - Ein besonders interessanter Bereich ist die bilanzpolitisch orientierte Gestaltung der Beziehungen zu wirtschaftlich oder rechtlich abhängigen Gesellschaften. Denn hier fehlt der natürliche Interessengegensatz, der bei geschäftlichen Beziehungen mit Dritten öfters ein Hindernis darstellt. Will man das Ergebnis verbessern, dann bietet es sich zwischen abhängigen Unternehmen an, Anlagegegenstände zu veräußern, um so die darin steckenden stillen Reserven zu realisieren. Für die Feinsteuerung der Art und Höhe des Ertrages bietet die Festlegung von Verrechnungspreisen zwischen abhängigen Gesellschaften einen erheblichen Spielraum, da hier häufig keine Markt- bzw. Verkehrswerte existieren, sondern "angemessene" Preise innerhalb mehr oder minder großer willkürlicher Bandbreiten angesetzt können. Der "willkürlichen" Gestaltung dieser Geschäftsbeziehungen und damit auch der damit betriebenen "willkürlichen" Bilanzpolitik zwischen abhängigen Gesellschaften ist nur insofern eine "weiche" Grenze gesetzt, daß das jeweilige Geschäft von beiden Seiten "ernsthaft" gewollt (d. h. durch entsprechenden Handlungs- und Rechtsbindungswillen beider Verhandlungspartner abgedeckt) sein muß, und die betreffenden Geschäfte in dieser Art und Weise auch von unabhängigen Dritten durchgeführt worden wären. Wegen des Stichtagsprinzips müssen diese Geschäfte vor dem Bilanzstichtag vereinbart sein. - b) Gestaltung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage nach dem Bilanzstichtag: Systematisch lassen sich die Möglichkeiten der Unternehmensführung, nach dem Bilanzstichtag in ihrem Interesse die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens zu gestalten, in zwei grundsätzliche Bereiche einteilen: in den Bereich der Bilanzierung dem Grunde nach und den Bereich der Bewertung. In beiden Bereichen werden die Handlungsmöglichkeiten der Unternehmensführung durch die sog. "echten Wahlrechte" (diese sind gesetzlich vorgegeben) und die sog. "Spielräume" bestimmt. Von einem "echten Wahlrecht" spricht man immer dann, wenn gesetzlich bei einem genau definierten Sachverhalt mindestens zwei Alternativen für den Ausweis in der Bilanz gegeben sind. Bei den "Spielräumen" gibt es kein gesetzliches Ansatz- oder Bewertungswahlrecht, sie existieren deshalb, weil gesetzlich weder dem Grunde noch der Höhe nach die Methode und/oder die jeweiligen Komponenten der bilanziellen Erfassung des Sachverhalts fixiert worden sind. - (1) Bilanzierung i. e. S.: Die Einteilung der prinzipiellen Entscheidungsmöglichkeiten bzgl. der Darstellung des materiellen Inhalts der Bilanz orientiert sich daran, daß die gesetzlich geforderte "adäquate Darbietung" des Bilanzinhaltes vom Ersteller des Jahresabschlusses für jedes Wirtschaftsgut grundsätzlich zwei voneinander verschiedene, aber aufeinanderfolgende Entscheidungen verlangt: Ist das Wirtschaftsgut in die Bilanz aufzunehmen (Ansatz dem Grunde nach = Bilanzierung i. e. S.), und, falls die Entscheidung positiv ausgefallen ist, mit welchem Wert ist es in der Bilanz anzusetzen (Ansatz der Höhe nach = Bewertung). Das vor der "eigentlichen" Bewertung zu klärende Problem des Bilanzansatzes dem Grunde nach verlangt folgende Entscheidungen: Ist das Gut überhaupt bilanzierungsfähig (Aktivierungs- bzw. Passivierungsfähigkeit), ist die Bilanzierung verboten (Aktivierungs- bzw. Passivierungsverbot), ist es bilanzierungspflichtig (Aktivierungs- bzw. Passivierungsgebot), oder besteht ein Bilanzierungswahlrecht (Aktivierungs- bzw. Passivierungswahlrecht), d. h. bleibt es der Unternehmensführung überlassen, ob für ein Wirtschaftsgut im konkreten Fall ein Aktivum oder ein Passivum angesetzt werden soll oder nicht. Die Gestaltungsspielräume der Unternehmensführung bei der Bilanzierung dem Grunde nach werden durch die Bilanzierungswahlrechte bestimmt. Bei diesen bleibt es der autonomen Entscheidung der Unternehmensführung überlassen, ob es durch Ansatz bzw. Nicht-Ansatz eines Gutes die Höhe des Erfolgs- und Vermögensausweises den unternehmenspolitischen Interessen entsprechend manipulieren möchte. Kennzeichen sämtlicher Bilanzierungswahlrechte ist eine gewisse "Gegenläufigkeit" der Wirkungen bei ihrer Ausübung. In den Folgejahren drehen sich die bilanziellen Auswirkungen der Ausübung der Aktivierungs- bzw. Passivierungswahlrechte um, so daß lediglich das Periodenergebnis verändert, während der Totalerfolg der Unternehmen dadurch nicht berührt wird. Im einzelnen bestehen folgende Bilanzierungswahlrechte auf der Aktiv- bzw. Passivseite: Aufwendungen für die Ingangsetzung und Erweiterung des Geschäftsbetriebes gem. § 269 II HGB; Aktivierung von Disagio und Geldbeschaffungskosten. (Können im Jahr der erstmaligen Passivierung der Verbindlichkeit sofort als Betriebsausgaben angesetzt werden oder aber voll bzw. teilweise aktiviert werden. Im Falle einer Aktivierung müssen die als Rechnungsabgrenzungsposten aktivierten Geldbeschaffungskosten bzw. das Disagio über die Laufzeit abgeschrieben werden; aktive latente Steuern gem. § 274 HGB; derivativer Geschäfts- oder Firmenwert gem. § 254 IV HGB (der derivative (= "erworbene") Geschäftswert darf entweder als Aufwand angesetzt oder aktiviert werden und muß in letzterem Falle in jedem folgenden Geschäftsjahr zu mindestens einem Viertel abgeschrieben werden, wobei die jährliche Abschreibung diesen Betrag auch übersteigen darf); Aufwandsrückstellungen nach § 249 HGB. (Zum einen besteht ein Passivierungswahlrecht für Rückstellungen für im Geschäftsjahr unterlassene Reparaturen, die im folgenden Geschäftsjahr ab dem vierten bis einschließlich dem zwölften Monat nachgeholt werden. Rückstellungen dürfen nach § 249 II HGB außerdem für ihrer Eigenart nach genau umschriebene, dem Geschäftsjahr oder einem früheren Geschäftsjahr zuzuordnende Aufwendungen gebildet werden, die am Abschlußstichtag wahrscheinlich oder sicher sind, aber hinsichtlich ihrer Höhe oder des Zeitpunkts ihres Eintritts unbestimmt sind (es handelt sich hier im wesentlichen um Rückstellungen für Großreparaturen)); Rückstellungen für spätere Ausgleichsansprüche; für Rückstellungen für Pensionszusagen, die vor dem 1. 1. 1987 erteilt wurden (sog. Altzusagen), besteht ein uneingeschränktes Passivierungswahlrecht; für später erteilte Zusagen besteht eine Passivierungspflicht; Sonderposten mit Rücklageanteil gem. §§ 247, 273 HGB bzw. § 281 HGB (müssen immer dann gebildet werden, wenn bestimmte Steuervergünstigungen in Anspruch genommen werden sollen und Voraussetzung für die steuerliche Anerkennung der Ansatz in der Handelsbilanz ist). Der Bereich der Bilanzierungsspielräume bezieht sich auf der Aktivseite insbes. auf die Entscheidung, Vermögensgegenstände in das Betriebs- oder in das Privatvermögen zu nehmen. Bei Kapitalgesellschaften, die kein Privatvermögen mehr haben, kommt nur die Bilanzierung als Betriebsvermögen in Betracht. Bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften dagegen können gemischt genutzte Vermögensgegenstände beiden Sphären zugeordnet werden, wobei es auf den Willen des Unternehmers ankommt, welcher der beiden Sphären er welchen Vermögensgegenstand zuordnen will. Die neben den Wahlrechten existierenden Bilanzierungsspielräume auf der Passivseite beziehen sich hauptsächlich auf Rückstellungen. Denn Voraussetzung für deren Bildung ist lediglich eine gewisse Mindestwahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme, wobei nicht eindeutig feststeht, wie diese genau zu bestimmen ist, so daß der Unternehmensführung hier ein nicht unerheblicher Spielraum verbleibt. - (2) Bewertungspolitik: Die bilanzpolitischen Entscheidungsmöglichkeiten bzgl. des Ansatzes dem Grunde nach können nicht isoliert für sich betrachtet werden, d. h., es ist stets die Problematik der "Bewertung" des bilanzierten Wirtschaftsgutes mitzuberücksichtigen. Mit Entscheidung für einen Nichtansatz eines Gutes ist die Entscheidung gefällt, daß das Gut mit dem Wert Null anzusetzen ist. Im Einzelfalle ist in einem zweiten Entscheidungsakt dann über die Höhe des Wertansatzes zu bestimmen. Insofern lassen sich Bilanzierung und Bewertung nicht ganz reinlich trennen. Die bilanzpolitischen Möglichkeiten bei der Bewertung, d. h. der Entscheidung über den in der Bilanz anzusetzenden Wert eines Wirtschaftsgutes, sind aufgrund der größeren Anzahl von Wahlrechten weit umfangreicher als bei der Bilanzierung dem Grunde nach. Bewertungsspielräume existieren bei der Bestimmung der Anschaffungs- und Herstellungskosten und insbes. bei der Bewertung der Vorräte und der Anlagenabschreibung. Prinzipielle Ausgangswerte für die Wertermittlung (Bewertung) sind grundsätzlich die Anschaffungs- oder Herstellungskosten der beschafften oder selbsterstellten Wirtschaftsgüter. Der bilanzpolitische Gestaltungsspielraum bei der Berechnung der Anschaffungskosten ist prinzipiell beim Anlagevermögen gering. Lediglich im Zusammenhang mit der Aktivierungspflicht für Anschaffungsnebenkosten gibt es Wahlmöglichkeiten. Erhebliches bilanzpolitisches Potential ist jedoch bei der Bewertung des Vorratsvermögens gegeben, wo den Unternehmen erlaubt wird, das Prinzip der Einzelbewertung zu durchbrechen, weil es nur mit unbilligem Arbeitsaufwand (z. Bilanzpolitik bei Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen, Handelswaren) einzuhalten wäre und verschiedene Schätzmethoden zur Ermittlung der Anschaffungskosten bei gleichartigen Vermögensgegenständen des Vorratsvermögens erlaubt sind, die zu unterschiedlichen Ergebnissen im konkreten Falle führen und der Unternehmensführung eine gezielte Beeinflussung des Periodenergebnisses erlauben. Weit größer als bei den Anschaffungskosten sind die Steuerungsmöglichkeiten im Hinblick auf die Herstellungskosten. Denn handelsrechtlich besteht nur die Verpflichtung, die Einzelkosten anzusetzen (Wertuntergrenze). Es besteht ein Wahlrecht, auch die gesamten Gemeinkosten (mit Ausnahme der Vertriebskosten sowie unangemessene Teile der Material- und Fertigungsgemeinkosten, für die ein Aktivierungsverbot besteht) anzusetzen (= Wertobergrenze) oder einen beliebigen Wert dazwischen. - Im Bereich des abnutzbaren Anlagevermögens bestehen für die Unternehmensführung umfangreiche Gestaltungsmöglichkeiten im Hinblick auf die Wahl der planmäßigen Abschreibung (Abschreibungspolitik). Die beiden entscheidenden Parameter sind die zu schätzende Nutzungsdauer und die Wahl eines geeigneten Abschreibungsverfahrens. Denn die individuelle betriebliche Nutzungsdauer des Vermögensgegenstandes, wie sie sich im Zeitpunkt der Erstellung des Jahresabschlusses voraussehen läßt, ist neben der Abschreibungsmethode entscheidend für die Höhe der jährlichen Abschreibung. Diese individuelle Nutzungsdauer läßt sich nie exakt berechnen, sondern i. d. R. nur schätzen, wobei sich je nach Risikoeinschätzung diese Nutzungsdauer entsprechend verkürzt. Die zweite Komponente ist die Wahl des Abschreibungsverfahrens (Verteilungsverfahren für die Anschaffungs- oder Herstellungskosten, d. h. ob mit gleichbleibenden, fallenden oder steigenden Jahresraten operiert wird). Die Wahl der Verteilungsmethode hat den allgemeinen Grundsätzen für die Erstellung des Jahresabschlusses zu entsprechen und steht der Unternehmensführung frei. Durch die Methoden zur Verteilung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten (Abschreibungsverfahren) sowie durch die Schätzung der wirtschaftlichen Nutzungsdauer läßt sich der Ausweis des Periodengewinnes erheblich beeinflussen. Im Hinblick auf die planmäßigen Abschreibungen hat die Unternehmensführung grundsätzlich die Wahl zwischen der linearen und der degressiven Abschreibung, wobei bei der degressiven Abschreibung noch zwischen der arithmetischen und der geometrischen zu entscheiden ist. Fällt die Entscheidung für die degressive Abschreibung, so bedeutet dies zunächst eine Aufwandsvorverlagerung gegenüber der linearen. In späteren Jahren kehrt sich dieser Effekt allerdings um mit der Folge, daß zu einem "optimalen" Zeitpunkt regelmäßig ein Wechsel der Abschreibungsmethode (Hinwendung zum linearen Verfahren) gewählt wird. Sowohl im Bereich des abnutzbaren als auch nichtabnutzbaren Anlagevermögens besteht noch die Wahlmöglichkeit zur Vornahme außerplanmäßiger Abschreibungen, sofern es sich um Wertminderungen handelt, die voraussichtlich nicht von Dauer sind (andernfalls besteht eine Abschreibungspflicht). Für Kapitalgesellschaften beschränkt sich dieses Wahlrecht nur auf Vermögensgegenstände, die Finanzanlagen sind. § 254 HGB räumt der Unternehmensführung für sämtliche Vermögensgegenstände des Anlagevermögens noch ein weiteres Wahlrecht ein. Außerplanmäßige Abschreibungen können auch vorgenommen werden, um Vermögensgegenstände mit dem niedrigen Wert anzusetzen, der auf einer nur steuerlich zulässigen Abschreibung beruht. Das hier eingeräumte Wahlrecht ist notwendig, um steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten nutzen zu können. Der steuerbilanzielle Ansatz wird hier maßgeblich für den handelsbilanziellen Ansatz (Beispiel für "umgekehrte Maßgeblichkeit"). Auch für die Abschreibungen im Anlagevermögen gilt der Grundsatz der Planmäßigkeit. Dieser hat für die Bewertung zur Folge, daß die einmal gewählte und in einem "Abschreibungsplan" niedergelegte Methode nicht von Jahr zu Jahr willkürlich wechselt. Ein sachlich begründeter Wechsel zwischen verschiedenen Abschreibungsmethoden ist jedoch immer zulässig, ebenso ist ein planmäßig regelmäßiger Wechsel der Abschreibungsmethoden erlaubt. Im Hinblick auf die Abschreibungsmöglichkeiten im Umlaufvermögen spielt bilanzpolitisch vor allem das im Hinblick auf die Vorwegnahme künftig notwendiger Wertkorrekturen eingeräumte Abwertungswahlrecht eine Rolle. In § 253 III 3 HGB wird der Unternehmensführung erlaubt, bei Gegenständen des Umlaufvermögens den nach dem Niederstwertprinzip anzusetzenden Wert noch weiter zu unterschreiten, falls dieses Unterschreiten kaufmännisch vernünftig ist, um zu verhindern, daß in der nächsten Zukunft der Wertansatz dieser Gegenstände aufgrund von Wertschwankungen geändert werden kann. Für die Bemessung des niedrigeren Wertansatzes ist es notwendig, daß hier eine vernünftige kaufmännische Beurteilung zugrundegelegt wird, d. h. eine Schätzung der zukünftigen und tatsächlichen Verhältnisse und zukünftigen Risiken und Chancen vorgenommen wird. Da hier vorwiegend subjektive Einschätzungen ins Spiel kommen, ist dem subjektiven Ermessen prinzipiell Tür und Tor geöffnet. Die Formel von der "vernünftigen kaufmännischen Beurteilung" ist eine Leerformel, die der Unternehmensführung erlaubt, hier im engeren Sinne gestaltend vorzugehen. Der große Bewertungsspielraum für Einzelkaufleute und Personengesellschaften (nicht Kapitalgesellschaften) wird durch die gem. § 253 IV HGB für alle Vermögensgegenstände eingeräumte Möglichkeit einer Abschreibung im Rahmen vernünftiger kaufmännischer Beurteilung noch weiter vergrößert. Mit dieser Abwertungsmöglichkeit für alle Vermögensgegenstände wird die Bildung "stiller Reserven" grundsätzlich in recht großem Umfange ermöglicht. Denn "kaufmännische Begründungen" lassen sich fast für jede Handhabung finden. Es gibt keinen objektiven Maßstab an sich, was denn nun "kaufmännisch vernünftig" sein bzw. wie eine "vernünftige kaufmännische Beurteilung" definiert werden soll. Mit dieser, fast jeder Auslegung im Einzelfall zugänglichen Leerformel, hat der Gesetzgeber seine ansonst sehr strikt und präzis erscheinenden Bewertungsregeln für die Einzelkaufleute und Personengesellschaften sozusagen verdeckt zurückgenommen und disponibel gemacht. Weitere Bewertungsspielräume bietet Einzelunternehmen und Personengesellschaften das sog. "Beibehaltungswahlrecht". Es handelt sich darum, daß niedrigere Wertansätze aufgrund außerplanmäßiger Abschreibungen im Anlagevermögen, Abschreibungen gem. dem strengen Niederstwertprinzip oder zur Vorwegnahme künftiger nötiger Wertkorrekturen im Umlaufvermögen, Abschreibungen im Rahmen vernünftiger kaufmännischer Beurteilungen sowie steuerlich zulässige Abschreibungen gem. §§ 253 V, 254 II HGB beibehalten werden dürfen, auch wenn die Gründe für ihre Vornahme nicht mehr bestehen. Für Kapitalgesellschaften wird dieses Beibehaltungswahlrecht durch § 280 I HGB zwar einerseits aufgehoben (Wertaufholungsgebot), im nächsten Absatz, § 280 II HGB, wird dieses Wertaufholungsgebot wieder so relativiert, daß es faktisch auch für Kapitalgesellschaften i. d. R. zu einem Beibehaltungswahlrecht führt. Der größte Bewertungsspielraum auf der Passivseite betrifft die Bewertung von Rückstellungen. Denn die Dotierung der Rückstellung muß von der Unternehmensführung ggfs. geschätzt werden, wenn der Betrag nicht genau bestimmbar ist. Um Willkürlichkeiten bei Schätzung der Höhe der Rückstellung zu begrenzen, wird zwar in § 253 Abs. I und II HGB eine Dotierungsvorschrift für Rückstellungen festgelegt: "Rückstellungen sind nur in der Höhe des Betrages anzusetzen, der nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendig ist". Diese Dotierungsvorschrift ist eine Leerformel, die dazu führt, daß der Bewertungsspielraum bei Rückstellungen es der Unternehmensführung erlaubt, die Rückstellungen mit einem Betrag zu dotieren, der zwischen dem Wert "Null" (= keine Passivierung) und dem nach "vernünftiger kaufmännischer Beurteilung", d. h. nach ihrem subjektiven Ermessen gebotenen Wert (d. h. Passivierung) liegt.
IV. Zeitpunkt, Art und Umfang der Veröffentlichung: Letzter Aktionsbereich innerhalb der Bilanzpolitik ist die Wahl des Zeitpunktes und die Art und Weise der (externen) Präsentation des Jahresabschlusses. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Unternehmen, die gesetzlich nicht zu Publikationen der Jahresabschlüsse verpflichtet sind und solchen, die es sind. Die erste Entscheidung betrifft den Zeitpunkt, an dem die interessierte Öffentlichkeit über die Lage des Unternehmens informiert werden soll. Dies kann beispielsweise differenziert nach dem "notwendigen" Zeitpunkt der Unterrichtung der Betriebsangehörigen und dem "optimalen" Zeitpunkt der Präsentation für die unternehmensexterne Öffentlichkeit geschehen. Nicht zu unterschätzen für das gewünschte Ergebnis hinsichtlich der Außenwirkung bei den Outsidern ist auch die Entscheidung über die Art der Kommunikationsmittel. Will sich die Unternehmensführung auf die Veröffentlichung von Pflichtangaben, also den Mindestumfang beschränken, oder will sie im Sinne einer gezielten Public-Relation-Maßnahme zur Förderung des Images des Unternehmens einen Medien-Mix gezielt einsetzen? Zum Bereich des Medien-Mix gehören auch Hintergrundgespräche mit Journalisten und anderen Meinungsmachern, die "Erleichterung" journalistischer Berichterstattung durch ausführlich vorformulierte "Berichte" über den Geschäftsbericht, über den Jahresabschluß sowie den Verlauf der Hauptversammlung etc., die Redakteuren der Wirtschaftsteile von Zeitungen zur Verfügung gestellt werden, bis hin zu Kampagnen in der Printpresse mit ausgewählten und gezielten Informationen aus dem Jahresabschluß und Geschäftsbericht zur entsprechenden Beeinflussung der Meinung der Öffentlichkeit über das Unternehmen sowie eine gezielte Ausnutzung der sonstigen werbepolitischen Möglichkeiten. Die Anteilseigner können durch entsprechend gestaltete Aktionärsbriefe vorinformiert werden. Zu entscheiden ist auch, wie der Jahresabschluß und der Bericht über den Jahresabschluß in eine Art "Geschäftsbericht" eingebaut und verwertet werden kann. In diesen "Geschäftsberichten" können in vielfältigster Art und Weise gezielt Informationen über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens so mit anderen Informationen über das Unternehmen und seine Umwelt "verpackt" werden, daß im Kontext die erwünschten Vorstellungen über die Lage des Unternehmens erweckt werden. Die Wirkung der "bilanzpolitischen Werbebotschaften" läßt sich durch Mittel wie Hochglanzpapier, intensiver Einsatz von Farben, Fotographien, einprägsamen Diagrammdarstellungen etc. erreichen. Der "Geschäftsbericht" läßt sich in der Art eines "Maximum-Lageberichts" des Unternehmens gestalten, da er nicht an die gesetzlichen Normen des "Lageberichts" gebunden ist und eine entsprechende selektive Informationspolitik zur Beeinflussungspolitik der Öffentlichkeit gestattet.


Literatur: Bähr, G./Fischer-Winkelmann, W.F., Buchführung und Jahresabschluß, 5. Aufl., Wiesbaden 1996; Bähr, G./Fischer-Winkelmann, W.F./Kugler, L./Munkert, M., Beck'sches Prüfungshandbuch, München 1989, Harder U., Bilanzpolitik, Wiesbaden 1962; Hilke, W., Bilanzpolitik, 4. Aufl., Wiesbaden 1995; Pfleger, G., Die neue Praxis der Bilanzpolitik, 4. Aufl., Freiburg 1991; Sandig, K., Bilanzpolitik, in: Handwörterbuch des Rechnungswesens, Stuttgart 1993; Vodrazka, U., Bilanzpolitik, in: Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, Stuttgart 1984; Wöhe, G., Bilanzierung und Bilanzpolitik, 8. Aufl., München 1992.

 

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